Christian Schütte: 530.755, so viele Mitglieder zählt die CDU zum Monatsende. Damit liegt sie erstmals vor der SPD. Die hat derzeit etwa 800 Mitglieder weniger. Diese Zahlen hat CDU-Generalsekretär Roland Pofalla nicht ohne Stolz verkündet. Doch er hat auch einräumen müssen, es gibt nicht nur Grund zur Freude, denn man kann diese Entwicklung auch ganz anders interpretieren. Beide großen Parteien leiden unter Mitgliederschwund, nur verliert die CDU eben ein bisschen weniger als die SPD. Beide Parteien plagen außerdem Nachwuchssorgen. Wie ist diese Tendenz der vergangenen Jahre zu erklären und was bedeutet dies für die Zukunft der Volksparteien? Darüber spreche ich mit dem früheren Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten, Hans-Jochen Vogel. Guten Morgen, Herr Vogel.
Hans-Jochen Vogel: Guten Morgen, Herr Schütte.
Schütte: Eine Erkenntnis aus den Mitgliederzahlen lautet, die meisten jungen Menschen interessieren sich nicht mehr für die Volksparteien, wie zum Beispiel die SPD. Liegt das nun an der Partei und ihren Politikern oder liegt das an der Jugend von heute?
Vogel: Also, Herr Schütte, ich bedaure diese Entwicklung, gerade was es meine eigene Partei angeht und ich habe Zeit meines Lebens mich immer sehr für Mitgliederwerbung engagiert. Aber der Hinweis ist schon am Platze, dass dies eine Entwicklung ist, die sich nicht auf die politischen Parteien oder gar auf die SPD beschränkt, sondern andere große Institutionen und Organisationen ja auch beunruhigt. Also die Gewerkschaften beispielsweise, oder, das kann man in dem Zusammenhang auch anführen, die Kirchen, die ja auch gerade über den Rückgang an Mitgliedern ihre Sorge äußern in jüngeren Jahren. Ein Aspekt, den ich sehe, ist die zunehmende Individualisierung, wissen Sie? Früher gab es Parteimitgliedschaft auch einfach aus dem Milieu heraus, nicht. Wenn man im Ruhrgebiet in einem großbetrieblichen Milieu zu Hause war, dann war der Weg zur Sozialdemokratie nicht mehr mit dem Stimmverhalten, sondern auch mit der Mitgliedschaft ja etwas mehr oder weniger doch Zwangsläufiges. Und wenn Sie in Bayern in einem katholisch-ländlichen Gebiet gelebt haben, dann galt dasselbe für die Union. Das gilt so nicht mehr und das kann ich nicht nur schlecht finden, sondern es bedeutet schon etwas, wenn eine solche Entscheidung individuell in eigener Verantwortung überwiegend getroffen wird. Trotzdem, die Demokratie kann es sich nicht leisten, dass dieser Prozess jetzt immer weiter andauert.
Schütte: Um es einmal neudeutsch zu formulieren, viele junge Leute sagen, "Politik ist uncool, was soll ich in der alten SPD?". Muss die Partei nicht reagieren und da vielleicht mehr auf den Spaßfaktor setzen?
Vogel: Also, das geschieht ja in einer Art und Weise, über die ich manchmal schmunzle, wenn ich also denke an die Zeit, in der ich Sozialdemokrat wurde, vor 58 Jahren, und wenn ich sehe, wie heute geworben wird um junge Menschen. Wissen Sie, wir müssen auch ein bisschen stärker an das Verantwortungsgefühl junger Menschen appellieren. Ich zum Beispiel finde immer gewisse Aufmerksamkeit, wenn ich sage "Passt mal auf, was die Politik falsch oder richtig macht, das ist für euer Leben noch 60 oder 65 Jahre lang von Bedeutung", für uns Alte vielleicht sieben oder bestenfalls zehn Jahre und dann kann ich ja auch Beispiele dafür anführen, dass eben das Engagement gerade auch der jüngeren Jahrgänge in der Geschichte der Bundesrepublik nach 1945 eine erhebliche und, ich darf sagen, auch eine positive Rolle gespielt hat.
Schütte: In den USA schafft es ein Barack Obama als designierter Präsidentschaftskandidat der Demokraten, die Jugend zu begeistern. Was die Jugend am ihm fasziniert, ist nicht unbedingt das Parteiprogramm, sondern sie ist seinem Auftreten, seiner Ausstrahlung erlegen. Ist das schlimm, dass junge Menschen auf diese Weise Interesse für die Politik bekommen?
Vogel: Nein, das ist dann nicht schlimm, wenn es nicht nur eine Augenblicksaufwallung ist, sondern wenn daraus auch eine gewisse Nachdenklichkeit oder eine Bereitschaft entsteht, sich zu engagieren. Im Übrigen haben wir da ja eine vergleichbare Erscheinung in der Person des gegenwärtigen Papstes oder seines Vorgängers, nicht. Da ging auch bei solchen öffentlichen Veranstaltungen eine große Wirkung aus. Aber in der Politik, wissen Sie, sind solche Erscheinungen nicht beliebig produzierbar und die Umstände auch nicht. Willy Brandt war so jemand, ja. Das hat sich damals auch in der Mitgliedschaft niedergeschlagen. Aber wollen Sie es den Heutigen vorwerfen, dass sie nicht ein Leben schon zu bestehen hatten mit Prüfungen wie Willy Brandt, bis er dann nach Deutschland zurückkehrte und Bundeskanzler wurde.
Schütte: Warum fehlen denn der SPD solche charismatischen Gestalten, wie sie beispielsweise die US-Demokraten mit Obama haben?
Vogel: Ja, also erstens könnte man die Frage auf die anderen ausdehnen, aber ich glaube, bei Obama kommt halt hinzu, es ist etwas ganz Besonderes, dass jetzt erstmals ein Farbiger Aussicht hat, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, nicht. Das gibt der Sache noch einen ganz besonderen Reiz oder auch Charme, ja.
Schütte: Sie haben gesagt, dass sich schon einiges innerhalb der SPD und der Strategie, die jungen Leute anzusprechen, getan habe. Das scheint aber offensichtlich nicht genug zu sein.
Vogel: Nein, das sollte man auch verstärken. Also es gibt beispielsweise die Schnuppermitgliedschaft, eine Mitwirkungsmöglichkeit ohne förmlichen Beitritt bis hin, dass man Reden und Anträge stellen kann. Außerdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich gerade jüngere Menschen durchaus für ganz konkrete Projekte engagieren, nicht. Dritte-Welt-Projekte, oder auch soziale Projekte in der Umgebung.
Schütte: Das heißt doch aber auch, Herr Vogel, dass die Partei, die SPD beispielsweise, den jungen Leuten nicht klarmacht, dass es auch in der Politik um konkrete Projekte gehen kann.
Vogel: Also wieder würde ich diese Frage eigentlich an alle Parteien richten. Sie ist berechtigt die Frage und diese Zahlen werden uns sicher Anlass geben, nachzudenken und auch Aktivitäten zu verstärken. Im Übrigen, eine fast etwas besserwisserische Frage: Muss denn nicht eigentlich im Vergleich auch noch die CSU dazugezählt werden, oder ist das ein Entgegenkommen der Medien gegenüber der SPD? Denn in der SPD-Zahl sind ja die bayrischen Sozialdemokraten auch enthalten. Aber entschuldigen Sie, Sie wissen, ich gelte als Oberlehrer. Das heißt nämlich, dass das, was jetzt Aufsehen erregt, eigentlich schon einige Zeit zurückliegt. Oder sind bei der CDU-Zahl die CSU-Zahlen mit einbezogen? Kann ich mir nicht denken, dass Herr Profalla die CSU-Zahlen mit einbeziehen darf.
Schütte: Bei der aktuellen Vorstellung der Zahlen war die CSU tatsächlich nicht drin.
Vogel: Aha, aha.
Schütte: Aber, Herr Vogel, ein anderes Problem lautet ja auch, warum die SPD ihre Mitglieder nicht halten kann. Und da ist der Aderlass auf Seiten der SPD ja größer, als bei der CDU, und das hat verstärkt eingesetzt mit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder und der Agenda 2010. Tragen die Mitglieder das der Partei immer noch nach?
Vogel: Das spielt wohl immer noch eine Rolle, wobei ich sagen muss, es ist der Partei andererseits durchaus anzurechnen, dass sie in der Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und dem, was ihr als Partei jetzt im Augenblick nützt oder schadet, sich für das Gemeinwohl, nämlich die im Kern durchaus notwendige und richtige Agenda 2010 entschieden hat, nicht. Das ist etwas, was ich meiner Partei eher anrechne. Und ich werfe ihr nicht vor, sie hätte das Notwendige unterlassen sollen, weil es auch zu Mitgliederverlusten geführt hat. Ein Fragezeichen ist nach wie vor zu setzen hinter die Frage, wie die Agenda bei uns kommuniziert worden ist, nicht, ob wir wirklich alle möglichen Kräfte eingesetzt haben, um den Menschen die Gründe darzulegen, aus denen diese Agenda in ihrem Kern notwendig war. Im Übrigen, heute berufen sich ja so und so viele darauf, wenn von der erfreulich sinkenden Zahl von Arbeitslosen die Rede ist.
Schütte: Die einzige Partei, die im Moment größeren Zulauf hat, ist "Die Linke". Was können Sie sich da abschauen?
Vogel: Also, erstens Mal, wenn jemand bei Null beginnt in den alten Bundesländern, nicht, dann ist es ja nicht so überraschend, dass er nicht Verluste hat an Mitgliedern, sondern dass er zunächst mal Mitglieder erwirbt. Ja, was sollen wir uns abschauen? Jedenfalls nicht diese populistisch-demagogische Organisation, die lauter gut klingende Forderungen aufstellt, aber in keiner Weise dartut, wie sie realisiert werden können, nicht, zum Teil auch selber sich dessen bewusst ist, dass sie irreal sind. Aber auf die Weise kann man natürlich Proteststimmen gewinnen und auch Mitglieder gewinnen. Ich glaube, wir müssen uns, was wir ja auch schon tun, aber vielleicht noch verstärkt, mit der Realitätsferne dieser Forderungen und dieser Parolen auseinandersetzen bis hin, dass wir aus der NATO austreten, dass wir die EU verlassen, also diese Realitätsferne, die gilt es, noch stärker hervorzuheben.
Schütte: Der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Jochen Vogel. Ich danke Ihnen für das Gespräch.
Hans-Jochen Vogel: Guten Morgen, Herr Schütte.
Schütte: Eine Erkenntnis aus den Mitgliederzahlen lautet, die meisten jungen Menschen interessieren sich nicht mehr für die Volksparteien, wie zum Beispiel die SPD. Liegt das nun an der Partei und ihren Politikern oder liegt das an der Jugend von heute?
Vogel: Also, Herr Schütte, ich bedaure diese Entwicklung, gerade was es meine eigene Partei angeht und ich habe Zeit meines Lebens mich immer sehr für Mitgliederwerbung engagiert. Aber der Hinweis ist schon am Platze, dass dies eine Entwicklung ist, die sich nicht auf die politischen Parteien oder gar auf die SPD beschränkt, sondern andere große Institutionen und Organisationen ja auch beunruhigt. Also die Gewerkschaften beispielsweise, oder, das kann man in dem Zusammenhang auch anführen, die Kirchen, die ja auch gerade über den Rückgang an Mitgliedern ihre Sorge äußern in jüngeren Jahren. Ein Aspekt, den ich sehe, ist die zunehmende Individualisierung, wissen Sie? Früher gab es Parteimitgliedschaft auch einfach aus dem Milieu heraus, nicht. Wenn man im Ruhrgebiet in einem großbetrieblichen Milieu zu Hause war, dann war der Weg zur Sozialdemokratie nicht mehr mit dem Stimmverhalten, sondern auch mit der Mitgliedschaft ja etwas mehr oder weniger doch Zwangsläufiges. Und wenn Sie in Bayern in einem katholisch-ländlichen Gebiet gelebt haben, dann galt dasselbe für die Union. Das gilt so nicht mehr und das kann ich nicht nur schlecht finden, sondern es bedeutet schon etwas, wenn eine solche Entscheidung individuell in eigener Verantwortung überwiegend getroffen wird. Trotzdem, die Demokratie kann es sich nicht leisten, dass dieser Prozess jetzt immer weiter andauert.
Schütte: Um es einmal neudeutsch zu formulieren, viele junge Leute sagen, "Politik ist uncool, was soll ich in der alten SPD?". Muss die Partei nicht reagieren und da vielleicht mehr auf den Spaßfaktor setzen?
Vogel: Also, das geschieht ja in einer Art und Weise, über die ich manchmal schmunzle, wenn ich also denke an die Zeit, in der ich Sozialdemokrat wurde, vor 58 Jahren, und wenn ich sehe, wie heute geworben wird um junge Menschen. Wissen Sie, wir müssen auch ein bisschen stärker an das Verantwortungsgefühl junger Menschen appellieren. Ich zum Beispiel finde immer gewisse Aufmerksamkeit, wenn ich sage "Passt mal auf, was die Politik falsch oder richtig macht, das ist für euer Leben noch 60 oder 65 Jahre lang von Bedeutung", für uns Alte vielleicht sieben oder bestenfalls zehn Jahre und dann kann ich ja auch Beispiele dafür anführen, dass eben das Engagement gerade auch der jüngeren Jahrgänge in der Geschichte der Bundesrepublik nach 1945 eine erhebliche und, ich darf sagen, auch eine positive Rolle gespielt hat.
Schütte: In den USA schafft es ein Barack Obama als designierter Präsidentschaftskandidat der Demokraten, die Jugend zu begeistern. Was die Jugend am ihm fasziniert, ist nicht unbedingt das Parteiprogramm, sondern sie ist seinem Auftreten, seiner Ausstrahlung erlegen. Ist das schlimm, dass junge Menschen auf diese Weise Interesse für die Politik bekommen?
Vogel: Nein, das ist dann nicht schlimm, wenn es nicht nur eine Augenblicksaufwallung ist, sondern wenn daraus auch eine gewisse Nachdenklichkeit oder eine Bereitschaft entsteht, sich zu engagieren. Im Übrigen haben wir da ja eine vergleichbare Erscheinung in der Person des gegenwärtigen Papstes oder seines Vorgängers, nicht. Da ging auch bei solchen öffentlichen Veranstaltungen eine große Wirkung aus. Aber in der Politik, wissen Sie, sind solche Erscheinungen nicht beliebig produzierbar und die Umstände auch nicht. Willy Brandt war so jemand, ja. Das hat sich damals auch in der Mitgliedschaft niedergeschlagen. Aber wollen Sie es den Heutigen vorwerfen, dass sie nicht ein Leben schon zu bestehen hatten mit Prüfungen wie Willy Brandt, bis er dann nach Deutschland zurückkehrte und Bundeskanzler wurde.
Schütte: Warum fehlen denn der SPD solche charismatischen Gestalten, wie sie beispielsweise die US-Demokraten mit Obama haben?
Vogel: Ja, also erstens könnte man die Frage auf die anderen ausdehnen, aber ich glaube, bei Obama kommt halt hinzu, es ist etwas ganz Besonderes, dass jetzt erstmals ein Farbiger Aussicht hat, Präsident der Vereinigten Staaten zu werden, nicht. Das gibt der Sache noch einen ganz besonderen Reiz oder auch Charme, ja.
Schütte: Sie haben gesagt, dass sich schon einiges innerhalb der SPD und der Strategie, die jungen Leute anzusprechen, getan habe. Das scheint aber offensichtlich nicht genug zu sein.
Vogel: Nein, das sollte man auch verstärken. Also es gibt beispielsweise die Schnuppermitgliedschaft, eine Mitwirkungsmöglichkeit ohne förmlichen Beitritt bis hin, dass man Reden und Anträge stellen kann. Außerdem müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass sich gerade jüngere Menschen durchaus für ganz konkrete Projekte engagieren, nicht. Dritte-Welt-Projekte, oder auch soziale Projekte in der Umgebung.
Schütte: Das heißt doch aber auch, Herr Vogel, dass die Partei, die SPD beispielsweise, den jungen Leuten nicht klarmacht, dass es auch in der Politik um konkrete Projekte gehen kann.
Vogel: Also wieder würde ich diese Frage eigentlich an alle Parteien richten. Sie ist berechtigt die Frage und diese Zahlen werden uns sicher Anlass geben, nachzudenken und auch Aktivitäten zu verstärken. Im Übrigen, eine fast etwas besserwisserische Frage: Muss denn nicht eigentlich im Vergleich auch noch die CSU dazugezählt werden, oder ist das ein Entgegenkommen der Medien gegenüber der SPD? Denn in der SPD-Zahl sind ja die bayrischen Sozialdemokraten auch enthalten. Aber entschuldigen Sie, Sie wissen, ich gelte als Oberlehrer. Das heißt nämlich, dass das, was jetzt Aufsehen erregt, eigentlich schon einige Zeit zurückliegt. Oder sind bei der CDU-Zahl die CSU-Zahlen mit einbezogen? Kann ich mir nicht denken, dass Herr Profalla die CSU-Zahlen mit einbeziehen darf.
Schütte: Bei der aktuellen Vorstellung der Zahlen war die CSU tatsächlich nicht drin.
Vogel: Aha, aha.
Schütte: Aber, Herr Vogel, ein anderes Problem lautet ja auch, warum die SPD ihre Mitglieder nicht halten kann. Und da ist der Aderlass auf Seiten der SPD ja größer, als bei der CDU, und das hat verstärkt eingesetzt mit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder und der Agenda 2010. Tragen die Mitglieder das der Partei immer noch nach?
Vogel: Das spielt wohl immer noch eine Rolle, wobei ich sagen muss, es ist der Partei andererseits durchaus anzurechnen, dass sie in der Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und dem, was ihr als Partei jetzt im Augenblick nützt oder schadet, sich für das Gemeinwohl, nämlich die im Kern durchaus notwendige und richtige Agenda 2010 entschieden hat, nicht. Das ist etwas, was ich meiner Partei eher anrechne. Und ich werfe ihr nicht vor, sie hätte das Notwendige unterlassen sollen, weil es auch zu Mitgliederverlusten geführt hat. Ein Fragezeichen ist nach wie vor zu setzen hinter die Frage, wie die Agenda bei uns kommuniziert worden ist, nicht, ob wir wirklich alle möglichen Kräfte eingesetzt haben, um den Menschen die Gründe darzulegen, aus denen diese Agenda in ihrem Kern notwendig war. Im Übrigen, heute berufen sich ja so und so viele darauf, wenn von der erfreulich sinkenden Zahl von Arbeitslosen die Rede ist.
Schütte: Die einzige Partei, die im Moment größeren Zulauf hat, ist "Die Linke". Was können Sie sich da abschauen?
Vogel: Also, erstens Mal, wenn jemand bei Null beginnt in den alten Bundesländern, nicht, dann ist es ja nicht so überraschend, dass er nicht Verluste hat an Mitgliedern, sondern dass er zunächst mal Mitglieder erwirbt. Ja, was sollen wir uns abschauen? Jedenfalls nicht diese populistisch-demagogische Organisation, die lauter gut klingende Forderungen aufstellt, aber in keiner Weise dartut, wie sie realisiert werden können, nicht, zum Teil auch selber sich dessen bewusst ist, dass sie irreal sind. Aber auf die Weise kann man natürlich Proteststimmen gewinnen und auch Mitglieder gewinnen. Ich glaube, wir müssen uns, was wir ja auch schon tun, aber vielleicht noch verstärkt, mit der Realitätsferne dieser Forderungen und dieser Parolen auseinandersetzen bis hin, dass wir aus der NATO austreten, dass wir die EU verlassen, also diese Realitätsferne, die gilt es, noch stärker hervorzuheben.
Schütte: Der frühere Partei- und Fraktionsvorsitzende der SPD, Hans-Jochen Vogel. Ich danke Ihnen für das Gespräch.