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Starke Geschenke zum 150.

Physik. - Heute vor genau 150 Jahren wurde ein genialer Erfinder geboren: Nikola Tesla. Er machte Wechselstrom technisch nutzbar, entwickelte den ersten Radiosender und erfand die Fernsteuerung. In Tesla werden Magnetfelder gemessen, und die höchsten Tesla-Werte weltweit entstehen in Dresden.

Von Frank Grotelüschen | 10.07.2006
    "Das ist schusssicheres Holz. Das Holz, was Sie in Panzerwagen finden. Da ist kein Stahl drin, sondern Buchenholz, geleimt. Da können Sie nicht mit dem Gewehr durchschießen."

    Jochen Wosnitza steht vor einer Grube, abgedeckt mit Planken aus schusssicherem Holz. Es ist ein Teststand für Hochleistungsmagnete. Gleich soll ein Test starten, der Magnet unten in der Grube ist bereits tiefgekühlt. Physiker Wosnitza bringt uns an einen sicheren Platz.

    "Wir müssen jetzt in unseren Kontrollraum gehen, zur Sicherheit – falls irgendwelche Fragmente fliegen. Dahinter sind wir sicher."

    Wir sind im Hochfeldmagnetlabor des Forschungszentrums Rossendorf in der Nähe von Dresden. Die Elektromagneten, die hier getestet werden, gehören zu den stärksten der Welt. Die Kräfte, die in diesen Magneten herrschen, sind sogar so stark, dass sie ihn zu zerreißen drohen – deshalb die Angst vor den herumfliegenden Fragmenten.

    "Wenn man kontinuierlich ein Magnetfeld erzeugen möchte, ist bei ungefähr 50 Tesla Schluss. Dann reißt das Material. Dann sind die Kräfte so stark, dass das Material birst und Sie keine höheren Magnetfelder erzeugen können."

    Deshalb greifen Wsonitza und seine Leute zu einem Trick. Sie bauen extrem stabile, reißfeste Spezialmagneten. Und diese Spezialmagneten schalten sie nur ganz kurz an – nicht länger als ein paar Dutzend Millisekunden.

    "Dann kann der Leiter nicht auseinander reißen. Und der wird auch nicht zu warm dabei, sodass Sie höhere Magnetfelder erzeugen können."

    Der Test beginnt. Im Kontrollraum sitzt Elektroingenieur Steffen Dittrich vor zwei Monitoren und gibt per Mausklick das Startsignal.

    "Wir werden eine Spannung von 15.000 Volt auf die Spule geben und dann alle elektrischen Effekte daran messen."

    Dittrich tippt ein paar Befehle in die Tastatur. Jetzt laden sich im Raum nebenan die Kondensatoren auf.

    "So, jetzt läuft das langsam hoch."

    Die Kondensatoren arbeiten ähnlich wie in einem Blitzgerät, nur sind sie viel stärker. Gleich, wenn sie voll aufgeladen sind, werden sie einen kurzen, aber heftigen Stromstoß auf den Magneten in der Grube geben. Dann wird da unten ein paar Millisekunden lang ein Magnetfeld von mehr als 40 Tesla herrschen – das Millionenfache des Erdmagnetfelds.

    "So, die Spannung ist erreicht, und - das war’s schon. Das war der Stromfluss für einige wenige Millisekunden. Das wird jetzt spannend für uns."

    Ungeduldig lauert Dittrich auf die Messwerte, die gleich auf dem Monitor erscheinen – Werte zum Beispiel über den Strom, der während des Testes durch den Magneten geflossen ist.

    "Jawoll! Sehr guter Strom, wunderbar gelaufen. Alles bestens."

    Die Spule, die den Test so bravourös bestanden hat, ist für ein neues Labor in Rossendorf bestimmt, das Hochfeld-Magnetlabor. Es nimmt gerade seinen Betrieb auf und hat ein ehrgeiziges Ziel – endlich die magische Grenze von 100 Tesla zu knacken, sagt Jochen Wosnitza.

    "Drei Millionen Mal mehr als das Erdmagnetfeld wollen wir erzeugen. Wenn man etwa einen Magneten hat, mit dem man Zettel an den Kühlschrank klebt: die haben an der Oberfläche weniger als ein halbes Tesla. Wir wollen 200mal mehr Magnetfeld erzeugen."

    Mit diesen extrem starken Magnetfeldern wollen die Dresdner vor allem Grundlagenforschung betreiben, wollen Materialien wie Supraleiter oder Halbleiter so genau wie noch nie unter die Lupe nehmen.

    "Die Materialwissenschaftler und Physiker untersuchen seit jeher viele Materialien in Magnetfeldern. Das Magnetfeld wirkt auf die bewegten Ladungsträger, die Elektronen, und lenkt diese Elektronen ab. Das heißt man einfach was Grundlegendes lernen über die Materialien, wenn man ein Magnetfeld anlegt. Ich erinnere nur an den Nobelpreis von von Klitzing, der damals Untersuchungen in großen Magnetfeldern gemacht hat und den Quantenhalleffekt entdeckt hat."

    Von Klitzing hat seine überraschende Entdeckung bei 25 Tesla gemacht. Bei 100 Tesla – hofft Wosnitza – könnten noch mehr spektakuläre Entdeckungen warten.

    "Wir hoffen, dass wir in diesem Jahr über 80 Tesla, vielleicht 90 Tesla schaffen werden und dann möglichst bald die 100 Tesla erreichen werden."

    Das wäre neuer Weltrekord. Denn 100 Tesla – die hat bislang noch keiner geschafft.