Walter: Ja, guten Morgen.
DLF: Die schwierigste Frage vielleicht am schönen Starttag: Was kann dem Euro in seiner Anfangsphase zunächst am ehesten gefährden, gefährlich werden?
Walter: Ja, ich denke mir, daß eigentlich die großen Sachen alle erledigt sind und die Gefährdungen jetzt eher darin liegen, daß er in der Tat zu teurer wird, weil internationale Investoren, die bislang eher Zweifel hatten, feststellen - erstens: Er ist da - das haben ja immer noch einige bezweifelt - und zweitens: Er ist offenkundig eine stabile Währung. Und bislang gibt es ja nicht wirklich eine echte liquide Alternative zum Dollar. Das gibt es nun ab heute.
DLF: Herr Walter, es heißt immer, der Euro muß sich erst das notwendige Vertrauen erringen. Was heißt denn das konkret?
Walter: Ich würde schon sagen, das ist eigentlich eine Hypothese, die nicht so ganz mehr zutrifft. Sie wird zwar immer noch gepredigt, aber die Finanzmärkte haben eigentlich wirklich Vorschußlorbeeren gezahlt. Das sah man schon in der Periode der Konvergenz der Zinssätze in Europa: Keine einzelne Währung wurde mehr attackiert. Das sieht man daran, daß wir heute mit nennenswert niedrigeren Zinssätzen gegenüber den USA dastehen als Gesamt-Euroland. Das ist Hinweis darauf, daß es so etwas wie Vorschußlorbeeren gibt. Das müssen wir jetzt verdienen im Sinne einer Wirtschaftsentwicklung, die zu dieser Stärke der Währung paßt. Und mir kommt es fast so vor: Das ist so ähnlich wie mit Deutschland und der D-Mark. Die D-Mark war ja eher immer stark, die deutsche Wirtschaftspolitik nicht.
DLF: Die Zinsen sind zu niedrig - wird von einigen Experten gesagt. Teilen Sie diese Meinung?
Walter: Nein, die teile ich überhaupt nicht. Ich bin im Gegenteil in Sorge, daß diese Kombination aus Beeinflußtsein durch die Asienkrise - durch die Krise der Entwicklungsländer - und einen hohen Euro der Struktur der europäischen Wirtschaft nicht wirklich entspricht und zu einer noch stärkeren Abschwächung der Wirtschaft führt als bislang angenommen wird. Und zu einem solchen Umstand und praktisch einer vollkommenen Preisstabilität - und auch das ist das, was derzeit der Fall ist und was für dieses Jahr zu erwarten ist - denke ich mir, sind Zinssätze, wie wir sie derzeit haben, immer noch eher an der Obergrenze dessen, was vertretbar ist und nicht zu niedrig.
DLF: Also weiter runter mit den Zinsen?
Walter: Das ist meine beste Prognose, daß wir im Sommer dieses Jahres etwa um einen halben Prozentpunkt niedrigere Geldmarktzinsen haben als das derzeit der Fall ist.
DLF: Damit ist die Europäische Zentralbank auch angesprochen, Herr Walter. Sie muß sich ja daran messen lassen, ob sie die richtigen Signale für eine straffe Geldpolitik - wie es immer heißt - setzt. Welche müssen das zwingend sein?
Walter: Ja, die Europäische Zentralbank hat sich ja schwer damit getan, die Ziele für ihre eigene Politik festzusetzen. Sie hat das jetzt getan mit einer doppelten Zielfestlegung. Sie sagt: Wir sind dafür da und stehen dafür gerade, daß die Inflationsrate im Euroland unter 2 Prozent liegt. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte gesagt: 1 1/2 bis 2 Prozent, denn das wäre ein sehr gutes Ziel gewesen. So präzise wollte die Zentralbank allerdings nicht sein. Und sie hat neben diesem direkten Inflationsziel, das den Verbrauchern, das den Gewerkschaften, das den Arbeitgebern klarmachen soll, was möglich ist und was nicht, noch für die Techniker ein Ziel gesetzt, nämlich ein Geldmengenziel. Sie möchte, daß die Geldmenge in Euro sich ungefähr um 4 1/2 Prozent pro Jahr ausweitet. Und auch in dieser Zielsetzung - glaube ich - kann man sie im wesentlichen unterstützen. Ich denke, 5 Prozent wäre etwas besser gewesen. Aber um solche Kleinigkeiten sollte man sich eigentlich nicht lange streiten. Und auch dabei, bei der Ausweitung der Geldmenge, liegen wir derzeit mit ungefähr 4 1/2 bis 5 Prozent so nahe an der Zielmarke, daß man eigentlich sagen kann: Alles o.k.
DLF: Die EZB, Herr Walter, kann unterstützt werden, das haben Sie eben geschildert. Die EZB soll aber auch unterstützen. Reden wir oder sprechen wir über Geldpolitik und Beschäftigungspolitik. Die Europäische Zentralbank soll nicht beschäftigungspolitisch aktiv werden, könnte sich aber aus jeder Wirkung heraushalten, die ihre Entscheidungen nach sich ziehen.
Walter: Nein, das ist vollkommen klar, daß Geldpolitik - zumindest auf kurze Frist - auch immer Wirkung auf Konjunktur hat, auf Nachfrageentwicklung. Das ist auch einer der Gründe, warum ich angesichts der weltwirtschaftlichen Krise und des Umstandes, daß wir Preisstabilität haben, sage: Wir können niedrigere Zinsen haben. Aber diese Art der Beurteilung der Wirkungsanalyse darf eben nicht verwechselt werden mit einer Therapie, die immer wieder von einigen Politikern, eher nicht mehr Wissenschaftlern - die Wissenschaftler haben das glaube ich zumeist hinter sich - ins Feld geführt wird, nämlich: Um Beschäftigung zu erzielen, solle man Zinsen senken. Das ist eine Methode, die in der Regel schiefgeht, denn: Nur Geld, das stabil ist, das Vertrauen genießt, nur Geld, das nachgefragt wird, national - von den eigenen Bürgern, von den eigenen Sparern - ebenso, wie von den internationalen Anlegern, kann am Ende seine segensreiche Wirkung entfalten. Insofern ist die Europäische Zentralbank gut beraten, bei ihrem gesetzlichen Auftrag zu bleiben, Preisstabilität zu sichern. Sie tut damit das beste für uns alle, für uns Bürger, für die Finanzmärkte, und am Ende natürlich damit auch für die Beschäftigung.
DLF: Sie hat, um Preisstabilität zu gewährleisten, sehr viel mehr Rechte aber auch Pflichten, als das die Bundesbank je hatte. Herr Walter, ein Garant für einen starken Euro sollte vor allen Dingen die Unabhängigkeit auf der EZB sein. Nun gibt es aber doch politischen Druck auf die EZB. Steht nicht mit dem 'Nein' von Wim Duisenberg, seine Amtszeit zu verkürzen, neuer Ärger ins Haus?
Walter: Also, ich bin schon unglücklich gewesen - wie viele andere auch - ob der Art der Debatte um die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank. Auf der anderen Seite muß man natürlich auch sehr realistisch sein. Ich denke mir, daß das Amt des Europäischen Zentralbank - Präsidenten in der Tat eines der wichtigsten Ämter, das Europa zu vergeben hat, ist. Und daß darum natürlich dann ein Wettkampf entbrennt, das ist klar. Daß die Art dieses Wettkampfes aber so ausschaut, als ob da Leute mit einem bestimmten nationalen Paß um dieses Amt ringen, das ist unglücklich gewesen und das ist auch durch die jüngste Runde von Debatten nicht besser geworden. Ich wünsche, daß alle erwachsen werden. Der liebe Gott hat Wim Duisenberg heute 62 werden lassen, und er ist dann, wenn er 4 Jahre im Amt ist, 66. Ich denke mir, daß er sich an das erinnert, was er bei jenen Verhandlungen gesagt hat. Auf der anderen Seite sollten wir Deutschen, die Besserwisser, auch endlich einmal wahrnehmen, daß Jean-Claude Trichet, der alternative Kandidat, in Paris Jean-Claude Trichmeyer mit Spitznamen genannt wird und damit in seiner Heimatstadt offenkundig jenen Stabilitätsnimbus hat, den unser derzeitiger Bundesbankpräsident Tietmeyer hat.
DLF: Der gute Start des Euro - ein schönes Geburtstagsgeschenk für Wim Duisenberg. Herr Walter, es gibt schon einen weiterführenden Vorschlag - oder viele weiterführende. Greifen wir erst einmal einen heraus: Was halten Sie davon, eine Europabörse einzuführen?
Walter: Der Begriff Europabörse ist wahrscheinlich im Urteil der meisten Bürger mit etwas besetzt wie einen gemeinsamen Platz, wo man gemeinsam Wertpapiere handelt. Dies ist aber jetzt, im Zeitalter der Elektronik, nicht mehr die realistische Vorstellung. Wir werden demnächst in der Tat eine Eurobörse haben, aber es ist eine virtuelle Börse, eine Börse, die sozusagen nur konzeptionell existiert, mit der man nur elektronisch verbunden ist. Und was dazu wichtig ist, haben jetzt durch das joint venture in London und Frankfurt auf den Weg gebracht, nämlich eine elektronische Börse, in die sich diejenigen, die in dieser Währung handeln wollen mit den Wertpapieren dieser Region, über Computer einklicken können. Und natürlich ist jeder, der zu diesem Rahmen gehört, eingeladen, sich an diesem Konzept zu beteiligen. Deshalb ist es auch gut, daß die ursprüngliche Kritik an diesen joint venture aus Paris sich mittlerweile in konstruktive, in kooperative Haltung ungemünzt hat.
DLF: Nicht virtuell, sondern viel realer könnte sein, was der Präsident der Hessischen Landeszentralbank, Herr Welteke, vorgeschlagen hat, daß nämlich spätestens ab 2002 sich Bundesbank und Landeszentralbanken Gedanken machen sollten, um abzuspecken und zu fusionieren. Was halten Sie davon?
Walter: Ja, es ist klar: In der Zeit, in der wir jetzt sind, ist die Deutsche Bundesbank ja nicht mehr, was sie zuvor war, nämlich Entscheidungsgremium für Geldpolitik. Sie ist das, was früher Landeszentralbanken in Deutschland waren: Das ausführende Organ, die Stelle, die die europäische Geldpolitik in unserem Land ausführt. Damit ist zu hinterfragen: Gibt es noch Grund für die nächste Stufe in der Bundesbank-Organisation, nämlich die der Landeszentralbanken. Ich denke mir, am Ende wird die Reform nicht so rasch und so vollständig sein, daß man die Landeszentralbanken auflöst, aber richtig ist sicherlich, daß unter der neuen Struktur der Europäischen Zentralbank und ihrer Verantwortung für die geldpolitischen Entscheidungen auch das Konzept nationaler Zentralbanken zu überdenken ist und vier europäische Zentralbanken sind dann angesichts dieser Veränderungen wahrscheinlich in der Tat mit sachlichen Ressourcen und personellen Ressourcen eher übermäßig gut ausgestattet. Und die Europäische Zentralbank ist heute sicherlich zu schlecht ausgestattet. Sie muß sich jetzt viel mehr messen mit anderen Zentralbanken auf dieser Ebene, nämlich zum Beispiel mit der amerikanischen Zentralbank in Washington. Und da zeigt sich, daß die Ausstattung der Europäischen Zentralbank wahrlich zu dürr ist.
DLF: Herr Walter, abschließend ein kurzes Wort von Ihnen zu einer wieder aufgeflammten Diskussion an diesem Wochenende: Mehrwertsteuererhöhung. Ein entschiedenes 'Nein' der Bundesregierung zunächst noch. Wie lange noch, denken Sie?
Walter: Ich hoffe, ganz lange. Und ich hoffe, daß diese Frage wirklich nur im Zusammenhang mit einer systematischen Reform der europäischen Mehrwertsteuer endlich darauf ein Konzept, das dem Euroland entspricht, erfolgt und nicht erneut, wie die neue Regierung sich ja ohnehin anzuschicken schien, um sich zu bedienen, um schließlich die Mehrausgaben, die man klammheimlich geplant hat und durchführen will, zu finanzieren. Ich hoffe, die Bürger schreien ebenso laut wie die Finanzmärkte, und diese Mehrwertsteuererhöhung wird nicht kommen, ohne daß die Bedingungen, die ich genannt habe, erfüllt sind und ohne daß natürlich dann auch Deutschland bis dahin in einem Zustand ist, bei dem die Einkommensteuern nicht mehr konfiskatorisch, sondern fair sind, wie das jetzt ganz sicher nicht der Fall ist.
DLF: Herzlichen Dank Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Ich wünsche Ihnen einen schönen Euro-Tag heute.
Walter: Ja, besten Dank.
DLF: Die schwierigste Frage vielleicht am schönen Starttag: Was kann dem Euro in seiner Anfangsphase zunächst am ehesten gefährden, gefährlich werden?
Walter: Ja, ich denke mir, daß eigentlich die großen Sachen alle erledigt sind und die Gefährdungen jetzt eher darin liegen, daß er in der Tat zu teurer wird, weil internationale Investoren, die bislang eher Zweifel hatten, feststellen - erstens: Er ist da - das haben ja immer noch einige bezweifelt - und zweitens: Er ist offenkundig eine stabile Währung. Und bislang gibt es ja nicht wirklich eine echte liquide Alternative zum Dollar. Das gibt es nun ab heute.
DLF: Herr Walter, es heißt immer, der Euro muß sich erst das notwendige Vertrauen erringen. Was heißt denn das konkret?
Walter: Ich würde schon sagen, das ist eigentlich eine Hypothese, die nicht so ganz mehr zutrifft. Sie wird zwar immer noch gepredigt, aber die Finanzmärkte haben eigentlich wirklich Vorschußlorbeeren gezahlt. Das sah man schon in der Periode der Konvergenz der Zinssätze in Europa: Keine einzelne Währung wurde mehr attackiert. Das sieht man daran, daß wir heute mit nennenswert niedrigeren Zinssätzen gegenüber den USA dastehen als Gesamt-Euroland. Das ist Hinweis darauf, daß es so etwas wie Vorschußlorbeeren gibt. Das müssen wir jetzt verdienen im Sinne einer Wirtschaftsentwicklung, die zu dieser Stärke der Währung paßt. Und mir kommt es fast so vor: Das ist so ähnlich wie mit Deutschland und der D-Mark. Die D-Mark war ja eher immer stark, die deutsche Wirtschaftspolitik nicht.
DLF: Die Zinsen sind zu niedrig - wird von einigen Experten gesagt. Teilen Sie diese Meinung?
Walter: Nein, die teile ich überhaupt nicht. Ich bin im Gegenteil in Sorge, daß diese Kombination aus Beeinflußtsein durch die Asienkrise - durch die Krise der Entwicklungsländer - und einen hohen Euro der Struktur der europäischen Wirtschaft nicht wirklich entspricht und zu einer noch stärkeren Abschwächung der Wirtschaft führt als bislang angenommen wird. Und zu einem solchen Umstand und praktisch einer vollkommenen Preisstabilität - und auch das ist das, was derzeit der Fall ist und was für dieses Jahr zu erwarten ist - denke ich mir, sind Zinssätze, wie wir sie derzeit haben, immer noch eher an der Obergrenze dessen, was vertretbar ist und nicht zu niedrig.
DLF: Also weiter runter mit den Zinsen?
Walter: Das ist meine beste Prognose, daß wir im Sommer dieses Jahres etwa um einen halben Prozentpunkt niedrigere Geldmarktzinsen haben als das derzeit der Fall ist.
DLF: Damit ist die Europäische Zentralbank auch angesprochen, Herr Walter. Sie muß sich ja daran messen lassen, ob sie die richtigen Signale für eine straffe Geldpolitik - wie es immer heißt - setzt. Welche müssen das zwingend sein?
Walter: Ja, die Europäische Zentralbank hat sich ja schwer damit getan, die Ziele für ihre eigene Politik festzusetzen. Sie hat das jetzt getan mit einer doppelten Zielfestlegung. Sie sagt: Wir sind dafür da und stehen dafür gerade, daß die Inflationsrate im Euroland unter 2 Prozent liegt. Mir wäre es lieber gewesen, sie hätte gesagt: 1 1/2 bis 2 Prozent, denn das wäre ein sehr gutes Ziel gewesen. So präzise wollte die Zentralbank allerdings nicht sein. Und sie hat neben diesem direkten Inflationsziel, das den Verbrauchern, das den Gewerkschaften, das den Arbeitgebern klarmachen soll, was möglich ist und was nicht, noch für die Techniker ein Ziel gesetzt, nämlich ein Geldmengenziel. Sie möchte, daß die Geldmenge in Euro sich ungefähr um 4 1/2 Prozent pro Jahr ausweitet. Und auch in dieser Zielsetzung - glaube ich - kann man sie im wesentlichen unterstützen. Ich denke, 5 Prozent wäre etwas besser gewesen. Aber um solche Kleinigkeiten sollte man sich eigentlich nicht lange streiten. Und auch dabei, bei der Ausweitung der Geldmenge, liegen wir derzeit mit ungefähr 4 1/2 bis 5 Prozent so nahe an der Zielmarke, daß man eigentlich sagen kann: Alles o.k.
DLF: Die EZB, Herr Walter, kann unterstützt werden, das haben Sie eben geschildert. Die EZB soll aber auch unterstützen. Reden wir oder sprechen wir über Geldpolitik und Beschäftigungspolitik. Die Europäische Zentralbank soll nicht beschäftigungspolitisch aktiv werden, könnte sich aber aus jeder Wirkung heraushalten, die ihre Entscheidungen nach sich ziehen.
Walter: Nein, das ist vollkommen klar, daß Geldpolitik - zumindest auf kurze Frist - auch immer Wirkung auf Konjunktur hat, auf Nachfrageentwicklung. Das ist auch einer der Gründe, warum ich angesichts der weltwirtschaftlichen Krise und des Umstandes, daß wir Preisstabilität haben, sage: Wir können niedrigere Zinsen haben. Aber diese Art der Beurteilung der Wirkungsanalyse darf eben nicht verwechselt werden mit einer Therapie, die immer wieder von einigen Politikern, eher nicht mehr Wissenschaftlern - die Wissenschaftler haben das glaube ich zumeist hinter sich - ins Feld geführt wird, nämlich: Um Beschäftigung zu erzielen, solle man Zinsen senken. Das ist eine Methode, die in der Regel schiefgeht, denn: Nur Geld, das stabil ist, das Vertrauen genießt, nur Geld, das nachgefragt wird, national - von den eigenen Bürgern, von den eigenen Sparern - ebenso, wie von den internationalen Anlegern, kann am Ende seine segensreiche Wirkung entfalten. Insofern ist die Europäische Zentralbank gut beraten, bei ihrem gesetzlichen Auftrag zu bleiben, Preisstabilität zu sichern. Sie tut damit das beste für uns alle, für uns Bürger, für die Finanzmärkte, und am Ende natürlich damit auch für die Beschäftigung.
DLF: Sie hat, um Preisstabilität zu gewährleisten, sehr viel mehr Rechte aber auch Pflichten, als das die Bundesbank je hatte. Herr Walter, ein Garant für einen starken Euro sollte vor allen Dingen die Unabhängigkeit auf der EZB sein. Nun gibt es aber doch politischen Druck auf die EZB. Steht nicht mit dem 'Nein' von Wim Duisenberg, seine Amtszeit zu verkürzen, neuer Ärger ins Haus?
Walter: Also, ich bin schon unglücklich gewesen - wie viele andere auch - ob der Art der Debatte um die Präsidentschaft der Europäischen Zentralbank. Auf der anderen Seite muß man natürlich auch sehr realistisch sein. Ich denke mir, daß das Amt des Europäischen Zentralbank - Präsidenten in der Tat eines der wichtigsten Ämter, das Europa zu vergeben hat, ist. Und daß darum natürlich dann ein Wettkampf entbrennt, das ist klar. Daß die Art dieses Wettkampfes aber so ausschaut, als ob da Leute mit einem bestimmten nationalen Paß um dieses Amt ringen, das ist unglücklich gewesen und das ist auch durch die jüngste Runde von Debatten nicht besser geworden. Ich wünsche, daß alle erwachsen werden. Der liebe Gott hat Wim Duisenberg heute 62 werden lassen, und er ist dann, wenn er 4 Jahre im Amt ist, 66. Ich denke mir, daß er sich an das erinnert, was er bei jenen Verhandlungen gesagt hat. Auf der anderen Seite sollten wir Deutschen, die Besserwisser, auch endlich einmal wahrnehmen, daß Jean-Claude Trichet, der alternative Kandidat, in Paris Jean-Claude Trichmeyer mit Spitznamen genannt wird und damit in seiner Heimatstadt offenkundig jenen Stabilitätsnimbus hat, den unser derzeitiger Bundesbankpräsident Tietmeyer hat.
DLF: Der gute Start des Euro - ein schönes Geburtstagsgeschenk für Wim Duisenberg. Herr Walter, es gibt schon einen weiterführenden Vorschlag - oder viele weiterführende. Greifen wir erst einmal einen heraus: Was halten Sie davon, eine Europabörse einzuführen?
Walter: Der Begriff Europabörse ist wahrscheinlich im Urteil der meisten Bürger mit etwas besetzt wie einen gemeinsamen Platz, wo man gemeinsam Wertpapiere handelt. Dies ist aber jetzt, im Zeitalter der Elektronik, nicht mehr die realistische Vorstellung. Wir werden demnächst in der Tat eine Eurobörse haben, aber es ist eine virtuelle Börse, eine Börse, die sozusagen nur konzeptionell existiert, mit der man nur elektronisch verbunden ist. Und was dazu wichtig ist, haben jetzt durch das joint venture in London und Frankfurt auf den Weg gebracht, nämlich eine elektronische Börse, in die sich diejenigen, die in dieser Währung handeln wollen mit den Wertpapieren dieser Region, über Computer einklicken können. Und natürlich ist jeder, der zu diesem Rahmen gehört, eingeladen, sich an diesem Konzept zu beteiligen. Deshalb ist es auch gut, daß die ursprüngliche Kritik an diesen joint venture aus Paris sich mittlerweile in konstruktive, in kooperative Haltung ungemünzt hat.
DLF: Nicht virtuell, sondern viel realer könnte sein, was der Präsident der Hessischen Landeszentralbank, Herr Welteke, vorgeschlagen hat, daß nämlich spätestens ab 2002 sich Bundesbank und Landeszentralbanken Gedanken machen sollten, um abzuspecken und zu fusionieren. Was halten Sie davon?
Walter: Ja, es ist klar: In der Zeit, in der wir jetzt sind, ist die Deutsche Bundesbank ja nicht mehr, was sie zuvor war, nämlich Entscheidungsgremium für Geldpolitik. Sie ist das, was früher Landeszentralbanken in Deutschland waren: Das ausführende Organ, die Stelle, die die europäische Geldpolitik in unserem Land ausführt. Damit ist zu hinterfragen: Gibt es noch Grund für die nächste Stufe in der Bundesbank-Organisation, nämlich die der Landeszentralbanken. Ich denke mir, am Ende wird die Reform nicht so rasch und so vollständig sein, daß man die Landeszentralbanken auflöst, aber richtig ist sicherlich, daß unter der neuen Struktur der Europäischen Zentralbank und ihrer Verantwortung für die geldpolitischen Entscheidungen auch das Konzept nationaler Zentralbanken zu überdenken ist und vier europäische Zentralbanken sind dann angesichts dieser Veränderungen wahrscheinlich in der Tat mit sachlichen Ressourcen und personellen Ressourcen eher übermäßig gut ausgestattet. Und die Europäische Zentralbank ist heute sicherlich zu schlecht ausgestattet. Sie muß sich jetzt viel mehr messen mit anderen Zentralbanken auf dieser Ebene, nämlich zum Beispiel mit der amerikanischen Zentralbank in Washington. Und da zeigt sich, daß die Ausstattung der Europäischen Zentralbank wahrlich zu dürr ist.
DLF: Herr Walter, abschließend ein kurzes Wort von Ihnen zu einer wieder aufgeflammten Diskussion an diesem Wochenende: Mehrwertsteuererhöhung. Ein entschiedenes 'Nein' der Bundesregierung zunächst noch. Wie lange noch, denken Sie?
Walter: Ich hoffe, ganz lange. Und ich hoffe, daß diese Frage wirklich nur im Zusammenhang mit einer systematischen Reform der europäischen Mehrwertsteuer endlich darauf ein Konzept, das dem Euroland entspricht, erfolgt und nicht erneut, wie die neue Regierung sich ja ohnehin anzuschicken schien, um sich zu bedienen, um schließlich die Mehrausgaben, die man klammheimlich geplant hat und durchführen will, zu finanzieren. Ich hoffe, die Bürger schreien ebenso laut wie die Finanzmärkte, und diese Mehrwertsteuererhöhung wird nicht kommen, ohne daß die Bedingungen, die ich genannt habe, erfüllt sind und ohne daß natürlich dann auch Deutschland bis dahin in einem Zustand ist, bei dem die Einkommensteuern nicht mehr konfiskatorisch, sondern fair sind, wie das jetzt ganz sicher nicht der Fall ist.
DLF: Herzlichen Dank Norbert Walter, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Ich wünsche Ihnen einen schönen Euro-Tag heute.
Walter: Ja, besten Dank.