Dirk Müller: Am Telefon ist jetzt Ralf Stegner, SPD-Landes- und Fraktionschef in Schleswig-Holstein, guten Morgen!
Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Stegner, haben Sie tatsächlich Erinnerungslücken?
Stegner: Nein, die habe ich überhaupt nicht und ich vermute, Herr Kubicki ist der einzige Mann auf der Welt, der die Weltwirtschaftskrise und Finanzkrise vorhergesehen hat, die ja weltweit nun da ist und der sicherlich auch als Mitglied im Beirat der Bank, was er seit zehn Jahren ist, überall kluge Vorschläge dazu gemacht hat, dass es zu dieser Krise nicht kommt, die sind zwar nicht aktenkundig, aber er hat das bestimmt gemacht. Nein, ich halte das nicht für besonders seriös, wir reden ja wirklich über eine Situation, die sich vor einem Jahr noch keiner vorstellen konnte, dass Milliarden in Haushalte geschossen werden, dass Banken verstaatlicht werden, dass wir weltweit ein Problem haben von Wirtschafts- und Finanzkrise. Die ist nun wirklich nicht in Kiel ausgelöst worden oder in Hamburg. Richtig ist aber: Wir haben eine extrem schwierige Situation, und da hat man nicht die Wahl zwischen guten und schlechten Alternativen, sondern in vielen Bereichen eher zwischen Pest und Cholera.
Müller: Sie waren ja auch Finanzminister. Welche Mitverantwortung tragen Sie?
Stegner: Es ist ja so, dass man sagen muss: Die Bank hat doch früher gute Geschäfte gemacht, sie ist Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung - das wird man nicht, wenn man keine guten Produkte hat und das wird man auch nicht, wenn man seine Geschäfte auf Kiel und Neumünster beschränkt, sondern da ist man eben weltweit tätig. Insofern möchte ich den Politiker sehen, der sagen könnte, er hätte immer alles richtig gemacht. Aber zu sagen, man hätte diese Weltwirtschaftskrise verhindern können als Landespolitiker aus Schleswig-Holstein und damit die Folgen für die Bank - ich glaube, das ist ein bisschen eine Nummer zu groß. Das ist wie gesagt eher die Größenordnung, in der Herr Kubicki gerne operiert, aber weitgehend in der virtuellen Welt und nicht in der richtigen.
Müller: Gehen wir doch - Herr Stegner, Sie haben das selbst vorgeschlagen - von der globalen Welt tatsächlich konkret zur Nordbank, konkret auch zu Ihrer Rolle in Kiel. Was haben Sie falsch gemacht?
Stegner: Ich glaube gar nicht, dass es jetzt möglich sein wird, da einen Schuldigen auszumachen, der die Situation der HSH Nordbank verursacht hat. Die HSH Nordbank ist wie alle anderen Banken - und ich glaube übrigens, dass das die privaten Banken genauso trifft wie die staatlichen - in der Situation, wo Märkte zusammenbrechen, wo Staaten wie Island pleite gehen, wo man Vertrauensverluste erleidet und wo es dann auch so ist, dass die, die dann vielleicht auch schwächer sind in der Struktur, was die Eigentümer angeht - Schleswig-Holstein ist ja ein sehr armes Land -, ganz schnell in Schwierigkeiten kommen. Und dieses Rettungspaket, was jetzt geschnürt wird, das ist in Teilen ja auch deswegen notwendig, weil die Alternative, eine Bank kaputtgehen zu lassen, ja sofort dazu führen würde, dass Milliarden sofort bezahlt werden müssten aus den Haushalten, alle Arbeitsplätze weg wären und die Folgen für die Wirtschaft verheerend, das ist ja wie ein Dominospiel. Wenn eine Bank kaputtgeht, dann leiden darunter Unternehmen, dann gehen Arbeitsplätze weg, da werden Garantien aufgekündigt. Das kann man nicht verantworten. Gleichzeitig warne ich nicht nur vor der Schwarzseherei, sondern auch vor der rosaroten Brille. Kein Mensch weiß, wann die Finanzkrise zu Ende ist. Ich fürchte, wir werden eine Rezession haben, die uns noch eine ganze Weile beschäftigt, und deswegen kann man auch nicht wissen, wie das hier weitergeht. Deswegen gehöre ich auch zu denjenigen, die gesagt haben, es wäre klug, wenn wir den Bund auf Sicht mit in die Verantwortung bekommen würden und nicht glauben, wir können das provinziell lösen.
Müller: Das haben viele von Ihnen gefordert, selbst die Opposition, der Bund soll mithelfen. Der tut das nicht, weil es Altlasten gibt, das heißt, irgendwas muss doch auch vor 2008, vor der Weltwirtschaftskrise bei der Nordbank schiefgelaufen sein. Wissen Sie, was?
Stegner: Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann, sondern es ist so, dass sie längerfristige Geschäfte haben und das betrifft nicht nur die HSH Nordbank, ich sage das noch mal. Gucken Sie mal, welche Verluste die Deutsche Bank auch anzumelden hat und andere Banken, Hypo Real Estate und viele andere Banken, die das betrifft, die anderen Landesbanken alle auch. In Amerika sind viele Banken verschwunden. Ich glaube nicht, dass man das in einzelnen Geschäften beschreiben kann. Richtig ist aber, dass vieles, was man international gemacht hat, sich jetzt offenkundig als etwas erwiesen hat, was nicht funktioniert. Das operative Geschäft machen Vorstände, die werden zwar kontrolliert nicht nur von Aufsichtsräten, sondern da gibt es immer testierte Bilanzen, die werden von Wirtschaftsprüfern, die werden von Fachleuten geprüft. Das kann Politik im Detail überhaupt gar nicht. Und deswegen, glaube ich, geht es jetzt weniger darum, zu versuchen, einen Buhmann dafür zu finden, sondern verantwortlich mit der Situation umzugehen. Und was den Bund angeht, noch mal: Der kann rechtlich leider im Augenblick nicht helfen, was die Altlasten angeht. Ich halte es aber nicht für klug, von vornherein zu sagen, man will gar nicht mit dem Bund operieren, sondern ich glaube, erstens muss man sich das Regelwerk im Gesetz noch mal angucken und zweitens, glaube ich: Auf Sicht wird man den Bund brauchen. Das ist jedenfalls die Haltung, die die SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag hat. Wir sollten nicht - nur weil wir glauben, der Bund hat dann zu viel Einfluss oder womöglich, weil Manager fürchten, dass dann ihre Gehälter beschnitten werden - meinen, man muss den Bund da draußen halten. Und das ist ohnehin ein Punkt, wo ich sagen muss, wir haben jetzt Forderungen, die dahin gehen, zu sagen: Das strenge Regelwerk, wenn man da schon Milliardengarantien gibt, muss dann auch dazu führen, dass Vorstandsgehälter beschnitten werden, dass Boni nicht mehr gezahlt werden und dass wir möglichst auch keine betriebsbedingten Kündigungen haben, denn hier geht es auch um eine Menge Arbeitsplätze von Mitarbeitern dieser Bank, die das nun wirklich nicht verursacht haben.
Müller: Herr Stegner, ich muss noch ein paar Fragen loswerden. Arbeitsplätze, das Stichwort haben Sie jetzt selbst genannt. Seit wann macht die SPD beim Abbau von Arbeitsplätzen mit?
Stegner: Nein. Wir wollen keine betriebsbedingten Kündigungen. Wir reden jetzt ja über eine Milliardengarantie und auch direkte Kapitalspritzen, die wirklich nicht von den Bankmitarbeitern verursacht worden ist. Da müssen eher die Topmanager abspecken und da muss man sozialverträgliche Wege finden. Das ist eine unserer hauptsächlichen Prioritäten.
Müller: Stimmt das nicht, dass über 1000 Arbeitsplätze in den nächsten Jahren abgebaut werden sollen?
Stegner: Es ist angekündigt, dass das verringert werden soll, teilweise weltweit, teilweise auch in Schleswig-Holstein und Hamburg, und unsere Forderung ist - und ich habe mit dem Betriebsrat gesprochen in dieser Woche -, dass das ohne betriebsbedingte Kündigungen geht, das muss möglich sein, und neben dem, dass wir wünschen, dass die Belastung für den Landeshaushalt minimiert werden in der Zukunft ist das eindeutig ein ganz wesentliches Kriterium für jede Lösung. Und ich füge ein drittes Kriterium hinzu: Wir dürfen keine Lösungen haben, die uns in die Sackgasse führen, also weder eine ruinöse Konkurrenz zu den Sparkassen mit dem neuen Geschäftsmodell, noch darf es zu einer Situation kommen, wo wir in der Sackgasse landen, denn wir werden wohl weniger Landesbanken in der Zukunft haben, als das heute der Fall ist.
Müller: Aber Sie unterstützen den Abbau von Arbeitsplätzen?
Stegner: Ich unterstütze nicht den Abbau von Arbeitsplätzen, sondern ich nehme zur Kenntnis, dass es offenkundig Arbeitsplatzabbau hier gibt und ich weise darauf hin, dass das sozialverträglich erfolgen muss und dass es ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen muss. Leider haben wir die Situation ja auch in der Automobilbranche, bei großen Firmen und überall sonst. Von Unterstützung dafür kann überhaupt gar keine Rede sein.
Müller: Und danach übernimmt der Staat dann die Verantwortung für diejenigen, die den Job verloren haben.
Stegner: Aus meiner Sicht muss es darum gehen, bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise diejenigen zu beteiligen an der Refinanzierung all dieser Garantien, die das entweder ausgelöst haben - ich bin zum Beispiel für eine Börsenumsatzsteuer -, oder aber die, die hohe Vermögen und Einkommen haben. Mit einer privaten Vermögenssteuer und mit höheren Spitzensteuersätzen kann das refinanziert werden, nicht von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die wirklich mit dieser Wirtschafts- und Finanzkrise nichts zu tun haben, die sonst aber die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen diejenigen eingebracht haben, die immer gegen Staatskontrollen waren und die für freien Markt gewesen sind. Der Marktradikalismus hat uns das hier alles eingebrockt, ich will das noch mal deutlich sagen, bevor Sie die Politik kritisieren. Nicht die Politik hat die Krise ausgelöst, sondern demokratische Politik muss das jetzt auslöffeln, was andere ausgelöst haben.
Müller: Herr Stegner, aber es hat ja Politiker gegeben ... Sie waren ja auch im Aufsichtsrat, das heißt: Die Politik hat auch eine Kontrollfunktion gehabt. Die hat nicht funktioniert.
Stegner: In diesem Aufsichtsrat haben auch Unternehmensvertreter gesessen und andere. Ich bezweifle, dass man das operative Geschäft kontrollieren kann durch das Handeln im Aufsichtsrat. Wir nehmen testierte Gutachten zur Kenntnis. Das hat hier niemand vorhergesehen und das nicht nur in Schleswig-Holstein nicht, sondern auch nicht in Bayern, nicht in Nordrhein-Westfalen, nicht in Amerika und sonstwo. Man macht es sich zu einfach, wenn man das so sieht.
Müller: Ja und jetzt soll die Politik das plötzlich können, jetzt ist die Politik kompetent zu kontrollieren?
Stegner: Ja, wer soll das denn sonst machen, will ich Sie mal gerne fragen? Die Politik muss doch gerade dafür sorgen, dass das in Ordnung gebracht wird, was diejenigen angerichtet haben, die sich jetzt hier großartig brüsten. Herr Westerwelle hat im Bundestag im letzten Jahr noch gesagt, Kontrolle von Finanzindustrie, das sei wie DDR ohne Zäune. Und die Leute brüsten sich jetzt und hauen sich auf die Schenkel. Ich muss wirklich sagen, manches, was hier zurzeit öffentlich stattfindet, ist wirklich eine Scharade. Wir reden darüber, dass wir die Folgen aufzuräumen haben von Marktradikalismus und Versagen, und Spitzenmanager, die sehr weich fallen im Gegensatz zu den Beschäftigten. Und da, finde ich, ist die Kritik an die Adresse der Politik allenfalls in der Weise berechtigt, dass nicht hart genug kontrolliert worden ist, aber das lag nun wirklich nicht an der SPD. Es war Gerhard Schröder, der in Gleneagles angefangen hat, sowas zu fordern. Das ist an anderen gescheitert, weiß Gott nicht an der SPD.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen Ralf Stegner, SPD-Landes- und Fraktionschef in Kiel. Viele Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Müller!
Müller: Herr Stegner, haben Sie tatsächlich Erinnerungslücken?
Stegner: Nein, die habe ich überhaupt nicht und ich vermute, Herr Kubicki ist der einzige Mann auf der Welt, der die Weltwirtschaftskrise und Finanzkrise vorhergesehen hat, die ja weltweit nun da ist und der sicherlich auch als Mitglied im Beirat der Bank, was er seit zehn Jahren ist, überall kluge Vorschläge dazu gemacht hat, dass es zu dieser Krise nicht kommt, die sind zwar nicht aktenkundig, aber er hat das bestimmt gemacht. Nein, ich halte das nicht für besonders seriös, wir reden ja wirklich über eine Situation, die sich vor einem Jahr noch keiner vorstellen konnte, dass Milliarden in Haushalte geschossen werden, dass Banken verstaatlicht werden, dass wir weltweit ein Problem haben von Wirtschafts- und Finanzkrise. Die ist nun wirklich nicht in Kiel ausgelöst worden oder in Hamburg. Richtig ist aber: Wir haben eine extrem schwierige Situation, und da hat man nicht die Wahl zwischen guten und schlechten Alternativen, sondern in vielen Bereichen eher zwischen Pest und Cholera.
Müller: Sie waren ja auch Finanzminister. Welche Mitverantwortung tragen Sie?
Stegner: Es ist ja so, dass man sagen muss: Die Bank hat doch früher gute Geschäfte gemacht, sie ist Weltmarktführer in der Schiffsfinanzierung - das wird man nicht, wenn man keine guten Produkte hat und das wird man auch nicht, wenn man seine Geschäfte auf Kiel und Neumünster beschränkt, sondern da ist man eben weltweit tätig. Insofern möchte ich den Politiker sehen, der sagen könnte, er hätte immer alles richtig gemacht. Aber zu sagen, man hätte diese Weltwirtschaftskrise verhindern können als Landespolitiker aus Schleswig-Holstein und damit die Folgen für die Bank - ich glaube, das ist ein bisschen eine Nummer zu groß. Das ist wie gesagt eher die Größenordnung, in der Herr Kubicki gerne operiert, aber weitgehend in der virtuellen Welt und nicht in der richtigen.
Müller: Gehen wir doch - Herr Stegner, Sie haben das selbst vorgeschlagen - von der globalen Welt tatsächlich konkret zur Nordbank, konkret auch zu Ihrer Rolle in Kiel. Was haben Sie falsch gemacht?
Stegner: Ich glaube gar nicht, dass es jetzt möglich sein wird, da einen Schuldigen auszumachen, der die Situation der HSH Nordbank verursacht hat. Die HSH Nordbank ist wie alle anderen Banken - und ich glaube übrigens, dass das die privaten Banken genauso trifft wie die staatlichen - in der Situation, wo Märkte zusammenbrechen, wo Staaten wie Island pleite gehen, wo man Vertrauensverluste erleidet und wo es dann auch so ist, dass die, die dann vielleicht auch schwächer sind in der Struktur, was die Eigentümer angeht - Schleswig-Holstein ist ja ein sehr armes Land -, ganz schnell in Schwierigkeiten kommen. Und dieses Rettungspaket, was jetzt geschnürt wird, das ist in Teilen ja auch deswegen notwendig, weil die Alternative, eine Bank kaputtgehen zu lassen, ja sofort dazu führen würde, dass Milliarden sofort bezahlt werden müssten aus den Haushalten, alle Arbeitsplätze weg wären und die Folgen für die Wirtschaft verheerend, das ist ja wie ein Dominospiel. Wenn eine Bank kaputtgeht, dann leiden darunter Unternehmen, dann gehen Arbeitsplätze weg, da werden Garantien aufgekündigt. Das kann man nicht verantworten. Gleichzeitig warne ich nicht nur vor der Schwarzseherei, sondern auch vor der rosaroten Brille. Kein Mensch weiß, wann die Finanzkrise zu Ende ist. Ich fürchte, wir werden eine Rezession haben, die uns noch eine ganze Weile beschäftigt, und deswegen kann man auch nicht wissen, wie das hier weitergeht. Deswegen gehöre ich auch zu denjenigen, die gesagt haben, es wäre klug, wenn wir den Bund auf Sicht mit in die Verantwortung bekommen würden und nicht glauben, wir können das provinziell lösen.
Müller: Das haben viele von Ihnen gefordert, selbst die Opposition, der Bund soll mithelfen. Der tut das nicht, weil es Altlasten gibt, das heißt, irgendwas muss doch auch vor 2008, vor der Weltwirtschaftskrise bei der Nordbank schiefgelaufen sein. Wissen Sie, was?
Stegner: Ich glaube nicht, dass man das so sagen kann, sondern es ist so, dass sie längerfristige Geschäfte haben und das betrifft nicht nur die HSH Nordbank, ich sage das noch mal. Gucken Sie mal, welche Verluste die Deutsche Bank auch anzumelden hat und andere Banken, Hypo Real Estate und viele andere Banken, die das betrifft, die anderen Landesbanken alle auch. In Amerika sind viele Banken verschwunden. Ich glaube nicht, dass man das in einzelnen Geschäften beschreiben kann. Richtig ist aber, dass vieles, was man international gemacht hat, sich jetzt offenkundig als etwas erwiesen hat, was nicht funktioniert. Das operative Geschäft machen Vorstände, die werden zwar kontrolliert nicht nur von Aufsichtsräten, sondern da gibt es immer testierte Bilanzen, die werden von Wirtschaftsprüfern, die werden von Fachleuten geprüft. Das kann Politik im Detail überhaupt gar nicht. Und deswegen, glaube ich, geht es jetzt weniger darum, zu versuchen, einen Buhmann dafür zu finden, sondern verantwortlich mit der Situation umzugehen. Und was den Bund angeht, noch mal: Der kann rechtlich leider im Augenblick nicht helfen, was die Altlasten angeht. Ich halte es aber nicht für klug, von vornherein zu sagen, man will gar nicht mit dem Bund operieren, sondern ich glaube, erstens muss man sich das Regelwerk im Gesetz noch mal angucken und zweitens, glaube ich: Auf Sicht wird man den Bund brauchen. Das ist jedenfalls die Haltung, die die SPD-Fraktion im schleswig-holsteinischen Landtag hat. Wir sollten nicht - nur weil wir glauben, der Bund hat dann zu viel Einfluss oder womöglich, weil Manager fürchten, dass dann ihre Gehälter beschnitten werden - meinen, man muss den Bund da draußen halten. Und das ist ohnehin ein Punkt, wo ich sagen muss, wir haben jetzt Forderungen, die dahin gehen, zu sagen: Das strenge Regelwerk, wenn man da schon Milliardengarantien gibt, muss dann auch dazu führen, dass Vorstandsgehälter beschnitten werden, dass Boni nicht mehr gezahlt werden und dass wir möglichst auch keine betriebsbedingten Kündigungen haben, denn hier geht es auch um eine Menge Arbeitsplätze von Mitarbeitern dieser Bank, die das nun wirklich nicht verursacht haben.
Müller: Herr Stegner, ich muss noch ein paar Fragen loswerden. Arbeitsplätze, das Stichwort haben Sie jetzt selbst genannt. Seit wann macht die SPD beim Abbau von Arbeitsplätzen mit?
Stegner: Nein. Wir wollen keine betriebsbedingten Kündigungen. Wir reden jetzt ja über eine Milliardengarantie und auch direkte Kapitalspritzen, die wirklich nicht von den Bankmitarbeitern verursacht worden ist. Da müssen eher die Topmanager abspecken und da muss man sozialverträgliche Wege finden. Das ist eine unserer hauptsächlichen Prioritäten.
Müller: Stimmt das nicht, dass über 1000 Arbeitsplätze in den nächsten Jahren abgebaut werden sollen?
Stegner: Es ist angekündigt, dass das verringert werden soll, teilweise weltweit, teilweise auch in Schleswig-Holstein und Hamburg, und unsere Forderung ist - und ich habe mit dem Betriebsrat gesprochen in dieser Woche -, dass das ohne betriebsbedingte Kündigungen geht, das muss möglich sein, und neben dem, dass wir wünschen, dass die Belastung für den Landeshaushalt minimiert werden in der Zukunft ist das eindeutig ein ganz wesentliches Kriterium für jede Lösung. Und ich füge ein drittes Kriterium hinzu: Wir dürfen keine Lösungen haben, die uns in die Sackgasse führen, also weder eine ruinöse Konkurrenz zu den Sparkassen mit dem neuen Geschäftsmodell, noch darf es zu einer Situation kommen, wo wir in der Sackgasse landen, denn wir werden wohl weniger Landesbanken in der Zukunft haben, als das heute der Fall ist.
Müller: Aber Sie unterstützen den Abbau von Arbeitsplätzen?
Stegner: Ich unterstütze nicht den Abbau von Arbeitsplätzen, sondern ich nehme zur Kenntnis, dass es offenkundig Arbeitsplatzabbau hier gibt und ich weise darauf hin, dass das sozialverträglich erfolgen muss und dass es ohne betriebsbedingte Kündigungen gehen muss. Leider haben wir die Situation ja auch in der Automobilbranche, bei großen Firmen und überall sonst. Von Unterstützung dafür kann überhaupt gar keine Rede sein.
Müller: Und danach übernimmt der Staat dann die Verantwortung für diejenigen, die den Job verloren haben.
Stegner: Aus meiner Sicht muss es darum gehen, bei der Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise diejenigen zu beteiligen an der Refinanzierung all dieser Garantien, die das entweder ausgelöst haben - ich bin zum Beispiel für eine Börsenumsatzsteuer -, oder aber die, die hohe Vermögen und Einkommen haben. Mit einer privaten Vermögenssteuer und mit höheren Spitzensteuersätzen kann das refinanziert werden, nicht von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die wirklich mit dieser Wirtschafts- und Finanzkrise nichts zu tun haben, die sonst aber die Suppe auslöffeln müssen, die ihnen diejenigen eingebracht haben, die immer gegen Staatskontrollen waren und die für freien Markt gewesen sind. Der Marktradikalismus hat uns das hier alles eingebrockt, ich will das noch mal deutlich sagen, bevor Sie die Politik kritisieren. Nicht die Politik hat die Krise ausgelöst, sondern demokratische Politik muss das jetzt auslöffeln, was andere ausgelöst haben.
Müller: Herr Stegner, aber es hat ja Politiker gegeben ... Sie waren ja auch im Aufsichtsrat, das heißt: Die Politik hat auch eine Kontrollfunktion gehabt. Die hat nicht funktioniert.
Stegner: In diesem Aufsichtsrat haben auch Unternehmensvertreter gesessen und andere. Ich bezweifle, dass man das operative Geschäft kontrollieren kann durch das Handeln im Aufsichtsrat. Wir nehmen testierte Gutachten zur Kenntnis. Das hat hier niemand vorhergesehen und das nicht nur in Schleswig-Holstein nicht, sondern auch nicht in Bayern, nicht in Nordrhein-Westfalen, nicht in Amerika und sonstwo. Man macht es sich zu einfach, wenn man das so sieht.
Müller: Ja und jetzt soll die Politik das plötzlich können, jetzt ist die Politik kompetent zu kontrollieren?
Stegner: Ja, wer soll das denn sonst machen, will ich Sie mal gerne fragen? Die Politik muss doch gerade dafür sorgen, dass das in Ordnung gebracht wird, was diejenigen angerichtet haben, die sich jetzt hier großartig brüsten. Herr Westerwelle hat im Bundestag im letzten Jahr noch gesagt, Kontrolle von Finanzindustrie, das sei wie DDR ohne Zäune. Und die Leute brüsten sich jetzt und hauen sich auf die Schenkel. Ich muss wirklich sagen, manches, was hier zurzeit öffentlich stattfindet, ist wirklich eine Scharade. Wir reden darüber, dass wir die Folgen aufzuräumen haben von Marktradikalismus und Versagen, und Spitzenmanager, die sehr weich fallen im Gegensatz zu den Beschäftigten. Und da, finde ich, ist die Kritik an die Adresse der Politik allenfalls in der Weise berechtigt, dass nicht hart genug kontrolliert worden ist, aber das lag nun wirklich nicht an der SPD. Es war Gerhard Schröder, der in Gleneagles angefangen hat, sowas zu fordern. Das ist an anderen gescheitert, weiß Gott nicht an der SPD.
Müller: Bei uns im Deutschlandfunk heute Morgen Ralf Stegner, SPD-Landes- und Fraktionschef in Kiel. Viele Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.