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Stegner kritisiert Schäuble

Der Innenminister von Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in der Debatte um die Terrorabwehr mangelnde Besonnenheit vorgeworfen. Der SPD-Politiker sagte, er selbst sei nicht grundsätzlich gegen Maßnahmen wie die Online-Durchsuchung von Computern. Bevor jedoch vorschnell ein Gesetz durchgebracht werde, sei sorgfältig zu prüfen, ob diese Durchsuchungen notwendig, praktikabel und verfassungsgemäß seien.

Moderation: Dirk Müller | 10.09.2007
    Dirk Müller: Die Innenminister waren vergangenen Freitag auf ihrer Sondersitzung nach den vereitelten Terroranschlägen kurz vor dem Ziel. Sie hatten sich bereits darauf geeinigt, Aufenthalte in Terrorcamps künftig unter Strafe stellen zu wollen. Fehlte noch: ein klares Ja zu Online-Durchsuchungen. Doch ein Mann blockierte, blieb bei seinem Nein: Ralf Stegner, Innenminister in Schleswig-Holstein, SPD. Dabei signalisieren auch immer mehr Sozialdemokraten: Wir machen mit bei den Computertrojaner. So waren viele Ministerkollegen wohl richtig sauer auf Ralf Stegner, der jetzt am Telefon ist, guten Morgen.

    Ralf Stegner: Guten Morgen Herr Müller.

    !Müller: Herr Stegner, wollen Sie Verhinderer von mehr Sicherheit sein?

    Ralf Stegner: Überhaupt nicht und dass wir das gar nicht ins Auge fassen können, sieht man ja schon daran, dass wir eine ganze Menge gemacht haben. Denken Sie an das gemeinsame Terrorabwehrzentrum, denken sie an die Anti-Terror-Datei und vor allen Dingen haben wir es hier ja gerade mit einem Fahndungserfolg zu tun. Die Polizei hat über Monate zwischen Bund und Ländern diese schwierige Operation ja mit großem Erfolg zu Ende geführt. Deswegen bin ich ein bisschen verwundert darüber, dass, kaum ist das erfolgt - und man kann ja wirklich sagen, unsere Sicherheitsbehörden arbeiten ganz hervorragend - schon kommen die nächsten Forderungen nach Gesetzesverschärfungen. Ich rate nur dazu, dieses etwas besonnener und mit kühlem Kopf zu tun und nicht wenn morgens was passiert schon mittags die Antworten zu haben, welche Gesetze verändert und verschärft werden.

    Müller: Also ist der Bundesinnenminister demnach nicht besonnen.

    Stegner: Ich glaube in diesem Punkt tatsächlich nicht, denn schauen Sie, es geht mir ja gar nicht darum zu sagen, der Computer sei nun was ganz Besonderes und der sei nun irgendwie heilig, im Gegensatz zu Telefonüberwachung oder Wohnraumüberwachung oder anderen Dingen, die wir machen. Das ist nicht der Punkt und wir müssen auch alles tun, um gefährlichen Terroristen das Handwerk zu legen. Aber ich finde schon, dass wenn man in solchen Dingen Gesetze macht, wo es ja nicht um Kleinigkeiten geht, dass man mindestens die Kategorien, dass das notwendig ist, dass es praktikabel ist, also auch funktioniert und dass es unserer Verfassung entspricht, dass diese drei Dinge dann auch erfüllt werden. Das mag ein bisschen altmodisch sein, und kommt vielleicht auch nicht immer in der Öffentlichkeit so gut an, aber das halte ich für erforderlich. Wir sind nämlich alle für die innere Sicherheit verantwortlich, aber eben auch für unsere Verfassungsordnung und dafür, dass wir das, was wir machen, auch zielgerichtet tun.

    Müller: Könnte man jetzt provokativ zurückfragen: Gehen Sie denn davon aus, dass die Unionsinnenminister gegen die Verfassung verstoßen wollen?

    Stegner: Ich gehe eher davon aus, dass man da ein bisschen lax ist und denkt, das kommt beim Publikum gut an, wenn ich sage, ach das - die Leute haben doch nichts zu verbergen, lass uns das doch mit den Computern machen. Man muss aber doch die Nebenwirkung betrachten. Schauen Sie, Notwendigkeit heißt, dass ich sagen muss, wofür will ich das eigentlich? Will ich das zur Strafverfolgung, brauche ich das für den Verfassungsschutz, brauche ich das für die Gefahrenabwehr. Und praktikabel heißt, ich muss doch dann davon ausgehen, dass Terroristen nicht zu Hause am Computer sitzen, sondern die benutzen einmal Handys, die sie wegwerfen, die sind in Online- und Internetcafes und ich will ja damit nicht ein paar senile Pornografen fangen, sondern ich will gefährliche Terroristen fangen und die gucken sehr genau hin, was wir tun. Und ich bin eher bestürzt darüber, welche Ermittlungsergebnisse, die wir haben, da veröffentlicht worden sind in den großen Zeitungen. Ich frage mich, wo das eigentlich her kommt. Also wir sollten nicht so tun, als hätten wir es mit Amateuren zu tun, und deswegen muss man schon hinsehen, was ist eigentlich erforderlich und was funktioniert auch, damit wir diese hochgefährlichen Terroristen und diejenigen, die versuchen hier Anschläge zu verüben auch bekommen und nicht fürs Publikum formulieren nach dem Motto, je markiger die Forderung, um so besser. Von Menschen, die für Sicherheit zuständig sind, verlangt man, glaube ich mehr und das richtige Körperteil, dieses zu tun ist eben der Kopf und nicht der Bauch und das ist mein einziger Punkt und nebenbei bemerkt, ich habe da die Haltung der sozialdemokratischen Kollegen vertreten und stand keineswegs alleine. Nur dachte man da, das geht heute ganz schnell mal so eben springen wir mal mit der Sache um, egal, was die Verfassung dazu sagt und so geht das eben nicht.

    Müller: Herr Stegner, wir blicken nach vorne. Gehen wir davon aus, dass Terroristen auch in Deutschland künftig noch cleverer noch intelligenter Anschläge vorbereiten und dann gegebenenfalls auch versuchen natürlich konkret umzusetzen. Alles das, was Sie jetzt argumentiert haben, dass es gefährlicher wird, dass es komplexer wird, warum spricht das ausgerechnet gegen diese Trojaner im PC?

    Stegner: Es spricht jedenfalls dafür, dass wir, wenn wir das machen - und ich bin ja gar nicht aus Prinzip dagegen - dass wir einen Weg finden, dass es auch funktioniert, dass es nicht Ankündigungspolitik ist und nicht Kraftmeierei. Also zum Beispiel bin ich auch dafür, dass wir Vorbereitungshandlungen bestrafen, das heißt, wenn jemand sich ausbilden lässt, um Bomben zu basteln, dann darf das nicht straffrei sein. Ich weiß aber, wie schwer das ist, das verfassungskonform so hinzubekommen, dass man es auch nachweisen, dass wir die Bundesjustizministerin vorschlagen müssen. Ich bin auch dafür, dass man das mehr einschränkt, dass man sich solche Chemikalien beschaffen darf. Also ich teile da den Vorschlag, den Frau Zypries gemacht hat. Und wenn wir einen Weg finden, dass wir tatsächlich an Computerkommunikation herankommen, die wirklich zur Vorbereitung von Terrorhandlungen dient, dann bin ich sehr dafür. Aber ich bin dagegen, mal so eben die Kanone auszurichten, um mal zu gucken, ob dabei was hängen bleibt und die ganz notwendigen Fragen gar nicht geklärt zu haben.

    Müller: Herr Stegner, dann haben viele Sie ja offenbar dann falsch verstanden. Sie sagen also jetzt hier heute morgen im Deutschlandfunk zum Thema Online-Untersuchung, wenn ich das zusammenfassen darf: Wir können das machen, wenn es geht.

    Stegner: Ich sage, wir können das machen, wenn die Notwendigkeit nachgewiesen ist, wenn es praktikabel ist und wenn es verfassungskonform ist.

    Müller: Alle Experten, BKA beispielsweise, fordert das. Warum wollen die das?

    Stegner: Also dass natürlich Sicherheitsbehörden und gerade das Bundeskriminalamt so etwas immer fordern, das ist ja wahr. Die Politik muss aber trotzdem abwägen. Ich sage noch mal: Wir haben es ja nicht nur damit zu tun, alles was technisch möglich ist zu tun, sondern auch abzuwägen, ob es den Zweck erfüllt und natürlich auch die Verfassungsrechte. Herr Schäuble ist auch Verfassungsminister. Ich kann nicht eben mal sagen, ja gut, schauen wir mal, denn sehen Sie, wir haben gerade ein Gesetz aus Nordrhein-Westfalen für Online-Untersuchungen beim Verfassungsschutz dort. Das liegt beim Bundesverfassungsgericht. Da kommt der Spruch im März. Da wird jetzt gefordert, wir sollten doch eben mal loslegen mit der Gesetzgebung und wenn dann Karlsruhe was anderes sagt, dann können wir das ja immer noch ändern. Was ist das für ein Umgang mit unserem höchstem Gericht und mit solchen Dingen, die ja nun nicht gerade Peanuts sind, sondern wo wir über wirklich große Eingriffe reden. Nein, ich bin für Besonnenheit bei dieser Frage, ich bin dafür, alles für die Sicherheit zu tun, aber eben nicht Schnellschüsse.

    Müller: Herr Stegner, wenn ich Sie noch unterbrechen darf, es ist ja nun äußerst umstritten, in wie weit die Politik immer warten soll, bis Gerichte entscheiden. Aber noch eine Frage zum Schluss. Können Sie die Informationen, die am Wochenende lanciert wurden, bestätigen, wonach Unionspolitiker behauptet haben, dass dieser Fahndungserfolg auch auf Zusammenarbeit mit den amerikanischen Geheimdiensten zurückgeht und die haben genau das getan, was viele hier wollen, nämlich die Computer durchspäht?

    Stegner: Auch da wir mir ein bisschen viel Interviewpolitik dabei. Viele haben sich geäußert, die solche Kenntnisse nicht haben. Wir wussten seit Monaten darüber, wie diese Operation gewesen ist. Es gab auch Informationen aus amerikanischen Quellen, wir arbeiten mit anderen Geheimdiensten ja auch selbstverständlich zusammen. Aber die Behauptung, die hätten das nur mit den Online-Durchsuchungen gemacht, die wir hier dringend brauchen, die ist Unfug. Und manches wird eben wirklich nur mit Blick auf Wirkung formuliert. Ich sage noch mal, wir müssen mehr für Sicherheit tun, wir müssen die Polizei auf den neuesten technischen Standard bringen, aber bitte ohne Verfassungsprinzipien zu beseitigen. Und Solidität geht da wirklich vor Schnelligkeit und das Bundesverfassungsgericht kommt ja schon im März. Das ist ja nicht ewig, das dauert ja nicht ewig. Ich sage nicht, die Gesetzgebung soll warten auf das Bundesverfassungsgericht, wir sollen schon selbst die Gesetze machen, aber wir sollen die Grundsätze beachten und wir lassen uns hier nicht eine Debatte aufdrücken nach dem Motto, die Konservativen sind für schärfere Maßnahmen und die Sozialdemokraten sorgen nicht für genug innere Sicherheit. Das ist eine grobe Verzerrung. Ich rate hier dazu, nicht Parteipolitik zu machen, sondern unserer Verantwortung gerecht zu werden. Das was nötig ist, soll getan werden, aber bitte solide und nicht mit Schnellschüssen und mit Interviewpolemik.