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Stächele: Steuerfreiheit von Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag vorziehen

Der baden-württembergische Finanzminister Willi Stächele (CDU) hat erneut angeregt, die Steuerfreiheit auf Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge vorzuziehen. Dies werde am 1. Januar 2010 ohnehin einem Urteil des Verfassungsgerichts folgend passieren. "Das sind 10 Milliarden, die dann ab dem Moment Steuerentlastung kommen werden", so Stächele.

Willi Stächele |
    Christian Schütte: Keine konkreten Beschlüsse im Detail, aber der Wille zur Einigung sei da. Das ist im Groben das Ergebnis des gestrigen Spitzengesprächs der Koalition in Berlin. Das zweite Konjunkturpaket soll kommen. So viel steht fest und auch, dass es den Staat über zwei Jahre insgesamt 50 Milliarden Euro kosten soll. Wie kommt dieser Plan in den Ländern an? – Am Telefon begrüße ich Willi Stächele (CDU), Finanzminister in Baden-Württemberg. Guten Morgen!

    Willi Stächele: Guten Morgen!

    Schütte: Ihr Ministerpräsident, Herr Oettinger, scheint nicht ganz überzeugt, dass die Steuersenkungen, die die Union im Bund plant, das richtige Mittel sind, um die Rezession zu bekämpfen. Müssen Sie als Landespolitiker trotzdem jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen?

    Stächele: Die Frage natürlich immer wieder, was dient wirklich der Sicherung der Arbeitsplätze. Wir haben im Land ein Programm aufgelegt, eine erste große Maßnahme, und haben natürlich dort den Schwerpunkt gelegt einfach auf Bürgschaftsmöglichkeiten für Kredite, die notwendig sind, um mittelständische Betriebe zu fördern. Wir haben dann ein Infrastrukturprogramm aufgelegt, einmal die reinen Landesinvestitionen ausmachen und zum anderen natürlich auch die erweiterte Investitionsmöglichkeit für Kommunen, und haben gesagt, das ist zunächst mal das, was unmittelbar wirken kann und was den Arbeitsplätzen dient. Daneben natürlich der Streit, inwieweit Steuerentlastungen den Binnenmarkt befördern könnten, und dieser Streit wird richtigerweise geführt. Und schließlich zu guter letzt immer wieder im Auge, was ist Konsolidierung unserer Haushalte, auch im Zeichen dieser ganzen wirtschaftlichen Situation und dem, was der Staat aktiv einbringen muss als Wirtschaftspolitik.

    Schütte: Herr Stächele, in der Frage nach Steuersenkungen hat sich die CDU am Ende der CSU gebeugt. Sind Steuersenkungen wirklich das richtige Mittel, um der Rezession entgegenzusteuern, oder hat hier einfach der Populismus die Oberhand gewonnen?

    Stächele: Das ist keine Frage. Mehr Netto vom Brutto, wie es so schön heißt, dient natürlich immer dazu, dass die Leute die Möglichkeit haben, Geld auszugeben. Dann muss man das ganze natürlich mit dem Hoffen verbinden, dass es tatsächlich geschieht und dass es nicht auf dem Sparbuch landet. Insofern ist ganz eindeutig: Wenn man Geld in der Tasche hat, ist die Möglichkeit, tatsächlich zu investieren oder zu konsumieren, gegeben und die Chance ist eröffnet. Insofern hoffe ich natürlich, dass das, was an Steuerentlastungen möglicherweise als Teil einer Gesamtmaßnahme kommt, zunächst mal auch ein Zeichen setzt, ein Zeichen, dass man seinen Beitrag leisten kann mit dem, was man in der Tasche hat, und vielleicht auch, indem man da und dort eine Investition vorzieht, wie die öffentliche Hand, und vielleicht da und dort mal zum Sparbuch greift.

    Schütte: Steuersenkungen bedeuten weniger Einnahmen für den Staat. Wird da jetzt auf Bundesebene auf Unionsseite ein Erfolg gefeiert, der möglicherweise auf Kosten der Länder geht?

    Stächele: Das ist insgesamt natürlich eine Frage, inwieweit es auf Kosten unserer öffentlichen Haushalte gehen kann und insbesondere auf Kosten eines Konsolidierungskurses, und damit natürlich auch eine Frage, inwieweit wir jetzt neue Schulden aufnehmen dürfen und dabei wissen, dass wir die nachfolgenden Generationen damit belasten, gewaltig belasten. Insofern empfiehlt sich das in Augenmaß und ich bin dankbar, dass ringsum die Stimmen da sind, die sagen, nun wirklich Vorsicht, denn wir haben ja jetzt die Situation, wo viele die Hände offen halten und möglicherweise auch viele aufs Trittbrett springen möchten. Das heißt, eine Steuerentlastung, egal in welcher Form, egal für wen, ist immer sehr löblich und die Forderung nach Steuerentlastungen kommt gut an. Also wie gesagt genau hingucken, inwieweit es wirksam werden kann, und da gibt es Vorschläge, unter anderem auch einen, den ich vor Wochen schon eingebracht habe, den ich immer noch nachdenkenswert halte: Wir müssen etwa zum 01. Januar 2010, einer Verfassungsgerichtsentscheidung folgend, den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag steuerfrei halten. Das heißt also, das sind 10 Milliarden, die dann ab dem Moment Steuerentlastung kommen werden. Die Frage, inwiefern man nicht diesen Betrag, der in jedem Fall kommt zum 01. Januar, vorzieht. Hier eine Sache, die in jedem Fall kommt, ein Jahr vorziehen, um gleichzeitig damit jetzt schon einen Konjunkturbeitrag leisten zu können.

    Schütte: Herr Stächele, noch einmal zu den Steuersenkungen. Sie haben da eine kritische, eine sehr vorsichtige Haltung. Sprechen Sie da für Ihre Länderkollegen auf der Unionsseite?

    Stächele: Das sieht man sicherlich auf der Bundesebene, auch auf der Landes- und Länderseite sehr unterschiedlich. Aber ich denke, wenn die einen, die forsch vorangehen wollen, wenn die gleichzeitig dann den Dialog und die Diskussion führen müssen mit denen, die behutsamer umgehen müssen und umgehen wollen, dann ist das ganz sinnvoll. Vor allen Dingen darf man nie aus den Augen verlieren: es sind ja mehrere Säulen. Die Säule Eins heißt Infrastrukturprogramm, Investitionsmöglichkeit in Richtung Innovation, in Richtung Bildung, in Richtung Verkehrsinfrastruktur. Auch dort wird man ja bereits schon möglicherweise neue Schulden aufnehmen müssen, um das finanzieren zu können. Das heißt also, wir haben dort übereinstimmend die Meinung, hier muss was getan werden, also damit auch im Gefolge neue Schulden.
    Das zweite sind natürlich viele, viele Bürgschaften in mannigfacher Form, die wir jetzt in Aussicht stellen müssen im Blick auf die Überbrückungszeit für viele Betriebe, die Kredite brauchen, entsprechende Kreditlinien brauchen, und dann eben zu bedenken, dass das Ganze im dritten nur in geringem Umfang ergänzt werden kann im Blick auf die Gesamtmasse der neuen Schulden, in geringem Umfang ergänzt werden kann durch Steuerentlastungen, reale Steuerentlastungen. Ich kann mir vorstellen, dass man sich verständigen kann auf den Grundfreibetrag, die Anhebung.

    Schütte: Herr Stächele, jetzt haben Sie eine ganze Reihe von Projekten aufgezählt, wo sich die Union im Bund und auch in den Ländern einig ist. Bei der Frage nach Steuersenkungen, da haben Sie doch Unstimmigkeiten angedeutet. Was heißt das denn konkret? Blockieren Sie möglicherweise bei der Abstimmung des zweiten Konjunkturpakets dann im Bundesrat?

    Stächele: Nein. Man wird das in zweierlei Hinsicht betrachten müssen. Das eine bei der Infrastruktur, bei der Infrastrukturmaßnahme, was dort geschieht. Klar: die Zuständigkeiten werden eingehalten werden müssen zwischen Bund und Ländern. Zum anderen wäre es empfohlen, auch eine hohe Flexibilität den Ländern zu gewähren, denn da gibt es auch unterschiedliche Bedürfnisse. Die Komplementärfinanzierungsfrage muss geklärt werden, in welchem Anteil werden Länder und auch Kommunen herangezogen an Bundesinvestitionen. Und auf der anderen Seite natürlich, Maß und Mitte zu halten bei dem, was man eben nur über neue Schulden finanzieren kann. Das ist das Gebot und da wird man sich finden. Da bin ich ganz sicher wird man sich finden, auch bei der Frage der Steuerentlastung. Da ist ja große Frage, ob ich jetzt den Grundfreibetrag anhebe (das sind etwa zweieinhalb Milliarden, die das ausmacht), ob ich hineinsteige in die von allen gewollte Bereinigung der kalten Progression (das sind natürlich dann gleich 5, 10, 15, im Bestfall 25, 30 Milliarden, wenn ich nicht nur den Grundfreibetrag anhebe, sondern gleichzeitig auch die Progressionskurve verflache, wenn ich sie entsprechend ändere). Das sind Dinge, die man in Betracht ziehen muss, und ich könnte mir aber vorstellen, ein Kompromiss lautet: Ich gehe maßvoll jetzt in eine Entlastung, meinetwegen Grundfreibetrag, erster Einstieg sichtbar, ich will an die kalte Progression heran, aber ich könnte dann auch sichtbar machen, dass ich im Wege einer Gesetzeskraft auch das weitere tue und es dann vielleicht nicht gerade 2009 wirksam wird, sondern möglicherweise 2010, 2011 und im weiteren. Das sind alles Zeichen, die man setzen kann, aber immer im Auge behalten: die öffentlichen Haushalte dürfen nicht überborden an Schulden, sondern die nachfolgende Generation hat einen Anspruch darauf, dass wir damit sorgsam umgehen.

    Schütte: Aus Ihrem Bundesland kommt ja die Forderung nach einer Schuldenbegrenzung, nach einer Schuldenbremse. In welcher Höhe sollte die liegen?

    Stächele: Wir haben die Forderung, die im Raume steht im Rahmen der Föderalismuskommission. Das heißt, im Grunde ein Neuverschuldungsverbot mit Ausnahmetatbeständen. Wir haben im Gegenstück dazu natürlich die Verschuldungsmöglichkeit gefordert, vor allen Dingen von den Sozialdemokraten, die sagen, ein gewisser Anteil am Bruttosozialprodukt. Ich glaube, wir haben hier in Baden-Württemberg gezeigt, dass man tatsächlich zum Verschuldensverbot sich bekennt, Ausnahmetatbestände zulässt und wenn man dann verschuldet, innerhalb eines Zeitraumes von sieben Jahren das wieder zurückarbeiten muss, also einen ganz klaren Entschuldungsplan damit verbindet, und dieser Vorgang steht ja auch im Raum. Insofern: wenn immer man zu neuen Schulden kommen muss, dass man tatsächlich sich äußert, in welcher Form man tatsächlich nach diesen Herausforderungen der aktuellen Wirtschaftsentwicklung dies dann wieder zurückführt.

    Schütte: Willi Stächele (CDU), Finanzminister in Baden-Württemberg. Vielen Dank für das Gespräch.

    Stächele: Danke schön.