Archiv

Start-Up-Szene
Arbeit soll Spaß machen

Je größer ein Unternehmen wird, desto mehr geht die Aufbruchstimmung der Gründerjahre verloren. Und damit auch das wohlige Gefühl, an etwas Besonderem teilzuhaben. Immer mehr Unternehmen setzen deshalb auf sogenannte Feelgood-Manager, die das Ziel verfolgen: Arbeit soll sich nicht wie Arbeit anfühlen.

Von Wolf-Sören Treusch |
    Russische Frauen probieren "Schwerelos-Yoga" aus.
    Immer mehr Unternehmen setzen auf eine Wohlfühlatmosphäre und bieten ihren Mitarbeitern zum Beispiel Yogastunden in der Firma an. (dpa / Denis Vyshinsky)
    "Wie geht es Dir, Jeremy?", fragt die Lehrerin. "Gut, gut, last week, ich bin krank", antwortet Jeremy. Lehrerin: "Du warst krank?"
    Mittagspause bei Wooga, einem der wichtigsten Vertreter der schnell wachsenden Start-Up-Szene in Berlin. Hier werden Online-Spiele entwickelt. Jeremy Kool aus Sydney, Australien, ist seit sieben Monaten dabei. Gerade nimmt er an der neuesten Aktion von Wooga teil: German in Motion. In lockerer Atmosphäre und unter fachlicher Anleitung Yogaübungen machen und dabei Deutsch lernen.

    Jeremy Kool erzählt, er lerne auch zuhause deutsch, und er ginge ins Fitnessstudio, aber das hier sei doch eine prima Gelegenheit, beides während der Arbeit miteinander zu verbinden: das sei gut.
    Wohlfühlatmosphäre mit Niveau
    Eine Wohlfühlatmosphäre schaffen mit Niveau. Das ist eine der Kernaufgaben von Janina Cußmann, Feelgood-Managerin bei Wooga. Deutschunterricht sei wichtig, sagt sie. Unternehmenssprache ist zwar englisch, aber viele der zahlreichen internationalen Mitarbeiter wollen Deutsch lernen. Und zwar nicht nur vor oder nach der Arbeit. Cußmann: "Warum nicht mal mitten am Tag, so in der Mittagspause, und da kam von unserer Deutschlehrerin die Idee: ‚ja, da sind die Leute aber eigentlich immer so ein bisschen energielos, da müssen wir irgendwas machen, um die zu energetisieren', und dann ist uns halt die Idee mit German in Motion gekommen. Und wenn wir die leuchtenden Augen sehen, wenn die Leute hier rauskommen, dann fühlen wir uns belohnt genug.
    Hinterher fühle er sich super, sagt Jeremy Kool. Sein Kopf schmerze dann zwar mehr als sein Körper, weil Deutsch zu lernen ziemlich schwierig sei, aber ja: es mache Spaß.
    Lehrerin: "Okay, cool. Hast du gesehen, wie du immer weiter runterkamst?" Jeremys Augen sind die einzigen, die heute leuchten. Normalerweise kommen mehr, aber das schöne Wetter scheint viele nach draußen getrieben zu haben. Den Mitarbeitern etwas zu bieten, was sie nicht überall finden - das ist die große Herausforderung für Wooga. Vor fünf Jahren ging das Unternehmen an den Start, mittlerweile arbeiten hier 250 Mitarbeiter aus 40 verschiedenen Nationen. Tendenz steigend.
    Immer mehr Firmen beschäftigen Feelgood-Manager
    "Jetzt haben wir eigene Wooga-Wohnungen, holen diejenigen vom Flughafen ab, überreichen den Schlüssel und dann dürfen die 6-8 Wochen kostenlos inklusive Internet und allem dort wohnen. Und das ist feelgood", sagt Gitta Blatt, Personalchefin bei Wooga. Sie beschäftigt drei Mitarbeiterinnen, die sich darum kümmern, dass sich die Kolleginnen und Kollegen wohl fühlen. Sie organisieren innerbetriebliche Kennenlernspiele und Partys, aber sie helfen auch bei Behördengängen, bei der Eröffnung eines Bankkontos oder der Wohnungssuche.
    Das Berufsbild des Feelgood-Managers gibt es in Deutschland seit knapp drei Jahren. Etwa ein Dutzend Betriebe greift auf ihre Dienste zurück. Doch es werden mehr. Umfragen unter Studierenden haben ergeben, dass den meisten bei der Wahl des Arbeitgebers ein freundschaftliches Arbeitsklima wichtiger sei als das Gehalt. Blatt: "Junge Menschen wissen heute, wie sie sich entwickeln möchten und was sie sich unter ihrer Karriere vorstellen. Und sie haben eine so große Erwartungshaltung an den Arbeitgeber, dass Arbeitgeber, wenn sie wie vor zehn oder zwanzig Jahren ticken, das heute nicht mehr bedienen können. Und diese Talente nicht bekommen werden. Und das ist richtig Arbeit. Feelgood ist richtig harte Arbeit".
    Gespräche über die Karriereentwicklung
    Dazu gehören dann natürlich auch regelmäßige Gespräche zur Karriereentwicklung. Perfekte Arbeitsbedingungen und eine Wohlfühlatmosphäre zu schaffen, ist schon allein deshalb wichtig, weil der Fachkräftemangel auch im IT-Business groß ist. Die Geschäftsleitung steht hinter dem Konzept, sagt Janina Cußmann: "Wir bekommen auch den Raum, dass wir einfach verschiedene Sachen ausprobieren können. Und gucken können, wie das ankommt. Viele Firmen bieten einfach schon geschnittenes Obst an in der Küche oder freie Getränke. Aber das ist inzwischen so basic, dass man sich da immer neue Sachen ausdenken muss, um tatsächlich auch ein bisschen aus der Masse rauszustechen."