Kapern: Heute Mittag beginnt die Sitzung des Bundestages, in der entschieden wird, ob der Import embryonaler Stammzellen gestattet ist. Die Debatte darum hat lange angehalten. Sie beschäftigte große Teile der Gesellschaft. Heute wird also abgestimmt. Drei Anträge liegen vor. Einer untersagt den Import, ein zweiter gestattet ihn, soweit es sich um existierende Stammzelllinien handelt, ein dritter fasst die Importgenehmigung noch weiter und schließt die Gewinnung eigener Stammzelllinien in Deutschland nicht aus. Bei uns am Telefon ist die Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn. Frau Bulmahn, welcher der drei Anträge wird am Ende eine Mehrheit erhalten?
Bulmahn: Ich hoffe, und ich schätze es auch so ein, dass der zweite Antrag eine gute Chance hat, am Ende eine Mehrheit zu erhalten. Aber ganz sicher kann das zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch niemand sagen.
Kapern: Warum ausgerechnet dieser?
Bulmahn: Weil dieser Antrag den Import unter ganz klaren, strengen Regeln zulässt, weil er eine klare Priorität für die Forschung mit Erwachsenenstammzellen festschreibt, also Stammzellen, die in jedem Körper zu verantworten sind, und weil er die Forschung mit embryonalen Stammzellen ausdrücklich nur für diejenigen Forschungsziele zulässt, für die es keinen alternativen Weg gibt.
Kapern: Aber ist das nicht eine Form besonderer Doppelmoral, wenn man sagt, die Benutzung importierter Stammzellen ist in Ordnung, aber eigene Stammzelllinien in Deutschland wollen wir dann doch nicht gewinnen?
Bulmahn: Nein, das sagt der Antrag so nicht. Der Antrag sagt, dass man auf vorhandene Stammzelllinien zurückgreift, auf Stammzellen, die bereits produziert, die bereits vorhanden sind. Ich halte es eher für eine Doppelmoral, wenn ich mich für ein striktes Importverbot ausspreche. Wenn sich die Hoffnungen erfüllen, dass man über diesen Forschungsweg die Kenntnis erhält, warum z.B. aus der einen Stammzelle eine Leberzelle wird, aus der anderen Stammzelle eine Herzmuskelzelle, was ja die Voraussetzung dafür ist, dass man dieses auch tatsächlich zum Nutzen von Menschen einsetzen kann, dann müsste man sich auch fragen, warum diese Forschung nicht in Deutschland zugelassen worden ist, wenn wir hier auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen. Das halte ich eher für nicht vertretbar. Deshalb bin ich der Auffassung, dass man den Import unter ganz klaren, strengen Voraussetzungen zulassen darf, wo auch klar geregelt ist, dass z.B. eben diese Priorität für andere Forschungswege gegeben ist. Das halte ich für sinnvoll und für einen guten, verantwortbaren Kompromiss.
Kapern: Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle, der mit seinem Antrag bei der Deutschen Forschungsgesellschaft ja die Diskussion losgetreten hat, hat gesagt, dass eigene Stammzelllinien in Deutschland produziert werden müssen, weil sonst deutsche Forscher vollständig abhängig von internationalen Unternehmen bleiben, die über solche Stammzellen verfügen.
Bulmahn: Nun, das halte ich für keine zutreffende Einschätzung. Wir haben weltweit eine ganze Reihe von Stammzelllinien zur Verfügung, nicht nur in den USA, in Australien, in Singapur, in Israel. Für die Forschung ist das sicherlich ausreichend. Wir entscheiden ja heute darüber, ob mit diesen Stammzellen praktisch hier geforscht wird, ob diese Stammzellen zu Forschungszwecken dann eingeführt werden dürfen. Wir haben in Deutschland einen ganz breiten Konsens, dass Embryonen zu Forschungszwecken nicht hergestellt werden dürfen, und wir haben in dem Antrag festgelegt, dass die Stammzellen, die eingeführt worden sind, aus sogenannten überzähligen Eizellen stammen müssen, die sonst vernichtet werden würden. Deshalb glaube ich, dass hier wirklich eine verantwortbare ethische Abwägung zwischen den unterschiedlichen Gesichtspunkten stattgefunden hat, und das ist Aufgabe des Parlamentes.
Kapern: Als Problem bei der Forschung mit importierten Stammzelllinien bezeichnet es der schon zitierte Bonner Forscher, Brüstle, dass die Forschungsergebnisse nicht den hiesigen Forschern gehören würden, sondern den Firmen, von denen die Stammzelllinien stammen.
Bulmahn: Die Institute haben unterschiedliche Regelungen. Von daher trifft das für einige Institute zu, für andere Institute nicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben aber die Möglichkeit, praktisch mit dem Institut die Verhandlungen zu führen, das genau solche Voraussetzungen nicht verlangt. Im Übrigen ist es ja keine deutsche Sondersituation, sondern wir haben weltweit Forschergruppen, die hier forschen, sowohl mit adulten Stammzellen, als auch mit embryonalen Stammzellen. Das Wissen in der Forschung ist sowieso international. Es wird auch international zugänglich sein. Deshalb halte ich die Bedenken für nicht so schwerwiegend.
Kapern: Was bedeutete ein absolutes Nein zum Stammzellenimport für die deutsche Forschungslandschaft?
Bulmahn: Ein absolutes Nein würde für die deutsche Forschungslandschaft bedeuten, dass die Forschung dann hier in Deutschland nicht stattfindet, dass sich natürlich deutsche Wissenschaftler in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern auch daran beteiligen werden, dass wir sicherlich auch das Wissen erhalten würden. Deshalb teile ich die Auffassung, vor allen Dingen unter Gesichtspunkten, wie wir eigentlich unsere Grundwerte auch in Zukunft gestalten, dass es falsch ist, wenn ich auf der einen Seite bereit bin und sage, ich will mögliche Therapien nutzen, die sich daraus entwickeln, aber auf der anderen Seite darf die Forschung in Deutschland nicht stattfinden. Das ist ein Widerspruch, der meines Erachtens nicht erträglich ist, und deshalb bin ich dafür, dass wir diesen Widerspruch ganz klar auflösen und sagen: Der Import ist zulässig, und damit ist auch die Forschung zulässig.
Kapern: Gibt es bei einem Importverbot einen Exodus hiesiger Stammzellenforscher?
Bulmahn: Das kann sein, das kann aber auch nicht sein, weil die Stammzellenforscher mir in den Gesprächen auch klar gesagt haben, dass sie sich natürlich auch auf unterschiedliche Alternativen einstellen, aber in der Forschung haben Sie nie die Gewissheit. Es gibt gerade im Stadium der Grundlagenforschung keine Gewissheiten - das trifft im Übrigen auch für Ihre Fragen zu -. Einige werden und würden unser Land verlassen, andere nicht. Ich bin aber davon überzeugt, dass es falsch wäre, den Weg zu diesem Zeitpunkt zu verschließen, weil wir in der Forschung nie zu einem Zeitpunkt der Grundlagenforschung Gewissheit haben, weil sie uns ja nur Optionen eröffnet, weil wir noch nicht wissen, über welchen Weg, nämlich die Forschung mit adulten Stammzellen, die man bei erwachsenen Menschen findet, oder mit embryonalen Stammzellen, wir die Kenntnis erhalten, warum sich - wie gesagt - Stammzellen in unterschiedliche Gewebezellen verändern. Es geht also zur Zeit um die Forschungsfrage, dass wir die Kenntnis erhalten, die wir brauchen, um dann den Schritt in die Therapie zu machen.
Kapern: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio
Bulmahn: Ich hoffe, und ich schätze es auch so ein, dass der zweite Antrag eine gute Chance hat, am Ende eine Mehrheit zu erhalten. Aber ganz sicher kann das zu diesem Zeitpunkt sicherlich noch niemand sagen.
Kapern: Warum ausgerechnet dieser?
Bulmahn: Weil dieser Antrag den Import unter ganz klaren, strengen Regeln zulässt, weil er eine klare Priorität für die Forschung mit Erwachsenenstammzellen festschreibt, also Stammzellen, die in jedem Körper zu verantworten sind, und weil er die Forschung mit embryonalen Stammzellen ausdrücklich nur für diejenigen Forschungsziele zulässt, für die es keinen alternativen Weg gibt.
Kapern: Aber ist das nicht eine Form besonderer Doppelmoral, wenn man sagt, die Benutzung importierter Stammzellen ist in Ordnung, aber eigene Stammzelllinien in Deutschland wollen wir dann doch nicht gewinnen?
Bulmahn: Nein, das sagt der Antrag so nicht. Der Antrag sagt, dass man auf vorhandene Stammzelllinien zurückgreift, auf Stammzellen, die bereits produziert, die bereits vorhanden sind. Ich halte es eher für eine Doppelmoral, wenn ich mich für ein striktes Importverbot ausspreche. Wenn sich die Hoffnungen erfüllen, dass man über diesen Forschungsweg die Kenntnis erhält, warum z.B. aus der einen Stammzelle eine Leberzelle wird, aus der anderen Stammzelle eine Herzmuskelzelle, was ja die Voraussetzung dafür ist, dass man dieses auch tatsächlich zum Nutzen von Menschen einsetzen kann, dann müsste man sich auch fragen, warum diese Forschung nicht in Deutschland zugelassen worden ist, wenn wir hier auf die Ergebnisse der Forschung zurückgreifen. Das halte ich eher für nicht vertretbar. Deshalb bin ich der Auffassung, dass man den Import unter ganz klaren, strengen Voraussetzungen zulassen darf, wo auch klar geregelt ist, dass z.B. eben diese Priorität für andere Forschungswege gegeben ist. Das halte ich für sinnvoll und für einen guten, verantwortbaren Kompromiss.
Kapern: Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle, der mit seinem Antrag bei der Deutschen Forschungsgesellschaft ja die Diskussion losgetreten hat, hat gesagt, dass eigene Stammzelllinien in Deutschland produziert werden müssen, weil sonst deutsche Forscher vollständig abhängig von internationalen Unternehmen bleiben, die über solche Stammzellen verfügen.
Bulmahn: Nun, das halte ich für keine zutreffende Einschätzung. Wir haben weltweit eine ganze Reihe von Stammzelllinien zur Verfügung, nicht nur in den USA, in Australien, in Singapur, in Israel. Für die Forschung ist das sicherlich ausreichend. Wir entscheiden ja heute darüber, ob mit diesen Stammzellen praktisch hier geforscht wird, ob diese Stammzellen zu Forschungszwecken dann eingeführt werden dürfen. Wir haben in Deutschland einen ganz breiten Konsens, dass Embryonen zu Forschungszwecken nicht hergestellt werden dürfen, und wir haben in dem Antrag festgelegt, dass die Stammzellen, die eingeführt worden sind, aus sogenannten überzähligen Eizellen stammen müssen, die sonst vernichtet werden würden. Deshalb glaube ich, dass hier wirklich eine verantwortbare ethische Abwägung zwischen den unterschiedlichen Gesichtspunkten stattgefunden hat, und das ist Aufgabe des Parlamentes.
Kapern: Als Problem bei der Forschung mit importierten Stammzelllinien bezeichnet es der schon zitierte Bonner Forscher, Brüstle, dass die Forschungsergebnisse nicht den hiesigen Forschern gehören würden, sondern den Firmen, von denen die Stammzelllinien stammen.
Bulmahn: Die Institute haben unterschiedliche Regelungen. Von daher trifft das für einige Institute zu, für andere Institute nicht. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben aber die Möglichkeit, praktisch mit dem Institut die Verhandlungen zu führen, das genau solche Voraussetzungen nicht verlangt. Im Übrigen ist es ja keine deutsche Sondersituation, sondern wir haben weltweit Forschergruppen, die hier forschen, sowohl mit adulten Stammzellen, als auch mit embryonalen Stammzellen. Das Wissen in der Forschung ist sowieso international. Es wird auch international zugänglich sein. Deshalb halte ich die Bedenken für nicht so schwerwiegend.
Kapern: Was bedeutete ein absolutes Nein zum Stammzellenimport für die deutsche Forschungslandschaft?
Bulmahn: Ein absolutes Nein würde für die deutsche Forschungslandschaft bedeuten, dass die Forschung dann hier in Deutschland nicht stattfindet, dass sich natürlich deutsche Wissenschaftler in anderen europäischen und außereuropäischen Ländern auch daran beteiligen werden, dass wir sicherlich auch das Wissen erhalten würden. Deshalb teile ich die Auffassung, vor allen Dingen unter Gesichtspunkten, wie wir eigentlich unsere Grundwerte auch in Zukunft gestalten, dass es falsch ist, wenn ich auf der einen Seite bereit bin und sage, ich will mögliche Therapien nutzen, die sich daraus entwickeln, aber auf der anderen Seite darf die Forschung in Deutschland nicht stattfinden. Das ist ein Widerspruch, der meines Erachtens nicht erträglich ist, und deshalb bin ich dafür, dass wir diesen Widerspruch ganz klar auflösen und sagen: Der Import ist zulässig, und damit ist auch die Forschung zulässig.
Kapern: Gibt es bei einem Importverbot einen Exodus hiesiger Stammzellenforscher?
Bulmahn: Das kann sein, das kann aber auch nicht sein, weil die Stammzellenforscher mir in den Gesprächen auch klar gesagt haben, dass sie sich natürlich auch auf unterschiedliche Alternativen einstellen, aber in der Forschung haben Sie nie die Gewissheit. Es gibt gerade im Stadium der Grundlagenforschung keine Gewissheiten - das trifft im Übrigen auch für Ihre Fragen zu -. Einige werden und würden unser Land verlassen, andere nicht. Ich bin aber davon überzeugt, dass es falsch wäre, den Weg zu diesem Zeitpunkt zu verschließen, weil wir in der Forschung nie zu einem Zeitpunkt der Grundlagenforschung Gewissheit haben, weil sie uns ja nur Optionen eröffnet, weil wir noch nicht wissen, über welchen Weg, nämlich die Forschung mit adulten Stammzellen, die man bei erwachsenen Menschen findet, oder mit embryonalen Stammzellen, wir die Kenntnis erhalten, warum sich - wie gesagt - Stammzellen in unterschiedliche Gewebezellen verändern. Es geht also zur Zeit um die Forschungsfrage, dass wir die Kenntnis erhalten, die wir brauchen, um dann den Schritt in die Therapie zu machen.
Kapern: Vielen Dank für das Gespräch.
Link: Interview als RealAudio