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Stanislaw Tillich bekennt sich zu Bündnis mit SPD

Jürgen Liminski: Vom deutschen Vorzeigereformer Freiherr vom Stein, der sich gerne in Sachsen aufhielt, stammt der Satz "wer Reformen durchführen will, der müsse die Köpfe austauschen". Wenn nun die Köpfe getauscht werden, führt das auch zu Reformen und zu welchen? Sind Reformen in Sachsen nötig? Gibt es unter dem neuen Ministerpräsidenten einen Neuanfang, oder bleibt es bei der Kontinuität? - Zu diesen und weiteren Fragen begrüße ich den designierten Ministerpräsidenten des Freistaats Stanislaw Tillich. Guten Morgen Herr Tillich!

Moderation: Jürgen Liminski |
    Stanislaw Tillich: Guten Morgen Herr Liminski!

    Liminski: Herr Tillich, Sie sind der designierte Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten und als Chef der Partei. Werden Sie auch ein Mandat in einem Aufsichtsrat einer Bank wahrnehmen?

    Tillich: Wenn dies das Amt des Ministerpräsidenten bedeuten würde für mich, dann ist das auch ausgeschlossen.

    Liminski: Das heißt Sie würden keinen Aufsichtsrat wahrnehmen?

    Tillich: Korrekt!

    Liminski: Im Kabinett werden jetzt mindestens zwei Stellen frei. Wird es eine Kabinettsumbildung geben oder nur eine Besetzung dieser zwei Stellen?

    Tillich: Zuerst müssen die Weichen so gestellt werden. Die Landespartei wird ja noch entscheiden über die Kandidatur. Zum zweiten wird der sächsische Landtag noch seine Entscheidung über den Ministerpräsidenten treffen und danach stellt sich die Frage.

    Liminski: Aber Sie haben dafür noch keine weiteren Pläne?

    Tillich: Ich habe sie wohl im Kopf, aber ich werde sie sowohl nicht im Deutschlandfunk wie auch in anderen Medien zum jetzigen Zeitpunkt ausbreiten.

    Liminski: Die SPD hat Zustimmung und Kooperation signalisiert. Sie werden die kleine Koalition vermutlich fortsetzen. Sind denn alle Wunden verheilt? Ist das Vertrauen in die SPD nicht doch etwas erschüttert?

    Tillich: Das Wahlergebnis vom Jahr 2004 hat ja bestimmt, dass wir nur eine Möglichkeit einer Koalition hatten. Diese Situation hat sich nicht wesentlich geändert. Das heißt wir werden mit der SPD die Koalition bis zum Wahltermin im Jahr 2009 fortsetzen. Trotz gelegentlicher Spannungen und auch durchaus schon inhaltlicher Auseinandersetzungen glaube ich ist die Koalition in den letzten Jahren erfolgreich gewesen. Wir sind dem Land und den Menschen im Land verpflichtet, ordentliche Politik zu machen. Dafür stehe ich und dafür habe ich auch der SPD meine Hand ausgestreckt.

    Liminski: Die Probleme mit der Sachsen-LB, Herr Tillich, sind noch nicht gelöst. Gibt es einen Rettungsplan, falls die Milliarden-Kosten auf das Land zurückfallen?

    Tillich: Wir haben ja mit dem starken Partner, der LBBW, einen Retter auch in der Not gefunden. Die LBBW hat sich bereit erklärt, die Sachsen-LB zu übernehmen. Das ist im März geschehen. Damit ist dieses Thema zumindest für uns anders wie zum Beispiel bei der IKB gelöst. Natürlich ist die Situation die, dass wir dafür eine Bürgschaft haben auslegen lassen müssen, die für uns natürlich weiterhin eine Verpflichtung darstellt.

    Liminski: Und die Sie sozusagen auch wahrnehmen müssen, wenn es darauf ankommt?

    Tillich: Ja. Dafür ist die ja auch ausgelegt worden.

    Liminski: Milbradt hinterlässt ein bestelltes Haus. Der Freistaat ist eines der wenigen Bundesländer, das Schulden abgebaut hat - von der Pleite der Landesbank mal abgesehen. Wo wollen Sie denn neue Akzente setzen?

    Tillich: Die Grundlinien der sächsischen Politik der letzten 18 Jahre sind ja von Erfolg gekrönt. Sachsen steht an der Spitze der neuen Bundesländer. Das ist kein Selbstläufer; das ist ein Zusammenwirken der Menschen im Land mit den Politikern. Wir werden auf diesen Grundlinien aufbauend natürlich versuchen, das Land weiter voranzubringen. Eine der wichtigsten Aufgaben wird sein, die jungen Menschen zu motivieren, um für den wachsenden Bedarf am Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen. Wir haben in den letzten Jahren erfolgreich Unternehmen in Sachsen ansiedeln können und ein schon sich abzeichnender Fachkräftebedarf, das ist an und für sich die Zukunftsfrage, dass wir diesen Fachkräftebedarf auch decken können.

    Liminski: Junge Menschen, Fachkräftemangel; das riecht nach den demographischen Problemen. Ihre beiden Vorgänger hatten ja ein ausgeprägtes Interesse für diese Probleme, die in den neuen Bundesländern ja auch stärker zu spüren sind als im Westen. Halten Sie diese Probleme auch für vorrangig?

    Tillich: Ja. Gemeinsam mit Georg Milbradt als Chef der Staatskanzlei haben wir uns ja dieses Themas angenommen. Später als Umwelt- und Landwirtschaftsminister hat mich gerade im ländlichen Raum dieses Thema ja immer wieder konfrontiert. Deswegen glaube ich ist das auch eine Art der Kontinuität. Aber gleichwohl wissen wir, dass wir keine Zeit haben. Wir brauchen Antworten auf diese Fragen und wir haben uns in der Vergangenheit damit beschäftigt, machen dieses in der Gegenwart auch, suchen nach Lösungen und ich gehe davon aus, dass hier Sachsen, da es bekanntermaßen auch den größten Altersdurchschnitt seiner Einwohner in der Bundesrepublik hat, auch wieder eine Pionierreiter-Rolle übernehmen wird.

    Liminski: Haben Sie da schon einen Plan, einen Masterplan entwickelt?

    Tillich: Es gibt dort verschiedene Vorschläge. Es sind Wissenschaftler mit uns gemeinsam daran, darüber nachzudenken, wie man dem begegnet. Aber ich glaube auch, dass es simple, ganz einfache Mittel gibt, die ich eben schon erwähnte. Wenn es uns gelingt, junge Menschen dafür zu motivieren, dass es wieder attraktiv ist, sich in Sachsen seine Lebenszukunft aufzubauen, dann werden viele junge Menschen auch diese Chance nutzen und damit letztendlich auch zur Stabilisierung beitragen.

    Liminski: Ähnlich wie Thüringen hat die CDU Sachsen ein eigenes familienfreundliches Programm entwickelt, auch mit Blick auf die Demographie - Sie sprechen ja auch immer von den jungen Menschen - und eigentlich doch ziemlich im Gegensatz zur Bundespartei. Wird dieses Programm jetzt eingestampft oder fortgesetzt?

    Tillich: Nein. Wir haben uns ja zu diesem Thema im letzten Jahr ausdrücklich ausgesprochen. Wir haben versucht und sind daran weiterhin sehr engagiert am arbeiten, dass wir eben dieses Programm des familienfreundlichen Sachsens fortführen, dass wir die Menschen damit erreichen und letztendlich auch damit einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Problem der Demographie sich nicht weiter verschärft. Denn seit dem Ende des 19. Jahrhunderts hat ja die Bundesrepublik Deutschland - damals noch Deutschland - insgesamt ein Defizit an jungen Menschen gegenüber denjenigen, die versterben. Deswegen ist das kein eigenes sächsisches Problem, sondern nur bei uns ein verschärftes.

    Liminski: Die CDU stellt sich neu auf, Herr Tillich. In 14 Monaten wird ein neuer Landtag gewählt. Streben Sie dann die absolute Mehrheit an?

    Tillich: Wir haben als CDU die Verantwortung in Sachsen die letzten 18 Jahre getragen und wir wollen sie zukünftig weiter tragen. Selbstverständlich streben wir eine Mehrheit an, die uns die Möglichkeit gibt, die Regierung nicht nur in Sachsen zu bilden, sondern diese Regierung alleine zu bilden und damit letztendlich die Geschicke im Land weiter voranzubringen.

    Liminski: Wenn es für eine absolute Mehrheit nicht reicht und eine Koalition gebildet werden muss, welche Partei wäre denn Ihr Wunschpartner?

    Tillich: Vor den Landtagswahlen steht für uns klar das Ziel, diese Wahl so zu gestalten, dass wir letztendlich selbst die Verantwortung wahrnehmen können. Deswegen ist es glaube ich zu Unzeit, über Koalitionen zu spekulieren.

    Liminski: Was wären denn die Schwerpunkte in Ihrem Programm, mit dem Sie dann auch in diese Wahl gehen werden?

    Tillich: Herr Liminski, das ist eine Frage, die sich natürlich legitimerweise stellen lässt. Aber ich bin am zweiten Tag der designierte Kandidat und muss erst Ministerpräsident und Landesvorsitzender werden. Danach werde ich natürlich auch der Partei, aber auch dem Land unser Programm vorstellen, mit dem wir in die Wahlen ziehen wollen. Das ist glaube ich heute noch etwas zu zeitig.

    Liminski: Aber Sie werden es vielleicht dann doch im Deutschlandfunk tun. Neuaufbruch in der CDU Sachsen. Das war der designierte Ministerpräsident des Freistaats Stanislaw Tillich. Besten Dank für das Gespräch nach Dresden, Herr Tillich!