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Start in die Ski-Saison
Sommerfeeling auf der Piste

Zwanzig Grad im Oktober – während die einen noch in T-Shirts wandern gehen, stehen feste Termine an für Skifahrer, die nicht verschoben werden können. Am 27. Oktober startet traditionell der Skiweltcup im österreichischen Sölden. Eine Herausforderung für die Veranstalter.

Von Susanne Lettenbauer | 21.10.2018
    Kunstschnee,Wintersport,Wintersportgebiet,Skigebiet,Landschaft,Alpen,Schneekanone auf dem Rettenbachgletscher in Sölden/Tirol am 09.10.2008
    Am 27. Oktober startet traditionell der Skiweltcup im österreichischen Sölden (picture-alliance / Frank Hörmann / Sven Simon)
    Jeden Tag geht Isidor Grüner mit einem 45 Zentimeter langen Bohrer auf den weißen schmalen Streifen an dem braunen Geröllhang neben dem Rettenbachgletscher - die Skiweltcup-Piste. 45 Zentimeter, das ist die Schneehöhe, die auf der Rennpiste mindestens liegen muss, damit sie vom internationalen Skiverband FIS freigegeben wird, erzählt der Pistenchef von Sölden:
    "Das sollte eigentlich die Schneeauflage sein, damit man hundertprozentig sicher ist, dass die Stangen halten, denn die haben ein Kippgelenk, und dass der Untergrund alles verfestigt ist und gut ist. Und das haben wir jetzt zirka überall auf der gesamten Streckenlänge ... Und da drüben trainieren jetzt grad die Diana Veit-Shiffrin, Tina Weirather und Ted Ligety, also einige sind schon hier."
    Start ist gewiss
    Isidor Grüner hat es geschafft: Seit Donnerstag ist klar, dass der Skiweltcup am 27. Oktober starten kann. FIS-Renndirektor Markus Mayr inspizierte persönlich die Lage am Rettenbachferner:
    "Bis zum Renntag am Samstag wartet noch viel Arbeit auf uns, aber Sölden hat ein starkes Team", so der FIS-Funktionär. Pistenchef Grüner habe mal wieder "gezaubert", feiert ihn die Presse. Monatelange Vorarbeit war dafür nötig:
    "Also man kann sich das so vorstellen, wir haben im Frühjahr den ganzen Schnee, der im Winter gefallen ist, den haben wir zu Depots, zu riesigen Schneehaufen zusammengeführt und mit einem Fließ abgedeckt und jetzt sind wir seit gut einem Monat beschäftigt, dass wir das Ganze zurückbauen."
    Schnee aus Depots
    Der Schnee aus den Depots mit rund 50 000 Kubikmeter wurde in den vergangenen Wochen auf der gut 100 Meter breiten Rennpiste ausgebracht. 100 Meter, weil die Technik und die Sicherungszäune bereits einen großen Anteil der Piste einnehmen, zudem sollen Zuschauer parallel zur Rennpiste den Hang neben den Rennläufern hinunterfahren können. Noch liegen Geröll und Steine neben dem fest gewalzten Kunstschneestreifen:
    "Man sieht ja, es ist jetzt eine halbwegs ebene Fläche und mit dem können wir jetzt gut arbeiten. Ab heute Nacht wird es kühler, somit können wir mit der Beschneiung beginnen und zur Sicherheit schneien wir noch ein bisschen nach mit den Maschinen und dann sind wir eigentlich total safe und dann kommen die Absperrzäune, die ganze Verkabelung für die Technik und so weiter und dann ist eine eine Woche rum und wir haben schon das Rennen."
    Sturm oder Regen wäre schlimmer
    Zu keinem Zeitpunkt sei die Austragung des Skiweltcups in Gefahr gewesen, beteuert Rennleiter Rainer Gstrein, seit 25 Jahren verantwortlich für den reibungslosen Ablauf des Programms. Es hätte schon schlimmere Situationen gegeben. Nur wenige Male musste er den alpinen Skiweltcup-Auftakt in seiner Karriere absagen: 2006 wegen mangelndem Schnee, 2010 wegen Regen und 2017 musste der alpine Ski-Weltcup-Auftakt der Herren wegen Sturm dran glauben. Man habe den Starttermin noch nie verschieben wollen, da der Oktober, im Gegensatz zum November oder Dezember, das stabilste Wetter anbiete. Das könnte sich jetzt nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre und vor allem von diesem Jahr ändern, so Gstrein:
    "Ich glaube, dass sich die FIS damit beschäftigt, dass das ganze Prozedere, der Auftakt, aber auch die ganzen Europacup- und FIS-Rennen ein wenig zurück verlegt werden, vielleicht um zehn Tage, so kann man dem gut entgegensteuern."
    Klima ändert sich
    Die Entwicklung des Klimas wird in ganz Tirol kritisch gesehen. Viel zu trockene Sommer, Regen am Gletscher - die traditionell groß gefeierten Saisoneröffnungsparties von Ischgl, Sölden, Kitzbühel oder auch Hochgurgl können nur noch dank teurer Schneedepots und Kunstschnee eingehalten werden. Tirols Grünenpolitiker kritisieren die Aufrüstung am Berg, nicht nur für Sportevents, sondern für den normalen Skibetrieb. So eröffnete Kitzbühel am 13. Oktober aus wirtschaftlichen Gründen zwei schmale Schneezungen inmitten grüner Wiesen am Resterkogel. Man wisse überhaupt nicht, wie lange das noch gut gehe, so Georg Kaltschmid von den Grünen.
    In Sölden bereitet man sich seit Jahren mit eigens angelegten Singletrails für Radfahrer darauf vor, oben am Rettenbachgletscher empfängt eine große Mountainbike-Skulptur den Gast. Der Skiweltcup ist jedoch nicht verhandelbar.
    In den vergangenen Jahren hätte man aufgrund der klimatischen Bedingungen die Teams teilen und auf zwei nacheinander startende Trainingseinheiten aufteilen müssen, um den Schnee zu schonen, erklärt Rennchef Gstrein. Aber kein Problem.
    Das amerikanische Team reiste bereits am Donnerstag an. Die Schneesituation vor Ort sei in Ordnung, meint Paul Kristofic, Teamchoach der amerikanischen Frauenmannschaft:
    "Klar, der Sommer war extrem heiß, wir haben den Gletscher noch nie so offen gesehen wie dieses Jahr, Schnee für das Training ist aber da, die Verantwortlichen von Sölden machen einen guten Job, um die Piste zu präparieren, wir können uns auf ein Team verlassen, das viel Erfahrung hat."
    Situation weltweit ähnlich
    Auf der Trainingspiste müssten die Läufer auf kleine Felsen und Steine achten, das sei vor allem für das Material anspruchsvoll, so Kristofic. Aber die Situation sei mittlerweile fast an allen Trainingsorten weltweit ähnlich. An eine Absage des Skiweltcups hätte seine Mannschaft nie gedacht:
    "Das ist nun mal ein Outdoorsport, wir sind lange genug dabei und haben viel erlebt. Die Bedingungen ändern sich, nicht nur in Europa, auch in Nordamerika, in Neuseeland, wo wir regelmäßig trainieren. Zum Beispiel in Chile war es diesen Sommer extrem schwierig, weil der Schnee fehlte und es viel zu warm war. Das sind die Zeichen der Zeit, überall wird es wärmer, wir machen das Beste aus dem was da ist, müssen flexibel sein. Diese klimatischen Veränderungen gibt es an vielen Orten."
    Mitte kommende Woche soll es bis auf 2000 Meter hinunter schneien, für die Piste eher schlecht, weil dann der Naturschnee auf den Kunstschnee trifft und extra verteilt werden muss, aber Pistenchef Isidor Grüner lässt sich nicht entmutigen:
    "Heuer war es extremer, keine Frage, man sieht es ja immer noch, es sieht jetzt nicht sehr gut aus, aber es ist alles machbar und mit den Schneefällen in der nächsten Woche können wir gut dealen damit und da dürften schöne Bilder entstehen."