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Staus bei den Spielen

Klaus Steinbach, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees (NOK), hat Verkehrsprobleme bei den Olympischen Winterspielen in Turin kritisiert. "Die Zuführung zu den Sportstätten lässt sicherlich an der einen oder anderen Stelle zu wünschen übrig", sagte er. Die Probleme werde es voraussichtlich während der gesamten Spiele geben.

10.02.2006
    Bettina Klein: Erwartungen an die Olympischen Winterspiele, die heute Abend in Turin beginnen. Dazu begrüße ich jetzt den Präsidenten des Nationalen Olympischen Komitees, Klaus Steinbach. Schönen guten Morgen!

    Klaus Steinbach: Schönen guten Morgen Frau Klein nach Deutschland!

    Klein: Bei den letzten Winterspielen, Herr Steinbach, war Deutschland auf Rang zwei hinter Norwegen. Mal gleich zu Beginn gefragt: Wo sehen Sie die Athleten am Ende der diesjährigen Spiele?

    Steinbach: Wenn ich diese Fähigkeiten hätte, in die Zukunft zu schauen, könnte ich damit eine Menge Geld verdienen. Das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass unsere Mannschaft sehr gut vorbereitet ist, dass sie sich im Olympischen Dorf sehr, sehr wohl fühlt und dass sie auch hoch leistungsbereit sind. Ich kann mir auch erwarten, dass unsere Mannschaft sicherlich in der Gesamtaddition aller Ergebnisse – das ist ja die Nationenwertung – am Ende, denke ich mal, im vorderen Feld mit dabei ist. Es gibt einige Nationen, die mit uns gleichzeitig dort landen können. Da denken wir zuerst an Norwegen, an die USA, an Kanada, an Russland und möglicherweise auch noch an Österreich. Das werden so die Nationen sein, die wahrscheinlich die meisten Medaillen sammeln.

    Klein: Es gab noch gestern einige Probleme bei den Olympia-Anlagen in Norditalien bis hin zu Verkehrsproblemen in den engen Serpentinen. Wie zufrieden sind Sie heute mit dem Stand der Vorbereitungen?

    Steinbach: Wir erwarten durch die gesamten Olympischen Spiele noch Probleme. Darauf sind wir mittlerweile alle eingestellt, alle Nationen. Aber grundsätzlich – das hören wir auch von den Fachverbänden - die Sportstätten an sich sind sehr gut. Die Zuführung zu den Sportstätten lässt sicherlich an der einen oder anderen Stelle zu wünschen übrig. Ich habe gestern alleine von Turin nach Sestriere zweieinviertel Stunden gebraucht. Man sagte uns, das sei locker in eineinhalb Stunden erreichbar. Daran erkennen Sie aber schon, dass wir nicht nur über gesperrte Straßen fahren, sondern dass wir uns ganz normal in den Autobahnverkehr in Italien einreihen müssen und dann irgendwann mal über kleine Serpentinenstraßen in die Berge kommen müssen. Das wird sicherlich schwierig, aber wir haben die Rahmenbedingungen dafür geschaffen. Das heißt, also unsere Athleten sind quasi überall in der Nähe ihrer Sportstätten untergebracht. Dafür werden ja auch insgesamt drei Olympische Dörfer zur Verfügung gestellt in Turin, in Sestriere und in Bardonecchia.

    Klein: Sie sagen, Sie haben für gute Bedingungen gesorgt. Am lautesten beklagt hat sich gestern Georg Hackl, unter anderem über zu kleine Umkleidekabinen, über beschädigte Kufen durch den Schmutz auf den Bahnen. Wie ernst nehmen Sie das?

    Steinbach: Ich habe das sehr ernst genommen. Ich bin nämlich selber rausgefahren zur Bob- und Rodelbahn und konnte mich davon überzeugen, dass diese Kritik berechtigt ist. Das ist nicht nur eine Kritik der deutschen Mannschaft, sondern das ist internationale Kritik. Ich habe mir auch den Vorbereitungsraum, die Umkleidekabinen angeschaut. Da hat man doch tatsächlich für alle Athleten einen etwa 20, 25 Quadratmeter großen Umkleide-Warmhalteraum vorgehalten und für wenige italienische Rodler einen Raum, der größer ist als der Raum der gesamten restlichen Athleten. Da habe ich auch Georg Hackl verstanden, dass er das nicht akzeptiert. Ich denke mal, man wird dort auch Abhilfe schaffen, denn das wird über die Bob- und Rodelwettbewerbe sicherlich nicht toleriert werden.

    Klein: Der Tag der Eröffnung der Spiele in Turin, Herr Steinbach, begann mit einer schlechten Nachricht für das deutsche Team. Die Skilangläuferin Evi Sachenbacher-Stehle wird beim Auftaktrennen in Turin übermorgen nicht dabei sein. Grund: zu hohe Hämoglobin-Werte, zu denen sie wohl neigt, weshalb sie in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung bekommen hat. Der internationale Skiverband ist dem aber nicht gefolgt. Wie schwer wiegt diese Entscheidung?

    Steinbach: Diese Entscheidung ist noch keine endgültige Entscheidung. Grundsätzlich kann ich Ihnen als Arzt und ehemaliger Hochleistungssportler sagen, dass Athleten, die in der Höhe ihre Wettkämpfe bestreiten müssen, also auf rund 1800 Meter Höhe, sich gewissenhaft natürlich auch in Höhentrainingslagern entsprechend vorbereiten. Der Körper passt sich dann auf diese Höhe entsprechend an. Das würde er bei Ihrem und meinem Körper ebenfalls tun. Schon bei einem eintätigen Besuch in der Höhe würde hier eine Anpassung passieren. Es ist nicht nur ein Wert bei Evi Sachenbacher aufgefallen, sondern es sind sieben weitere Athletinnen aus verschiedenen Nationen aufgefallen. Hier muss sich der Weltskiverband überlegen - das tun sie auch, heute Morgen wird noch eine Sitzung sein -, wie sie diese Werte interpretieren. Denn hier stellt man eine offensichtlich normale Reaktion des Körpers auf die Höhe fest. Das ist ja nichts Neues. Die Wissenschaft weiß das.

    Was ich wirklich nicht korrekt finde ist, wenn so eine Serienauffälligkeit bei einer ganzen Reihe von Sportlerinnen sofort nach der ersten Messung ohne eine Kontrollmessung bereits namentlich in der Öffentlichkeit bekannt gegeben wird. Da sollte sich der Weltskiverband doch Gedanken machen, ob er damit seinem Sport nicht einen zu großen Schaden zufügt, wenn er nicht eigentlich besser diese Messwerte erst einmal kontrollieren lässt und im Rahmen der medizinischen Kommission auch diskutiert. Das soll heute Vormittag passieren. Von daher ist noch keine endgültige Entscheidung gefallen und wir müssen die Entscheidung abwarten. Es ist keine Kontrolle der Welt-Anti-Doping-Agentur oder der medizinischen Kommission des IOC, sondern hier hat der Weltskiverband eine eigene Kontrolle durchgeführt.

    Klein: Wenn ich es richtig verstehe: Zu hohe Hämoglobin-Werte können Zeichen eines Blut-Dopings sein, aber auch auf natürliche Weise zu Stande kommen, wie Sie es gerade beschrieben haben. Das muss aber doch jetzt ganz schnell herausgefunden werden. Ist das möglich überhaupt in so kurzer Zeit?

    Steinbach: Das ist möglich und alle diese Athletinnen oder Athleten, durchweg Spitzenleute, haben sich sehr, sehr gewissenhaft in einem Höhentraining vorbereitet, sind ganz kurz runter gegangen von der Höhe und jetzt wieder rauf auf die Höhe. Das heißt also der Körper hat eine Mehrfach-Kurzzeit-Adaptation an Höhe und Meeresniveau-Lagen hinter sich. Das Rüberkommen mit dem Auto, das Rüberfliegen bedeutet natürlich wieder Meeresniveau. Dann geht es wieder in die Höhe. Der Körper hat hier Anpassungsreaktionen. Jeder Körper hat das. Das ist ein Zeitraum von 48 bis 72 Stunden. In dieser Zeit dann zu kontrollieren, ist ein hohes Risiko für Fehlmessungen. Das wird mit Sicherheit heute Morgen diskutiert.

    Klein: Doping, Herr Steinbach, ist immer wieder zumindest theoretisch ein Thema bei Olympia. Sie haben es gerade angesprochen. Die Welt-Anti-Doping-Agentur hat die Kontrollen übernommen. Die harten italienischen Anti-Doping-Gesetze werden erst mal nicht zur Anwendung kommen. Dennoch befürchten Sie mögliche Razzien italienischer Behörden im deutschen Lager zum Beispiel?

    Steinbach: Es ist angekündigt, dass die italienische Polizei bei einem begründeten Verdacht des Mitführens von unerlaubten Medikamenten eingreift, bei einem begründeten Verdacht! Da hat die italienische Polizei auch das Recht dazu. Grundsätzlich werden aber sämtliche Kontrollen in Übereinstimmung mit den italienischen Behörden hier im Auftrag der WADA, Welt-Anti-Doping-Agentur, durchgeführt, und so laufen die Kontrollen. Jetzt hat in diesem Fall der Weltskiverband noch mal separat Kontrollen durchgeführt, und da fragt man sich natürlich auch: Warum stimmt man das nicht miteinander ab. Das sind aber Fragen, die werden heute im Laufe des Vormittags mit Sicherheit umfänglich diskutiert. Dann wird man Wege finden, denn eine einfache Testung des Weltverbandes hat nichts mit einem klassischen Doping-Kontrollsystem zu tun, denn dort werden ja grundsätzlich A- und B-Proben abgenommen. Das ist in diesem Fall nach meinem Kenntnisstand jetzt auch nicht der Fall gewesen.

    Klein: Entscheiden die italienischen Behörden eigentlich völlig autonom, wann sie eine Razzia zum Beispiel für sinnvoll halten oder nicht?

    Steinbach: Selbstverständlich!

    Klein: Was passiert denn, wenn egal jetzt ob im deutschen oder in einem anderen Lager Dopingverdacht auftritt, Dopingfälle wo möglich entdeckt werden? Womöglich werden diese Sportler dann nach italienischen Gesetzen zur Rechenschaft gezogen?

    Steinbach: Fragen wir erst mal nicht nach der Rechenschaftsziehung, sondern fragen wir, wie dieser Prozess vorgeht. Das sieht so aus: bei einem begründeten Verdacht – und ich betone das immer noch mal gerne, begründeten Verdacht – kommt die Polizei in ein Quartier eines Sportlers oder Betreuers, wie auch immer, und hat das Recht, dort die Wohnung, das Zimmer, die Taschen und was auch immer, die Behältnisse dort zu durchsuchen und dann bei einem positiven Fund gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen, aber so weit sind wir längst noch nicht.

    Klein: Und die Konsequenzen wären natürlich viel gravierender als nach anderen Gesetzgebungen anderer Nationen?

    Steinbach: Ja, die Gesetzgebung in Italien ist hier sehr streng. Man hat aus Erfahrungen des Giro d'Iatlia, aus dem Radsport, hier seinerzeit die Konsequenzen gezogen. Tatsache ist aber, dass es bis heute nicht zu einer einzigen dieser Durchsuchungen gekommen ist.

    Klein: Stichwort Gen-Doping. Herr Steinbach, wie weit sind wir von einer regelmäßigen Anwendung dieser Art der Manipulation noch entfernt?

    Steinbach: Wie weit wir davon entfernt sind, kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen. Wir sind davon aber noch entfernt. Es ist nach dem Kenntnisstand unserer Wissenschaftler nicht damit zu rechnen, dass diese Methoden, die ja noch in Vorstadien von Tierversuchen sind, hier oder auch sonst wo in der Welt im Sport zur Anwendung kommen, denn sie bergen immerhin das Risiko, dass man eine solche Methode, eine solche Anwendung nicht überlebt.

    Klein: Welche Möglichkeiten sehen Sie, das zu verhindern?

    Steinbach: Die Möglichkeiten bestehen darin, dass die Welt-Anti-Doping-Agentur damit beschäftigt ist, die ja schon sehr intensiv daran arbeitet, entsprechende Kontrollmethoden serienfest zu machen, dass sie bald in der Lage ist, dieses zu kontrollieren. Tatsache ist, dass Gen-Doping schon seit Jahren auf der Verbotsliste steht.

    Klein: Klaus Steinbach, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. Danke für das Gespräch und viel Erfolg in Turin, Herr Steinbach!

    Steinbach: Ich danke Ihnen vielmals, dass wir am Ende noch mal zu den Erfolgen der Mannschaft kommen. Danke!