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Städtetag will Lastwagen aus Wohngebieten verbannen

Thoma: : In der EU gelten seit 1. Januar höhere Grenzwerte. An höchstens 35 Tagen darf dieser 50 Mikrogramm-Grenzwert überschritten werden. Das ist in den meisten deutschen Großstädten schon jetzt der Fall. In München wird das diese Woche erreicht, Düsseldorf ist kurz davor. In Berlin hat es die ersten Klagen von besorgten Bürgern gegeben, die sagen, wir wollen ohne Feinstaub leben und fordern Maßnahmen von den Städten. In anderen Städten wird das wohl auch so sein. Folkert Kiepe ist beim Deutschen Städtetag Dezernent für Städtebau und Verkehr. Welches Szenario droht denn diesen Sommer in den Innenstädten?

    Kiepe: Wir sind in der Situationsbeschreibung uns einig. Wir sind uns auch in dem Ziel einig, dass die Bürgerinnen und Bürger in den Städten von dieser Belastung möglichst befreit werden müssen. Wir sind uns aber über den Weg offensichtlich nicht einig. Wir hätten uns gewünscht, wenn die Umweltverbände die aktuelle Debatte genutzt hätten oder nutzen würden - das kann ja noch geschehen -, mit uns gemeinsam endlich das Zwischenziel zu erreichen, was wir zur Reduzierung dieser Schadstoffbelastung in den Städten dringend brauchen, nämlich Maßnahmen an der Quelle. Das ist leider unterblieben. Wir haben schon seit Jahren, seit wir diesen Prozess kennen, darauf hingewiesen und gefordert, dass LKWs, Dieselmotoren, aber auch PKWs - Sie wissen, dass die Zulassungszahlen bei den Diesel-PKWs in den letzten Jahren enorm gestiegen sind -, dass hier zwingend neue Techniken, die vorhanden sind, auch vorgeschrieben werden, nämlich Filter. Wir haben gerade in den vorigen Monaten die Bundesregierung nochmals aufgefordert, den Umstellungsprozess auch steuerlich zu begünstigen, wie wir das damals bei den Katalysator mit Erfolg gemacht haben.

    Thoma: : Also Vorwürfe an die Bundesregierung und an die Unternehmen, die das ganz verschlafen haben. Aber selbst wenn das so ist, wir haben jetzt trotzdem die höheren Grenzwerte, und wir müssen jetzt mit der Situation klarkommen, dass die Grenzwerte überschritten wurden. Was sind also die Maßnahmen, die jetzt getroffen werden müssen?

    Kiepe: Also wir haben überhaupt nicht geschlafen, sondern wir haben eine Arbeitshilfe vorbereitet für unsere Mitgliedstädte, die wir denen an die Hand geben. Eine der Maßnahmen, die wir jetzt als erste ergreifen werden, besteht darin, dass wir in den am schärfsten belasteten Hauptverkehrsstraßen - und das sind nicht einzelne Straßenpunkte, sondern ein Netz vor Straßensystemen, gerade in den Ballungsräumen - die LKW-Routen festlegen, um Wohngebiete zu umfahren, zu schonen, und dass wir im Übrigen für bestimmte Straßenwege die Straßenverkehrsordnung nutzen, um LKW-Fahrverbote für solche stark belastenden emissionsbelastenden Fahrzeuge vorzuschreiben. Wir wünschen uns, dass die Aufsichtsbehörden - das sind in diesem Falle die Länder, die Regierungspräsidenten - dem zustimmen. Wir wissen, dass die Stadt München bereits ein solches Programm bei ihrer Aufsichtsbehörde vorgelegt hat und sie das bisher nicht genehmigt hat. Überall wird stattdessen die so genannte generelle City-Maut diskutiert. Die halten wir für absolut kontraproduktiv. Das zielt ja gar nicht auf die fünf bis zehn Prozent der schadstoffbelastenden Fahrzeuge, sondern trifft alle und damit nicht nur alle Fahrzeuge, sondern das Stadtleben, den Wirtschaftsverkehr, die Einkaufssituation. Also wir können so einen schwerwiegenden Eingriff wie eine City-Maut nicht befürworten, die übrigens noch nicht mal dazu führt, dass der Verkehr unterbleibt, sondern dass derjenige, der diese Gebühr zahlt, reinfahren kann, und nur diejenigen, die das nicht zahlen können oder wollen, aus der Stadt rausbleiben. Also zielorientiert ist diese Maßnahme obendrein nicht. Wir lehnen dies strikt ab. Wir werden uns ganz gezielt auf die Schwerpunkte konzentrieren und hoffen, dass wir dabei die Unterstützung der Länder auch bekommen.

    Thoma: : Aber noch mal konkret: Im Moment gibt es bei Überschreitung dieser Grenzwerte für Feinstaub noch kein Maßnahmenkatalog, den die Städte dann machen müssen, Fahrverbote für Fahrzeuge ohne Rußpartikelfilter oder ähnliches?

    Kiepe: Doch. Wir haben in Nordrhein-Westfalen zwei Modellprojekte mit dem Land durchgespielt, Düsseldorf und Hagen. Da haben wir sozusagen geübt, was wir denn machen können. In Hagen ist ein Maßnahmenkonzept entwickelt worden, das sich zusammensetzt aus einem solchen LKW-Routensystem zur Umfahrung von besonders belasteten Gebieten, aus einem Umrüstungsprogramm für den städtischen Fahrzeugpark und weiteren Maßnahmen zur Stärkung des ÖPNV. Das ist ein Beispiel, und das ist quantifiziert worden mit den Reduzierungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben. Das sind über 30 Prozent, die ein solches Maßnahmenbündel bringt, und das soll sozusagen ein Beispiel für andere Städte sein. Wir werden das mit der Arbeitshilfe, die wir erarbeitet haben, an die Städte herantragen.

    Thoma: : Aber eigentlich wäre da der Gesetzgeber gefordert, dass man sagt, bei bestimmten Überschreiten müssen diese Maßnahmen einfach ergriffen werden, oder geht das nicht?

    Kiepe: Nein, es ist ja immer örtlich ganz verschieden. So eine Situation ist in Wuppertal topografisch eine ganz andere als in einem Gebiet, wo frischer Wind von allen Seiten weht. In Frankfurt ist es wieder eine ganz andere Situation, wo die Belastung mit Stadtautobahnen so groß ist, dass es überhaupt keinen Sinn machen würde, die Innenstadt zu sperren, da die Feinstaube von den Ringstraßen und außerhalb des Innenstadtgebietes kommen - da müssten Sie die ganze Rhein-Main-Region stilllegen. Undenkbar. Wir müssen uns konzentrieren auf diese fünf bis zehn Prozent der Fahrzeuge. Unser Wunsch, wie gesagt, wäre es gewesen, diese generell zu verbieten. Wenn das durch den Bundesgesetzgeber bisher nicht möglich gewesen ist, dann müssen wir jetzt versuchen, die Schwerpunkte zu erwischen, und wir können nur so vorgehen, dass wir diese Fahrzeuge dieser Größenordnung und dieser Belastungswirkung aus dem Straßenverkehr verbannen.

    Thoma: : Haben Sie Angst vor den Klagen, oder sagen Sie wie die Berliner, ach, wir sind eigentlich ganz froh, dass sie kommen, damit wir endlich Rechtssicherheit kriegen?

    Kiepe: Die Klagen werden ja leider nicht das bringen, sondern das sind Untätigkeitsklagen, die darauf nur hinwirken können, dass wir tätig werden. Wir sind aber tätig. Wir haben Luftreinhaltepläne vorbereitet, und den zweiten Schritt, daraus abzuleitende Aktionspläne, die mit ganz konkreten Maßnahmen dann operieren werden. Das machen wir ja gemeinsam in Abstimmung mit den Landesregierungspräsidenten in den einzelnen Ländern. Wir hoffen, dass wir da im Konsens und nicht im Streit agieren. Wir haben ganz konkret den Schutz der Anwohner vor, die besonders belasteten Gebiete durch straßenverkehrsbehördliche Anordnungen von diesen emittierenden Dieselfahrzeugen zu befreien. Ich kann nur hoffen, dass die Regierungspräsidenten da mitmachen. In München haben wir leider gehört, dass das eben bisher nicht der Fall ist. In Düsseldorf droht auch ein Streit mit dem Regierungspräsidenten, der eine Straße stilllegen will. Das bringt überhaupt nichts. Wenn Sie einen Straßenzug sperren, dann haben Sie einen Verdrängungseffekt in andere Straßenzüge, in andere Wohngebiete. Das heißt, wir können nur auf Basis eines Konzepts, was diese Verdrängungsprozesse selber schon berücksichtigt, tätig werden, und nicht durch Anordnung in einer Art, die sicher Aufmerksamkeit erregt - Corneliusstr in Düsseldorf ist jetzt gesperrt, und dafür haben wir nun die Belastung in anderen Wohngebieten. Das kann nicht sinnvolle Stadtpolitik sein. Wir müssen hier alle Stadtviertel, alle Stadtquartiere mit berücksichtigen.

    Thoma: : Vielen Dank für das Gespräch.