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Status Quo der CDU
Amthor (CDU): "Wir müssen Geschlossenheit zeigen"

Die CDU sollte weniger Personaldiskussionen führen und stattdessen sachlich ihre Versprechen abarbeiten, sagte CDU-Politiker Philipp Amthor im Dlf. Die CDU habe es nicht geschafft, viele AfD-Anhänger zurückzugewinnen. Die Partei habe rechts der Mitte eine Repräsentationslücke, die sich andere zunutze machten.

Philipp Amthor im Gespräch mit Christoph Heinemann |
Philipp Amthor (CDU), Mitglied des Bundestages, spricht mit Buergern im Rahmen der Abschlussveranstaltung des CDU-Wahlkampfes in Leipzig, 30.08.2019.
Die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sollte als Thema vorangestellt werden, sagte CDU-Politiker Philipp Amthor im Dlf (imago / Florian Gaertner)
Christoph Heinemann: Am Telefon ist Philipp Amthor, CDU-Bundestagsabgeordneter, Wahlkreis Mecklenburgische Seenplatte – Vorpommern-Greifswald. Guten Morgen!
Philipp Amthor: Schönen guten Morgen aus Vorpommern!
Heinemann: Herr Amthor, Sie haben Frank Capellan gehört. Warum sozialdemokratisiert Friedrich Merz gerade die CDU?
Amthor: Ich würde jetzt absehen von einseitigen Schuldzuweisungen. Ich glaube, in die eine wie in die andere Richtung waren die Personaldiskussionen und Debatten der letzten Tage sicherlich nicht hilfreich. Ich finde, die Analyse ist richtig, die CDU leidet nicht an einem Zuwenig an Personaldiskussion, sondern wir sollten über das diskutieren, was eigentlich im Vordergrund stehen sollte, nämlich eine kritische, thematische und sachliche Diskussion. Die Wähler wollen keine Selbstbeschäftigung, aber Selbstkritik ist trotzdem angebracht, denn die CDU hat in den letzten Monaten es jedenfalls nicht geschafft, eine Schubumkehr zu erzielen und wieder zuzulegen in der Wählergunst, das muss sich ändern. Das schaffen wir aber sicherlich nicht über unendliche Personaldiskussionen.
Heinemann: Die Selbstbeschäftigung findet gerade laut statt. Welchen Wert haben Kommentare alter weißer Männer von der Seitenauslinie?
Amthor: Ich würde es jetzt nicht irgendwie auf das Alter abstellen, das sage ich Ihnen aus eigener leidiger Erfahrung als junger Abgeordneter. Ich glaube, jede Kritik, die irgendwie an Alter und Äußerlichkeiten ansetzt, geht fehl. Deswegen würde ich es daran nicht festmachen, sondern an der inhaltlichen Aussage, und ich glaube, darüber müssen wir viel mehr diskutieren. Jedenfalls der Außeneindruck, dass es um Persönliches und um Selbstbeschäftigung geht, der in die eine wie in die andere Richtung zum Teil erzielt wurde, der ist nicht hilfreich.
"Selbstbeschäftigung hat die SPD schon genug gemacht"
Heinemann: Und der wird heute nicht besser, denn die "Bild"-Zeitung berichtet, die Parteifreunde Merz, Spahn und Laschet wollten die Kanzlerkandidatur von Annegret Kramp-Karrenbauer verhindern. Wie weit sind die drei?
Amthor: Ich kommentiere jetzt hier nicht jede Berichterstattung …
Heinemann: Schade!
Amthor: Am Ende geht es darum, dass ich glaube, wie gesagt, im Vordergrund muss jetzt nicht eine Personaldiskussion stehen, sondern wir müssen eines analysieren, auch im Nachgang zur Thüringen-Wahl. Ich war dort vor Ort im Einsatz, und wenn man sich die Nachwahlbefragung anschaut, die Leute kritisieren doch nicht, dass wir uns zu wenig mit uns selbst beschäftigt haben, sondern es hat inhaltliche Gründe. Und da müssen wir sehen, die Unregierbarkeit des Landes in Thüringen liegt vor allem daran, dass die AfD so stark zugelegt hat. Und wir haben immer noch ein Problem damit, dass wir anders, als wir es uns vorgenommen haben, viele AfD-Wähler noch nicht zurückgewinnen konnten und noch nicht überzeugen konnten, und das trotz Höcke, trotz der Lage mit dem Rechtsextremismus. Deswegen muss für uns klar sein, wir müssen die programmatische Lücke, die es immer noch ein Stück weit Mitte-rechts gibt, noch weiter schließen.
Heinemann: Vielleicht ja auch trotz Kramp-Karrenbauer. Die "Bild"-Zeitung – ich komme noch mal drauf zurück – berichtet auch über eine Absprache zwischen der Kanzlerin und Annegret Kramp-Karrenbauer. Sollte die schwarz-rote Koalition enden, dann werde Angela Merkel die Kanzlerkandidatur der CDU-Vorsitzenden unterstützen. Herr Amthor, wie lange wird dieses Hauen und Stechen in der CDU-Führung noch weitergehen?
Amthor: Ja, ich hoffe, dass das möglichst bald endet, diese öffentlichen Diskussionen nutzen uns nicht. Ansonsten, was Absprachen zwischen Frau Kramp-Karrenbauer und Frau Merkel betrifft, müssen Sie die beiden fragen. Ich glaube jedenfalls, beide eint entgegen dieser Berichterstattung der Wunsch, dass diese Koalition nicht frühzeitig endet, sondern dass wir das machen, was die Wähler von uns erwarten, nämlich sachlich Versprechen abarbeiten und den Koalitionsvertrag einlösen. Die Selbstbeschäftigung hat die SPD eigentlich schon genug gemacht, da sollten wir jetzt nicht noch in diesen Chor der Selbstbeschäftigung einstimmen.
"Der Koalitionsvertrag hat dort eine klare Sprache"
Heinemann: Warum ist das Erscheinungsbild der Bundesregierung grottenschlecht?
Amthor: Jetzt kann man über einzelne Begriffe streiten. Ich würde mir diesen jetzt nicht zu eigen machen, will aber gleichwohl sagen, Selbstkritik ist angezeigt. Ich hab eingangs darauf hingewiesen, es ist uns nicht gelungen, die notwendige Schubumkehr einzuleiten und in den Umfragewerten wieder zuzulegen. Die CDU hat ein Potenzial weit jenseits der 30 Prozent, und genau dahin müssen wir wieder kommen. Wir müssen sehen, dass wir mit vielen unserer Projekte nicht durchgedrungen sind. Es ist aber auch nicht nur scheinbar ein Kommunikationsproblem, sondern es muss auch inhaltliche Gründe haben. Ich würde sagen, insbesondere das Thema Strukturverlust im ländlichen Raum, heimatbezogene Innenpolitik, Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, was wir uns groß auf die Fahnen geschrieben haben, damit sind wir noch nicht so durchgedrungen, wie wir uns das wünschen. Deswegen würde ich darauf setzen, dass wir genau dieses Thema voranstellen, denn das ist eines der Hauptgründe, die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse, weshalb viele auch zur AfD gegangen sind, auch bei den zurückliegenden Wahlen im Osten, und deswegen müssen wir dieses Thema jetzt engagiert angehen.
Heinemann: Angegangen werden ja nicht mehr einmal die heißen Eisen - Frank Capellan hat das eben genannt: Streit um die Grundrente und eine Sicherheitszone in Syrien. Wo war da die Kanzlerin?
Amthor: Die Kanzlerin, auch für die gilt der Koalitionsvertrag - in dem Sinne hoffe ich auch, dass sie die Frage der Grundrente interpretiert. Für uns muss doch klar sein, aus meiner Sicht relativ klar sein jedenfalls, der Koalitionsvertrag hat dort eine klare Sprache. Die Bedürftigkeitsprüfung ist nicht irgendwie Schikane von irgendwem, sondern sie ist eine Gerechtigkeitsprüfung. Und ich sage ganz deutlich, die Mythen, die jetzt erzählt werden, die Wahl in Thüringen wäre anders ausgegangen, wenn man nur möglichst große Wahlgeschenke bei der Grundrente verteilt hätte, das glaube ich nicht, sondern selbst in Thüringen war den Leuten klar, es kann nicht sein, dass ohne Bedürftigkeitsprüfung vielleicht der Handwerker oder die Friseurin aus Ostdeutschland eine Grundrente für eine Zahnarztgattin bezahlt, die eigentlich gar nichts braucht. Deswegen würde ich an der Stelle sagen, die Bedürftigkeitsprüfung, die steht nicht nur im Koalitionsvertrag, die ist auch inhaltlich richtig, die muss kommen. Und Syrien ist natürlich genauso ein Thema, was man komplex diskutieren muss - der Vorstoß als solcher ist richtig, wie er jetzt realistisch umgesetzt werden kann, steht auf einem anderen Blatt Papier.
"Signal von programmatischer Breite zeigen"
Heinemann: Das mit der Grundrente steht ja in Ziffer 4270 oder in Zeile 4270 des Koalitionsvertrages. Voraussetzung für den Bezug der Grundrente ist eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung. Wie würde sich das für die CDU-Wählerschaft oder auf die Wählerschaft wirken, wenn die Union bei diesem Thema einknicken würde?
Amthor: Ich sehe das nicht nur aus der Perspektive der CDU-Wählerschaft, sondern aus der Frage, was ist objektiv sinnvoll, was ist gerecht, was ist überzeugend. Ich habe schon darauf hingewiesen, dass es nicht sein kann, dass wir gerade aus Ostdeutschland viele Leute, die nur geringe Beiträge zahlen, dass wir diese Beiträge hernehmen, um eine Grundrente jetzt für Leute auszuschütten, die die gar nicht brauchen. Deswegen muss es darum gehen, dass diese Grundrente, die hart ausverhandelt wurde mit der Bedürftigkeitsprüfung im Koalitionsvertrag, dass das auch umgesetzt wird. Und ich sehe keinen Grund und ich habe noch nicht plausibel erfahren, weshalb man das verändern sollte.
Heinemann: Herr Amthor, als sich die CDU zuletzt zum Parteitag in Leipzig versammelte, da hatten Sie gerade die Grundschule hinter sich. Damals, 2003, kündigte Friedrich Merz das Ende der Sozialdemokratisierung der CDU an. Wünschten Sie sich das für den bevorstehenden CDU-Parteitag in der sächsischen Messestadt?
Amthor: Na ja, zwischendurch- kleine Randnotiz - traf sich die CDU noch mal in Leipzig, das war mein erster Bundesparteitag, da hatte ich immerhin schon mal das Abitur gemacht.
Heinemann: Glückwunsch.
Amthor: Das nur als kleine Randnotiz. Am Ende ist es, glaube ich, wichtig, dass wir beim Leipziger Parteitag auch ein Signal von Geschlossenheit zeigen, aber auch ein Signal von programmatischer Breite zeigen, denn klar sein muss doch – und ich glaube, das hat das Wahlergebnis in Thüringen auch deutlich gezeigt -, dass wir zwar richtigerweise aus der Mitte Politik denken, aber rechts der Mitte nach wie vor ein Problem haben mit einer Repräsentationslücke, die sich andere zunutze machen. Und diese Lücke, die müssen wir schließen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.