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Start-up setzt auf Nachhaltigkeit
"Streetcycled" - Design aus Straßenschildern

Oberstufenschüler als Manager, Produktentwickler, Controller und Vertriebler – das geht, wenn man ein Schülerunternehmen gründet. Das Start-up "Streetcycled" ist so ein Unternehmen. Ihr Geschäftsmodell: schickes Design aus Altmetall.

Von Klaus Lockschen | 03.08.2018
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    Erst Straßenschild, dann Beistelltisch - Objekte von "Streetcycled" (Deutschlandradio / Streetcycled)
    "Am Anfang war die Uhr, und dann kamen die anderen Produkte."
    Der 16-jährige Tom Kuster ist Unternehmer. Zusammen mit elf weiteren Mitschülerinnen und -schülern des Düsseldorfer Max-Planck-Gymnasiums betreibt er die Schülerfirma "Streetcycled". Die Geschäftsidee: Aus ausrangierten Gegenständen etwas Sinnvolles gestalten, neudeutsch: upcyceln.
    Entstanden ist das Projekt im Fach Sozialwissenschaften mit Unterstützung der Initiative Junior vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Ein ganzes Jahr lang sind die Oberstufler Manager, entwickeln Ideen, organisieren, entscheiden und arbeiten wie in einem echten Unternehmen. Jeder nach seiner Neigung: vom Vorstand über Marketing, Vertrieb, Finanzen bis zur Pressesprecherin.
    "Es ist eben so, dass man am Anfang eine Geschäftsidee entwickeln muss, etwas Innovatives. Zum Beispiel wir hatten von Anfang an das Ziel, etwas Nachhaltiges zu schaffen. Und bei uns war das so, dass uns aufgefallen ist, dass jeder Lehrer dieselbe Ikea-Uhr hat."
    Kommentiert Patrick Reichel, 17 Jahre alt und Geschäftsführer der Firma, die beim Start mit 900 Euro über Anteilsscheine von Lehrern, Eltern und weiteren Interessenten kapitalisiert wurde.
    In der Fahrstunde die zündende Idee
    Nicht von Armbanduhren ist die Rede, sondern von Wanduhren in den Klassenräumen.
    "Und da dachten wir, da könnte man doch originellere Uhren machen. Wir haben erst mal nach Sachen gesucht, die quasi rund sind und die man wiederverwerten kann. Da ist man erst so auf Schallplatten gekommen, aber das gab´s schon öfter, dass Schallplatten zu Uhren verarbeitet wurden. Und dann sind wir auch irgendwann, weil wir alle im Führerschein drinstecken gerade, sind wir auf die Straßenschilder gekommen."
    In den städtischen Bauhöfen und Autobahnmeistereien wurden sie fündig. Ausgediente Aluschilder gab's zum Schrottpreis. Mit der Patina von der Straße – jedes ein Unikat.
    Produktionshilfe in der Berufsschule
    Berthold Henle, kurz Berti, Marketing-Mann – oder besser: Marketing-Schüler - bei "Streetcycled", umreißt den Start im elterlichen Garten:
    "Zuerst haben wir bei mir zu Hause angefangen zu produzieren, aber wir haben uns sehr schwergetan, zum Beispiel beim Bohren und bei anderem. Deswegen haben wir eine Kooperation gestartet mit dem Franz-Jürgens-Berufskolleg. Und dort haben sie eben die gewissen Produktionsmittel, die wir verwenden können, um unsere Schilder zu knicken oder zu bohren."
    Die erste Veredelung im Herbst vergangenen Jahres erhielt ein Halteverbotsschild, es wurde zum Ziffernblatt. Mit anfänglicher Unterstützung durch Berufsschullehrer liefen die Arbeitsprozesse schnell professioneller ab. Da wagte sich die Gruppe auch an andere Schilderformate ran.
    "Wir haben dann aus viereckigen Schildern Garderoben gemacht, kleine und große aus den Einbahnstraßenschildern. Aus allen dreieckigen Schildern haben wir Beistelltische gemacht und aus den etwas größeren runden Schildern haben wir unsere Tabletts gemacht."
    Erst Straßenschild, dann Beistelltisch
    Letztere sind die aufwendigsten, weil geschnitten und geknickt werden muss. Aus Tempolimitschildern gefertigt, haben sie sich zu Bestsellern gemausert, eignen sie sich doch gut als Präsent für runde Geburtstage. 30 Euro kosten die soliden Teile.
    "Wir haben die Preise durch value pricing festgelegt, das heißt, wir sind zu Beginn des Projektjahres in die Straßen gegangen und haben eine Marktumfrage gemacht, das heißt, wir sind zu Leuten gekommen, haben unsere Produkte gezeigt und gefragt, wie viel sie bereit wären, für die Produkte zu bezahlen. Und hieraus haben wir eben unseren Preis ermittelt."
    Die Preiskalkulation ist demokratisch fair. Das teuerste Stück geht für 60 Euro.
    "Zum Beispiel bei der kleinen Garderobe, Materialwert erst mal, da zahlen wir den Schrottpreis, das ist ungefähr 70 Cent pro Kilo. Heißt, das ist relativ gering, dann kommen natürlich noch die Haken dazu. Aber wir verkaufen das dann für 35 Euro. Das heißt, wir haben eine Gewinnmarge, die relativ gut ist, die liegt so bei 70 Prozent."
    Kalkulation im Klassenzimmer
    Wovon allerdings Ausgaben etwa für Marketing, Messeauftritte, Flyer, Visitenkarten und Fahrtkosten zu begleichen sind. Und Lohnkosten.
    "Wir zahlen uns selber einen Stundenlohn von 50 Cent. Das ist eher symbolisch gemeint. Der ist auch von Junior so vorgegeben, da können wir nichts dran ändern."
    Was dann noch übrig bleibt, geht an die Düsseldorfer Verkehrswacht.
    Vier Stunden pro Monat sind alle mit der unmittelbaren Produktion beschäftigt. Aber täglich sind für die Firma Aufgaben in Hintergrund zu erledigen, hinzu kommt das wöchentliche Plenum. Mittlerweile sind an die 200 Teile verkauft, viele über den Onlineshop, aber auch über zwei Düsseldorfer Läden.
    Dass die Geschäftsidee eingeschlagen ist, bezeugen auch die erhaltenen Auszeichnungen: Landessieger der Schülerfirmen in NRW und im Bundeswettbewerb Platz zwei. Zudem noch ein Sonderpreis für ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit.
    Jetzt, nach einem Jahr, ist die geplante Laufzeit von Streetcycled um.
    "Die Zeit, in der das Projekt über Junior sozusagen überwacht wird, ist vorbei. Und bei uns, da das Projekt eigentlich sehr erfolgreich war, gibt´s auch Interesse unter den Schülern natürlich, das Unternehmen weiterzuführen."
    Eine weitere Idee, die dann umgesetzt werden könnte, wäre,"internationale Schilder zu kriegen, zum Beispiel amerikanische Schilder wären sehr interessant, um daraus auch die Möbel zu machen, um noch mal eine größere Varietät in der Produktpalette zu haben und noch mehr Kunden anzusprechen".
    Aber erst einmal freuen sich die Firmenlenker auf ihre Betriebs-, sprich Schulferien. Es geht unter anderem nach Singapur und Großbritannien. Davonschweben vom unüberhörbar nahen Düsseldorfer Flughafen. Im Steigflug wohl ein Blick auf ihre Schule und den einen oder anderen Gedanken an die Projektzeit. Viel Spaß hat die gemacht, sagen sie unisono.