Oliver Thoma: Ralf Stegner ist SPD-Chef in Schleswig-Holstein, war lange Finanz- und dann Innenminister in diesem Land und hat auch ein Steuermodell entwickelt, wie man das Steuersystem in Deutschland drastisch vereinfachen könnte. Mit ihm sprechen wir jetzt. Schönen guten Morgen, Herr Stegner!
Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Thoma!
Thoma: Ihre Vorschläge sind schon ein paar Jahre alt, und Sie waren ja auch nicht der Einzige, der das System in Deutschland drastisch vereinfachen wollte. Liegt es daran, dass wir zu komplizierte Steuervorschriften haben, dass man seine Millionen so leicht ins Ausland bringen kann?
Stegner: Das ist sicherlich einer der Gründe, weil wir natürlich teilweise wirklich ein System haben, wo diejenigen, die ganz besonders viel Geld verdienen oder hohe Einnahmen haben, sich buchstäblich arm rechnen können. So ein normaler Arbeitnehmer kann das ja überhaupt gar nicht. Der kriegt das abgezogen automatisch vom Lohn, und darüber wird dann sogar noch gestritten, bei der Entfernungspauschale und solchen Dingen. Und jemand, der ganz besonders viele Mittel hat, der macht dann alle möglichen legalen oder auch nicht legalen Steuertricks und zahlt am Ende kaum noch Steuern. Ich glaube schon, dass das in der Tat die Spitze des Eisberges ist, was wir da zu sehen kriegen. Und das ruft einfach danach, zu einem System zu kommen, wo Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Das heißt am Ende, wer mehr hat, muss auch mehr zahlen. Das muss auch real so sein. Das ist aber nicht immer so.
Thoma: Entsteht da ein richtiger Wettbewerb dann auch unter diesen Menschen, die so viel Geld haben, wie man besten an der Steuer vorbei seine Finanzen ins Trockene bringen kann?
Stegner: Das mag in bestimmten Bereichen sicher so sein, wobei wenn wir in der Größenordnung von Herrn Zumwinkel sind, die haben das ja in gar keiner Weise nötig. Das hat ja eher was, glaube ich, dann wirklich mit Raffgier zu tun, um in einer sehr fragwürdigen Moral sich überhaupt nicht mehr um normale Verhältnisse, normale Menschen zu kümmern. Wer in dieser Größenordnung Einnahmen hat, das Vielfache dessen, was Arbeitnehmer verdienen, und erinnern Sie sich mal daran, wir haben eine Diskussion über Mindestlöhne im Augenblick, die Menschen müssen sich ja verkohlt vorkommen bei so was. Der hat es keiner Weise nötig, Manager des Jahres und all solche Dinge, und dann werden da Millionen ins Ausland geschafft und am Ende summiert sich das zu Milliarden, die wir weiß Gott in Deutschland brauchen könnten, um was für Bildung, soziale Infrastruktur oder andere Dinge zu tun. Es ist schon etwas, wo man mit dem Kopf schütteln kann, und wo man auch manche Debatte der letzten Wochen in ein sehr merkwürdiges Licht taucht.
Thoma: Im Prinzip ist es ja nicht illegal, in eine Stiftung in Liechtenstein zu investieren, nur dann, wenn man das halt hier vorher nicht versteuert hat in irgendeiner Weise oder dann auch das, was da rauskommt, nicht versteuert. Alles was legal ist, muss aber nicht unbedingt ja moralisch okay sein. Ist das das eigentliche Problem, dass das Unrechtsbewusstsein irgendwie dann auch fehlt?
Stegner: Das glaube ich auch, das Unrechtsbewusstsein ist nicht besonders ausgeprägt. Denken Sie an die Debatte um die schwarzen Kassen, die wir hatten. Da ist ein ehemaliger Bundeskanzler, der bis heute noch nicht gesagt hat, von wem das Geld gekommen ist. Das Unrechtsbewusstsein ist nicht besonders ausgeprägt. Aber ich glaube schon auch, dass die Grenze zwischen legal und illegal da auch eine nicht besonders harte Grenze ist und dass es einfach ganz schwierig sein wird herauszufinden, das wird ganz lange dauern mit diesen Ermittlungen, wer da was getan hat. Was nur unterm Strich übrigbleibt ist, dass es ein Bild ist von denjenigen, die an der Spitze stehen und sich für Elite halten in unserer sozialen Marktwirtschaft, dass sie eigentlich den Bürgern sagen, der Ehrliche ist hier der Dumme. Und Leistung muss sich wieder lohnen, wird da ganz anders buchstabiert, als es der Normalbürger so sieht. Was ich fürchte, ist, dass solche Beispiele hauptsächlich dazu führen, dass das geradezu, sagen wir mal, eine Konjunkturspritze für radikale Parteien ist, links und rechts außen.
Thoma: Sie glauben, dass die Linken davon profitieren werden letzten Endes?
Stegner: Natürlich werden sie davon profitieren, weil sie werden natürlich sagen können, guckt euch mal an, das ist ja eine feine soziale Marktwirtschaft, wenn Menschen zu wenig Geld bekommen, dass sie nicht mal davon leben können, wenn sie hart dafür arbeiten. Und andere, die uns noch als Vorbilder vorgehalten werden, machen so was. Deswegen, glaube ich, ist es doch Aufgabe, jetzt auch der Volksparteien, auch meiner SPD zu sagen, da wird jetzt ein sehr harter Schnitt notwendig sein. Wir müssen über solche Steuermodelle reden, und vor allen Dingen muss man vielleicht mal öffentlich sagen, wer eigentlich die Leistungsträger in unserer Gesellschaft sind. Das sind aus meiner Sicht eher die Polizeibeamten, die Feuerwehrleute, die Krankenschwestern, die, die nachts arbeiten, wo dann drüber gesprochen wird, dass man die Nachtzuschläge besteuert und ähnliches mehr. Und es sind nicht solche Leute, die die allerhöchsten Gehälter haben, und von denen man sagen kann, teilweise ist es wirklich so wie in diesem Buchtitel, das sind zum Teil Nieten in Nadelstreifen. Dann versagen die noch, und der Staat ist wieder dabei mit Steuermillionen, denken Sie an die Bankenkrise, die wir gerade haben. All das verstehen Bürger nicht, die wirklich buchstäblich jeden Groschen umdrehen müssen.
Thoma: Wird denn diese Gefahr vielleicht jetzt immer noch unterschätzt? Droht da eine richtige Spaltung in der Gesellschaft zwischen Arm und Reich, Oben und Unten, dass die Menschen überhaupt nicht mehr mit den da oben zusammenfinden können, auch mit den Politikern nebenbei, die ja es versäumt haben, die nötigen Schritte zu tun für ein einfaches Steuersystem?
Stegner: Ich glaube, das Ansehen der Politik, um das ist ohnehin schwierig bestellt ist, wenn Sie sich an Wahlbeteiligungen erinnern und ähnliches, das wird dadurch nicht gemehrt, aber es gibt schon einen Unterschied zwischen denjenigen, die in den Führungsetagen der Politik sind, und den Leuten, über die wir hier reden. Die Politik ist ein viel schärferer öffentlicher Beobachtung und hat natürlich, wir reden auch hier nicht über solche Summen. Aber in der Tat, das, was sich zwischen Arm und Reich aufgespalten hat und immer schlimmer geworden, sie reden über Kinderarmut in so einem reichen Land wie der Bundesrepublik, uns fehlen teilweise Mittel, um in Bildung zu investieren, wir haben sehr stark überschuldete öffentliche Haushalte, und wir haben in Teilen eine Form von privater Raffgier und überhaupt auch eine unanständig hohe Ausgestaltung von Managergehältern. Und bei denen ist es ja nicht so, dass die abgewählt werden, sondern wenn die besonders stark versagt haben, wenn die so ein Unternehmen in die Pleite gebracht haben, wenn Arbeitsplätze vernichtet worden sind, wenn Familien in Existenzkrisen kommen, dann gehen noch mit hohen Abfindungen und zahlen wohlmöglich nicht besonders viel Steuern oder schaffen das an der Steuer vorbei. Dass das Menschen empört, das ist, glaube ich, berechtigt so, und wir müssen uns was einfallen lassen, dass wir zu einem Steuersystem kommen, wo das sehr viel schwieriger ist, sich so zu verhalten. Und diese Brücke zur Steuerehrlichkeit, dass man sich selbst anzeigen konnte, die Hans Eichel eingeführt hat und die ja ein Angebot war an Leute, sich zu melden, da haben die ja offenbar nur gelacht in solchen Kreisen darüber.
Thoma: Was entsteht denn für einen Eindruck, wenn nun auf der anderen Seite jetzt die Bundesregierung auch 1,2 Milliarden in die Mittelstandsbank IKB pumpt, damit die ihre Milliarden, die sie verspekuliert haben, dann letzten Endes zurückkriegen und die Bank gerettet wird? Da fragen sich die Leute doch auch, letzten Endes muss der Steuerzahler immer dafür blechen.
Stegner: Ja, das ist so, wie man sich das früher im AStA vorgestellt hat, staatsmonopolistischer Kapitalismus. Das heißt, wenn Unternehmen versagen, springt die öffentliche Hand ein. Das ist nur bei normalen Arbeitnehmern nicht so. Ich kann ja nachvollziehen, dass in diesem Fall man befürchtet hat, dass die ganze deutsche Wirtschaft erschüttert wird, wenn man das nicht tut. Aber ausgerechnet die, die immer nach weniger Staat rufen, für die gilt das dann überhaupt nicht, wenn sie selbst versagt haben. Und man polemisiert dann gegen die Erbschaftssteuer und will weniger Staat haben, meint aber weniger Sozialstaat. Aber wenn das Versagen ausgeglichen werden soll von Topmanagern, dann sind die Rufe groß. Das ist natürlich alles sehr scheinheilig, und das trägt nicht dazu bei, dass Menschen sagen, Mensch, soziale Marktwirtschaft, das ist doch das beste Modell. Dabei ist es natürlich so, dass, wenn wir uns alle an die Spielregeln halten, und wenn wir dafür sorgen, dass die, die ganz hohe Einkünfte haben, auch entsprechend stark besteuert werden, dass das natürlich das beste System ist. Aber Werbung dafür war das nicht. Und denken Sie an die, die aus den neuen Ländern kommen, denken Sie an junge Leute, die keinen Job haben, oder an Ältere, denen man mit 55 sagt, du wirst nicht mehr gebraucht, und dir gebe ich jetzt Sozialtransfers, Leute, die später Armutsrenten haben, und da wird kritisiert, dass der Staat da eingreift, und hier ist er mit Millionen, Milliarden dabei an Steuerausfällen oder Hilfen.
Thoma: Was tun Sie ganz persönlich, um Vorbild zu sein in dieser Frage jetzt auch für die Menschen?
Stegner: Na ja, ich sage mal so, man ist als Politiker, wie gesagt, sehr unter Beobachtung. Erstens versteuert man alles nach Recht und Gesetz, man hat seinen Steuerberater und tut dieses. Und zum Zweiten, ich glaube, in der Politik gibt es sicherlich ganz, ganz wenige, von denen man nun sagen könnte, dass die solche Mittel hätten, von denen wir hier reden, die dann nach Liechtenstein oder sonst wohin gebracht werden.
Thoma: Dann müssten eigentlich ganz viele Millionen zurückholen jetzt?
Stegner: Das muss man was gegen tun.
Thoma: Politiker haben kein Geld in Liechtenstein, sind Sie da sicher?
Stegner: Das weiß ich natürlich nicht, ich kenne keinen, aber wir haben ja auch schon ein paar … Politiker sind auch normale Menschen, und da gibt es auch welche, die Fehler machen. Aber ich sage mal, die Systematik, Riesengehälter zu haben und mit denen dann so umzugehen, die scheinen doch eher im Topmanagement und in Bereichen zu sein. Jeder kleine Vertreter aus dem mittleren Management bekommt ja heute mehr Geld als ein Regierungschef eines Landes oder ein Minister. Insofern glaube ich, ist da quantitativ eher dort zu suchen. Aber es mag durchaus sein, dass es auch den einen oder anderen in den Reihen der Politik gibt. Jedenfalls muss es verfolgt werden, es ist Kriminalität.
Thoma: Viele sagen ja auch, dass es einfach mal nötig war, endlich, sagt Transparency zum Beispiel ja nun auch, wird jetzt mal ermittelt, das ist der Anfang. Glauben Sie, dass sich jetzt wirklich was bewegen wird, und dass die Manager was tun müssen, um ihr Image grundlegend zu ändern?
Stegner: Ich würde mir das sehr wünschen. Aber Sie wissen ja auch, wie das ist. Wir haben dann mal für ein paar Wochen Erregungszustände in den Medien. Heute ist das Thema Kinderarmut, morgen ist das Thema Ausländerkriminalität und Jugendliche, und heute ist es eben das mit den Topmanagern. Ich würde mir sehr wünschen, dass das nachhaltig zu einer Veränderung führt. Und, wie gesagt, wir haben ja auch Vorschläge für ein Steuersystem gemacht. Das würde darauf warten, dass wir endlich die Mittel haben, die wir brauchen, um für Bildung, Kinderbetreuung zu investieren, um nicht den zu belohnen steuerlich, der Arbeitsplätze streicht, und nicht den Leuten es zu leicht zu machen, die hohe Gelder an der Steuer vorbei ins Ausland schaffen.
Thoma: Ralf Stegner war das, der SPD-Chef in Schleswig-Holstein zum Fall Zumwinkel und den Folgen natürlich vor allem. Vielen Dank für das Gespräch!
Stegner: Gerne! Tschüss!
Ralf Stegner: Guten Morgen, Herr Thoma!
Thoma: Ihre Vorschläge sind schon ein paar Jahre alt, und Sie waren ja auch nicht der Einzige, der das System in Deutschland drastisch vereinfachen wollte. Liegt es daran, dass wir zu komplizierte Steuervorschriften haben, dass man seine Millionen so leicht ins Ausland bringen kann?
Stegner: Das ist sicherlich einer der Gründe, weil wir natürlich teilweise wirklich ein System haben, wo diejenigen, die ganz besonders viel Geld verdienen oder hohe Einnahmen haben, sich buchstäblich arm rechnen können. So ein normaler Arbeitnehmer kann das ja überhaupt gar nicht. Der kriegt das abgezogen automatisch vom Lohn, und darüber wird dann sogar noch gestritten, bei der Entfernungspauschale und solchen Dingen. Und jemand, der ganz besonders viele Mittel hat, der macht dann alle möglichen legalen oder auch nicht legalen Steuertricks und zahlt am Ende kaum noch Steuern. Ich glaube schon, dass das in der Tat die Spitze des Eisberges ist, was wir da zu sehen kriegen. Und das ruft einfach danach, zu einem System zu kommen, wo Menschen nach ihrer Leistungsfähigkeit besteuert werden. Das heißt am Ende, wer mehr hat, muss auch mehr zahlen. Das muss auch real so sein. Das ist aber nicht immer so.
Thoma: Entsteht da ein richtiger Wettbewerb dann auch unter diesen Menschen, die so viel Geld haben, wie man besten an der Steuer vorbei seine Finanzen ins Trockene bringen kann?
Stegner: Das mag in bestimmten Bereichen sicher so sein, wobei wenn wir in der Größenordnung von Herrn Zumwinkel sind, die haben das ja in gar keiner Weise nötig. Das hat ja eher was, glaube ich, dann wirklich mit Raffgier zu tun, um in einer sehr fragwürdigen Moral sich überhaupt nicht mehr um normale Verhältnisse, normale Menschen zu kümmern. Wer in dieser Größenordnung Einnahmen hat, das Vielfache dessen, was Arbeitnehmer verdienen, und erinnern Sie sich mal daran, wir haben eine Diskussion über Mindestlöhne im Augenblick, die Menschen müssen sich ja verkohlt vorkommen bei so was. Der hat es keiner Weise nötig, Manager des Jahres und all solche Dinge, und dann werden da Millionen ins Ausland geschafft und am Ende summiert sich das zu Milliarden, die wir weiß Gott in Deutschland brauchen könnten, um was für Bildung, soziale Infrastruktur oder andere Dinge zu tun. Es ist schon etwas, wo man mit dem Kopf schütteln kann, und wo man auch manche Debatte der letzten Wochen in ein sehr merkwürdiges Licht taucht.
Thoma: Im Prinzip ist es ja nicht illegal, in eine Stiftung in Liechtenstein zu investieren, nur dann, wenn man das halt hier vorher nicht versteuert hat in irgendeiner Weise oder dann auch das, was da rauskommt, nicht versteuert. Alles was legal ist, muss aber nicht unbedingt ja moralisch okay sein. Ist das das eigentliche Problem, dass das Unrechtsbewusstsein irgendwie dann auch fehlt?
Stegner: Das glaube ich auch, das Unrechtsbewusstsein ist nicht besonders ausgeprägt. Denken Sie an die Debatte um die schwarzen Kassen, die wir hatten. Da ist ein ehemaliger Bundeskanzler, der bis heute noch nicht gesagt hat, von wem das Geld gekommen ist. Das Unrechtsbewusstsein ist nicht besonders ausgeprägt. Aber ich glaube schon auch, dass die Grenze zwischen legal und illegal da auch eine nicht besonders harte Grenze ist und dass es einfach ganz schwierig sein wird herauszufinden, das wird ganz lange dauern mit diesen Ermittlungen, wer da was getan hat. Was nur unterm Strich übrigbleibt ist, dass es ein Bild ist von denjenigen, die an der Spitze stehen und sich für Elite halten in unserer sozialen Marktwirtschaft, dass sie eigentlich den Bürgern sagen, der Ehrliche ist hier der Dumme. Und Leistung muss sich wieder lohnen, wird da ganz anders buchstabiert, als es der Normalbürger so sieht. Was ich fürchte, ist, dass solche Beispiele hauptsächlich dazu führen, dass das geradezu, sagen wir mal, eine Konjunkturspritze für radikale Parteien ist, links und rechts außen.
Thoma: Sie glauben, dass die Linken davon profitieren werden letzten Endes?
Stegner: Natürlich werden sie davon profitieren, weil sie werden natürlich sagen können, guckt euch mal an, das ist ja eine feine soziale Marktwirtschaft, wenn Menschen zu wenig Geld bekommen, dass sie nicht mal davon leben können, wenn sie hart dafür arbeiten. Und andere, die uns noch als Vorbilder vorgehalten werden, machen so was. Deswegen, glaube ich, ist es doch Aufgabe, jetzt auch der Volksparteien, auch meiner SPD zu sagen, da wird jetzt ein sehr harter Schnitt notwendig sein. Wir müssen über solche Steuermodelle reden, und vor allen Dingen muss man vielleicht mal öffentlich sagen, wer eigentlich die Leistungsträger in unserer Gesellschaft sind. Das sind aus meiner Sicht eher die Polizeibeamten, die Feuerwehrleute, die Krankenschwestern, die, die nachts arbeiten, wo dann drüber gesprochen wird, dass man die Nachtzuschläge besteuert und ähnliches mehr. Und es sind nicht solche Leute, die die allerhöchsten Gehälter haben, und von denen man sagen kann, teilweise ist es wirklich so wie in diesem Buchtitel, das sind zum Teil Nieten in Nadelstreifen. Dann versagen die noch, und der Staat ist wieder dabei mit Steuermillionen, denken Sie an die Bankenkrise, die wir gerade haben. All das verstehen Bürger nicht, die wirklich buchstäblich jeden Groschen umdrehen müssen.
Thoma: Wird denn diese Gefahr vielleicht jetzt immer noch unterschätzt? Droht da eine richtige Spaltung in der Gesellschaft zwischen Arm und Reich, Oben und Unten, dass die Menschen überhaupt nicht mehr mit den da oben zusammenfinden können, auch mit den Politikern nebenbei, die ja es versäumt haben, die nötigen Schritte zu tun für ein einfaches Steuersystem?
Stegner: Ich glaube, das Ansehen der Politik, um das ist ohnehin schwierig bestellt ist, wenn Sie sich an Wahlbeteiligungen erinnern und ähnliches, das wird dadurch nicht gemehrt, aber es gibt schon einen Unterschied zwischen denjenigen, die in den Führungsetagen der Politik sind, und den Leuten, über die wir hier reden. Die Politik ist ein viel schärferer öffentlicher Beobachtung und hat natürlich, wir reden auch hier nicht über solche Summen. Aber in der Tat, das, was sich zwischen Arm und Reich aufgespalten hat und immer schlimmer geworden, sie reden über Kinderarmut in so einem reichen Land wie der Bundesrepublik, uns fehlen teilweise Mittel, um in Bildung zu investieren, wir haben sehr stark überschuldete öffentliche Haushalte, und wir haben in Teilen eine Form von privater Raffgier und überhaupt auch eine unanständig hohe Ausgestaltung von Managergehältern. Und bei denen ist es ja nicht so, dass die abgewählt werden, sondern wenn die besonders stark versagt haben, wenn die so ein Unternehmen in die Pleite gebracht haben, wenn Arbeitsplätze vernichtet worden sind, wenn Familien in Existenzkrisen kommen, dann gehen noch mit hohen Abfindungen und zahlen wohlmöglich nicht besonders viel Steuern oder schaffen das an der Steuer vorbei. Dass das Menschen empört, das ist, glaube ich, berechtigt so, und wir müssen uns was einfallen lassen, dass wir zu einem Steuersystem kommen, wo das sehr viel schwieriger ist, sich so zu verhalten. Und diese Brücke zur Steuerehrlichkeit, dass man sich selbst anzeigen konnte, die Hans Eichel eingeführt hat und die ja ein Angebot war an Leute, sich zu melden, da haben die ja offenbar nur gelacht in solchen Kreisen darüber.
Thoma: Was entsteht denn für einen Eindruck, wenn nun auf der anderen Seite jetzt die Bundesregierung auch 1,2 Milliarden in die Mittelstandsbank IKB pumpt, damit die ihre Milliarden, die sie verspekuliert haben, dann letzten Endes zurückkriegen und die Bank gerettet wird? Da fragen sich die Leute doch auch, letzten Endes muss der Steuerzahler immer dafür blechen.
Stegner: Ja, das ist so, wie man sich das früher im AStA vorgestellt hat, staatsmonopolistischer Kapitalismus. Das heißt, wenn Unternehmen versagen, springt die öffentliche Hand ein. Das ist nur bei normalen Arbeitnehmern nicht so. Ich kann ja nachvollziehen, dass in diesem Fall man befürchtet hat, dass die ganze deutsche Wirtschaft erschüttert wird, wenn man das nicht tut. Aber ausgerechnet die, die immer nach weniger Staat rufen, für die gilt das dann überhaupt nicht, wenn sie selbst versagt haben. Und man polemisiert dann gegen die Erbschaftssteuer und will weniger Staat haben, meint aber weniger Sozialstaat. Aber wenn das Versagen ausgeglichen werden soll von Topmanagern, dann sind die Rufe groß. Das ist natürlich alles sehr scheinheilig, und das trägt nicht dazu bei, dass Menschen sagen, Mensch, soziale Marktwirtschaft, das ist doch das beste Modell. Dabei ist es natürlich so, dass, wenn wir uns alle an die Spielregeln halten, und wenn wir dafür sorgen, dass die, die ganz hohe Einkünfte haben, auch entsprechend stark besteuert werden, dass das natürlich das beste System ist. Aber Werbung dafür war das nicht. Und denken Sie an die, die aus den neuen Ländern kommen, denken Sie an junge Leute, die keinen Job haben, oder an Ältere, denen man mit 55 sagt, du wirst nicht mehr gebraucht, und dir gebe ich jetzt Sozialtransfers, Leute, die später Armutsrenten haben, und da wird kritisiert, dass der Staat da eingreift, und hier ist er mit Millionen, Milliarden dabei an Steuerausfällen oder Hilfen.
Thoma: Was tun Sie ganz persönlich, um Vorbild zu sein in dieser Frage jetzt auch für die Menschen?
Stegner: Na ja, ich sage mal so, man ist als Politiker, wie gesagt, sehr unter Beobachtung. Erstens versteuert man alles nach Recht und Gesetz, man hat seinen Steuerberater und tut dieses. Und zum Zweiten, ich glaube, in der Politik gibt es sicherlich ganz, ganz wenige, von denen man nun sagen könnte, dass die solche Mittel hätten, von denen wir hier reden, die dann nach Liechtenstein oder sonst wohin gebracht werden.
Thoma: Dann müssten eigentlich ganz viele Millionen zurückholen jetzt?
Stegner: Das muss man was gegen tun.
Thoma: Politiker haben kein Geld in Liechtenstein, sind Sie da sicher?
Stegner: Das weiß ich natürlich nicht, ich kenne keinen, aber wir haben ja auch schon ein paar … Politiker sind auch normale Menschen, und da gibt es auch welche, die Fehler machen. Aber ich sage mal, die Systematik, Riesengehälter zu haben und mit denen dann so umzugehen, die scheinen doch eher im Topmanagement und in Bereichen zu sein. Jeder kleine Vertreter aus dem mittleren Management bekommt ja heute mehr Geld als ein Regierungschef eines Landes oder ein Minister. Insofern glaube ich, ist da quantitativ eher dort zu suchen. Aber es mag durchaus sein, dass es auch den einen oder anderen in den Reihen der Politik gibt. Jedenfalls muss es verfolgt werden, es ist Kriminalität.
Thoma: Viele sagen ja auch, dass es einfach mal nötig war, endlich, sagt Transparency zum Beispiel ja nun auch, wird jetzt mal ermittelt, das ist der Anfang. Glauben Sie, dass sich jetzt wirklich was bewegen wird, und dass die Manager was tun müssen, um ihr Image grundlegend zu ändern?
Stegner: Ich würde mir das sehr wünschen. Aber Sie wissen ja auch, wie das ist. Wir haben dann mal für ein paar Wochen Erregungszustände in den Medien. Heute ist das Thema Kinderarmut, morgen ist das Thema Ausländerkriminalität und Jugendliche, und heute ist es eben das mit den Topmanagern. Ich würde mir sehr wünschen, dass das nachhaltig zu einer Veränderung führt. Und, wie gesagt, wir haben ja auch Vorschläge für ein Steuersystem gemacht. Das würde darauf warten, dass wir endlich die Mittel haben, die wir brauchen, um für Bildung, Kinderbetreuung zu investieren, um nicht den zu belohnen steuerlich, der Arbeitsplätze streicht, und nicht den Leuten es zu leicht zu machen, die hohe Gelder an der Steuer vorbei ins Ausland schaffen.
Thoma: Ralf Stegner war das, der SPD-Chef in Schleswig-Holstein zum Fall Zumwinkel und den Folgen natürlich vor allem. Vielen Dank für das Gespräch!
Stegner: Gerne! Tschüss!