Bettina Klein: Sie haben vor einigen Wochen dem immer noch amtierenden Verhandlungsführer Möllring schwere Vorwürfe gemacht. Sie haben ihm vorgeworfen, er habe die üblichen Ansprüche an Fairness, Seriosität und Professionalität in diesem Tarifstreit ignoriert. Möchten Sie ihm jetzt doch vielleicht gratulieren?
Ralf Stegner: Also gratulieren kann man, glaube ich, den Vertragspartnern auf beiden Seiten dazu, dass sie jetzt endlich einen Tarifabschluss haben. Das ist vernünftig, dass sie den Flächentarifvertrag im öffentlichen Dienst gewahrt haben. Und dass wir rauskommen aus wirklich monatelangen Auseinandersetzungen, bei denen die Öffentlichkeit den Eindruck haben musste, wir seien nicht in der Lage, uns zu verständigen. Und das ist gut. Ich glaube, dass insbesondere auch der Einfluss zum Beispiel von Herrn Beck und von anderen auf die Verhandlungsführung jetzt dazu geführt hat, dass der Kompromisskurs auch eingegangen worden ist.
Klein: Was im Kern hat denn jetzt zum Kompromiss geführt, nach Ihrer Einschätzung?
Stegner: Ich glaube, dass auch bei den Ministerpräsidenten die Einschätzung gewachsen ist, dass die Bevölkerung dieser Auseinandersetzung überdrüssig ist - das hat ja kulminiert bei den Ärzten. Und dass man natürlich mit der Tarifautonomie gut gefahren ist in den letzten Jahrzehnten. Und dass man einfach zum Kompromiss kommen muss. Und einen Kompromiss kriegt man nur bei einem fairen Interessenausgleich, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Das ist jetzt geschehen und das hat dann am Ende, glaube ich, dazu geführt, dass man sich verständigen konnte. Kompromisse sind immer so, dass beide Seiten was zu geben müssen, das ist in diesem Fall auch der Fall.
Klein: Nun wird es zum ersten Mal keine einheitlichen Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst der Länder geben. Sie hatten sich ja immer sehr stark für einen gemeinsamen Flächentarifvertrag eingesetzt. Was bedeutet dieser neue Tarifvertrag, der sehr stark differenziert?
Stegner: Also ich hatte mich vor allen Dingen dafür eingesetzt, dass wir keine tariffreien Zonen haben. Und das ist ja jetzt auch nicht der Fall. Wir haben Arbeitszeiten, die in der Tat ein Stück variieren, aber das ist ja minimal, wenn Sie sich das angucken: das liegt zwischen 38,5 und 39,8 Stunden im Westen; im Osten wird ohnehin schon die ganze Zeit 40 Stunden tariflich verabredete Arbeitszeit gearbeitet. Also insofern, das ist nicht so gravierend. Entscheidend ist, dass wir einen Tarifvertrag für die gesamte Bundesrepublik haben. Und das Beste daran ist, dass wir einen modernisierten Tarifvertrag haben. Das heißt, wir haben wie beim Beamtenrecht, das modernisiert worden ist, nicht mehr diese ganzen alten Zöpfe, sondern dieser Tarifvertrag im öffentlichen Dienst - TVöD, wie er heißt - ist ein moderner Tarifvertrag, wo man nicht automatisch Zuschläge bekommt, weil man älter wird, wo es die Möglichkeit für Leistungszulagen gibt und vieles andere mehr, was den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts entspricht.
Klein: Sie selbst haben auch seinerzeit, also vor einigen Wochen, den Gewerkschaften Vorwürfe gemacht und gesagt, mir ihrem fruchtlosen, wochenlangen Streik hätten sie selbst auch schwere strategische Fehler begangen. Wie sehen Sie das? Hat sich das Ergebnis gelohnt nach drei Monaten Streik?
Stegner: Also das Beste ist, dass es ein Ergebnis gibt. Aber natürlich musste man schon feststellen, dass die Gewerkschaften gerade auf der Länderebene nicht besonders kampffähig sind. Also ob in Kfz-Zulassungsstellen oder bei Katasterämtern gestreikt wird, das hat nicht so furchtbar viel Einfluss gehabt. Das war bei den Kommunen schon anders, wenn der Müll nicht geholt wird oder die Kindergärten geschlossen sind. Und insofern glaube ich, war das auch schwierig für die Gewerkschaftsführung, ihren Mitgliedern das dann über Wochen und Monate zu vermitteln. Auf der anderen Seite verstehe ich natürlich schon, dass man sich keinem Diktat beugen will - und so sah es ja am Anfang ein Stück aus. Unter dem Strich ist ein Kompromiss immer etwas, wo beide Seiten was drangeben müssen. Ich glaube, die Gewerkschaften können zufrieden sein, dass sie erreicht haben, dass es eben einen Tarifvertrag überall in der Bundesrepublik gibt. Und die Arbeitgeberseite hat erreicht, dass wir nun an bestimmten Stellen, zum Beispiel auch bei den Universitätsklinika, ja vermutlich wegkommen von den Streiks. Das ist noch der Teil, der auch am schwierigsten war. Und ich hoffe im Übrigen auch, dass die Sache mit dem Marburger Bund jetzt geklärt werden kann. Denn es gibt ja jetzt eine Einigung mit ver.di, auch was den Klinikbereich angeht.
Klein: Also wenn ich das richtig verstanden habe, da hat der Marburger Bund schon gesagt, sie möchten den Abschluss der ja mit ihm konkurrierenden Gewerkschaft ver.di nicht übernehmen. Welche Möglichkeiten hat der Marburger Bund jetzt noch?
Stegner: Also man bekommt ja nicht alles, was man sich wünscht - nicht mal an Weihnachten und wir sind gerade vor Pfingsten. Also das wird nichts werden, glaube ich. Ich denke, dass die Einigung mit ver.di eine vernünftige ist. Und der Marburger Bund sollte sich dem auch anschließen. Und auch da gilt: Auf die Dauer setzt sich die Vernunft immer irgendwie durch.
Klein: Sollte sich anschließen, aber sicher ist das keineswegs. Der Marburger Bund ist eine eigenständige Interessenvertretung und hat natürlich jedes Recht zu sagen: Dieser Abschluss ist uns nicht genug und wir machen auf unsere Weise weiter wie bisher. Und das würde eben auch weiter bedeuten: mit Streiks.
Stegner: Na das Recht hat natürlich jeder. Aber die Schwierigkeit, wenn sie die Leute zu doll auf die Bäume treiben - je höher sie sind, umso schwieriger ist es, wieder runter zu klettern. Und ich glaube, auch hier gilt: Man muss sich auf etwas einigen, was einerseits den Beschäftigten zuzumuten ist, aber andererseits auch der Lage der öffentlichen Kassen entspricht. Das ist die große Kunst, die immer erreicht werden muss. Das hat hier im Bereich des öffentlichen Diensts ziemlich lange gedauert, bis dieser Vernunftkurs eingegangen worden ist. Und das muss jetzt auch für den Marburger Bund gelten. Schauen Sie, wir können nicht für jeden einzelnen Bereich dann anfangen, separate Regelungen zu finden. Es muss schon Regelungen geben, die insgesamt vernünftig sind.
Klein: Gut, wir werden sehen, wie das weitergehen wird. Auf jeden Fall werden durch diesen Tarifvertrag natürlich die öffentlichen Kassen auch weiter belastet. Wie werden Sie das in Schleswig-Holstein verkraften?
Stegner: Das können wir nicht gut verkraften. Und das ist auch das, was ich kritisch anzumerken habe daran, dass man hier zu lange gewartet hat. Hätten wir abgeschlossen vor zwei Monaten, wäre das für Schleswig-Holstein günstiger gewesen. Und deswegen war das auch fruchtlos, so auf Blockade zu setzen. Und die Kritik habe ich dann in der Tat noch an der Verhandlungsführung, aber es nützt ja nichts. Wir müssen uns jetzt damit zurechtfinden. Wir haben ohnehin schwierige Operationen, was die Haushaltskonsolidierung angeht, vor uns. Das wird nicht leichter in den nächsten Jahren durch den Abschluss. Aber unter dem Strich muss ich trotzdem sagen: Es geht nur mit Kompromissen, ich bin ein großer Anhänger der Tarifautonomie und unter dem Strich sind wir immer gut gefahren damit, zu vernünftigen Kompromissen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretung zu kommen.
Ralf Stegner: Also gratulieren kann man, glaube ich, den Vertragspartnern auf beiden Seiten dazu, dass sie jetzt endlich einen Tarifabschluss haben. Das ist vernünftig, dass sie den Flächentarifvertrag im öffentlichen Dienst gewahrt haben. Und dass wir rauskommen aus wirklich monatelangen Auseinandersetzungen, bei denen die Öffentlichkeit den Eindruck haben musste, wir seien nicht in der Lage, uns zu verständigen. Und das ist gut. Ich glaube, dass insbesondere auch der Einfluss zum Beispiel von Herrn Beck und von anderen auf die Verhandlungsführung jetzt dazu geführt hat, dass der Kompromisskurs auch eingegangen worden ist.
Klein: Was im Kern hat denn jetzt zum Kompromiss geführt, nach Ihrer Einschätzung?
Stegner: Ich glaube, dass auch bei den Ministerpräsidenten die Einschätzung gewachsen ist, dass die Bevölkerung dieser Auseinandersetzung überdrüssig ist - das hat ja kulminiert bei den Ärzten. Und dass man natürlich mit der Tarifautonomie gut gefahren ist in den letzten Jahrzehnten. Und dass man einfach zum Kompromiss kommen muss. Und einen Kompromiss kriegt man nur bei einem fairen Interessenausgleich, wenn sich beide Seiten aufeinander zu bewegen. Das ist jetzt geschehen und das hat dann am Ende, glaube ich, dazu geführt, dass man sich verständigen konnte. Kompromisse sind immer so, dass beide Seiten was zu geben müssen, das ist in diesem Fall auch der Fall.
Klein: Nun wird es zum ersten Mal keine einheitlichen Arbeitszeiten im öffentlichen Dienst der Länder geben. Sie hatten sich ja immer sehr stark für einen gemeinsamen Flächentarifvertrag eingesetzt. Was bedeutet dieser neue Tarifvertrag, der sehr stark differenziert?
Stegner: Also ich hatte mich vor allen Dingen dafür eingesetzt, dass wir keine tariffreien Zonen haben. Und das ist ja jetzt auch nicht der Fall. Wir haben Arbeitszeiten, die in der Tat ein Stück variieren, aber das ist ja minimal, wenn Sie sich das angucken: das liegt zwischen 38,5 und 39,8 Stunden im Westen; im Osten wird ohnehin schon die ganze Zeit 40 Stunden tariflich verabredete Arbeitszeit gearbeitet. Also insofern, das ist nicht so gravierend. Entscheidend ist, dass wir einen Tarifvertrag für die gesamte Bundesrepublik haben. Und das Beste daran ist, dass wir einen modernisierten Tarifvertrag haben. Das heißt, wir haben wie beim Beamtenrecht, das modernisiert worden ist, nicht mehr diese ganzen alten Zöpfe, sondern dieser Tarifvertrag im öffentlichen Dienst - TVöD, wie er heißt - ist ein moderner Tarifvertrag, wo man nicht automatisch Zuschläge bekommt, weil man älter wird, wo es die Möglichkeit für Leistungszulagen gibt und vieles andere mehr, was den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts entspricht.
Klein: Sie selbst haben auch seinerzeit, also vor einigen Wochen, den Gewerkschaften Vorwürfe gemacht und gesagt, mir ihrem fruchtlosen, wochenlangen Streik hätten sie selbst auch schwere strategische Fehler begangen. Wie sehen Sie das? Hat sich das Ergebnis gelohnt nach drei Monaten Streik?
Stegner: Also das Beste ist, dass es ein Ergebnis gibt. Aber natürlich musste man schon feststellen, dass die Gewerkschaften gerade auf der Länderebene nicht besonders kampffähig sind. Also ob in Kfz-Zulassungsstellen oder bei Katasterämtern gestreikt wird, das hat nicht so furchtbar viel Einfluss gehabt. Das war bei den Kommunen schon anders, wenn der Müll nicht geholt wird oder die Kindergärten geschlossen sind. Und insofern glaube ich, war das auch schwierig für die Gewerkschaftsführung, ihren Mitgliedern das dann über Wochen und Monate zu vermitteln. Auf der anderen Seite verstehe ich natürlich schon, dass man sich keinem Diktat beugen will - und so sah es ja am Anfang ein Stück aus. Unter dem Strich ist ein Kompromiss immer etwas, wo beide Seiten was drangeben müssen. Ich glaube, die Gewerkschaften können zufrieden sein, dass sie erreicht haben, dass es eben einen Tarifvertrag überall in der Bundesrepublik gibt. Und die Arbeitgeberseite hat erreicht, dass wir nun an bestimmten Stellen, zum Beispiel auch bei den Universitätsklinika, ja vermutlich wegkommen von den Streiks. Das ist noch der Teil, der auch am schwierigsten war. Und ich hoffe im Übrigen auch, dass die Sache mit dem Marburger Bund jetzt geklärt werden kann. Denn es gibt ja jetzt eine Einigung mit ver.di, auch was den Klinikbereich angeht.
Klein: Also wenn ich das richtig verstanden habe, da hat der Marburger Bund schon gesagt, sie möchten den Abschluss der ja mit ihm konkurrierenden Gewerkschaft ver.di nicht übernehmen. Welche Möglichkeiten hat der Marburger Bund jetzt noch?
Stegner: Also man bekommt ja nicht alles, was man sich wünscht - nicht mal an Weihnachten und wir sind gerade vor Pfingsten. Also das wird nichts werden, glaube ich. Ich denke, dass die Einigung mit ver.di eine vernünftige ist. Und der Marburger Bund sollte sich dem auch anschließen. Und auch da gilt: Auf die Dauer setzt sich die Vernunft immer irgendwie durch.
Klein: Sollte sich anschließen, aber sicher ist das keineswegs. Der Marburger Bund ist eine eigenständige Interessenvertretung und hat natürlich jedes Recht zu sagen: Dieser Abschluss ist uns nicht genug und wir machen auf unsere Weise weiter wie bisher. Und das würde eben auch weiter bedeuten: mit Streiks.
Stegner: Na das Recht hat natürlich jeder. Aber die Schwierigkeit, wenn sie die Leute zu doll auf die Bäume treiben - je höher sie sind, umso schwieriger ist es, wieder runter zu klettern. Und ich glaube, auch hier gilt: Man muss sich auf etwas einigen, was einerseits den Beschäftigten zuzumuten ist, aber andererseits auch der Lage der öffentlichen Kassen entspricht. Das ist die große Kunst, die immer erreicht werden muss. Das hat hier im Bereich des öffentlichen Diensts ziemlich lange gedauert, bis dieser Vernunftkurs eingegangen worden ist. Und das muss jetzt auch für den Marburger Bund gelten. Schauen Sie, wir können nicht für jeden einzelnen Bereich dann anfangen, separate Regelungen zu finden. Es muss schon Regelungen geben, die insgesamt vernünftig sind.
Klein: Gut, wir werden sehen, wie das weitergehen wird. Auf jeden Fall werden durch diesen Tarifvertrag natürlich die öffentlichen Kassen auch weiter belastet. Wie werden Sie das in Schleswig-Holstein verkraften?
Stegner: Das können wir nicht gut verkraften. Und das ist auch das, was ich kritisch anzumerken habe daran, dass man hier zu lange gewartet hat. Hätten wir abgeschlossen vor zwei Monaten, wäre das für Schleswig-Holstein günstiger gewesen. Und deswegen war das auch fruchtlos, so auf Blockade zu setzen. Und die Kritik habe ich dann in der Tat noch an der Verhandlungsführung, aber es nützt ja nichts. Wir müssen uns jetzt damit zurechtfinden. Wir haben ohnehin schwierige Operationen, was die Haushaltskonsolidierung angeht, vor uns. Das wird nicht leichter in den nächsten Jahren durch den Abschluss. Aber unter dem Strich muss ich trotzdem sagen: Es geht nur mit Kompromissen, ich bin ein großer Anhänger der Tarifautonomie und unter dem Strich sind wir immer gut gefahren damit, zu vernünftigen Kompromissen zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebervertretung zu kommen.