Simon: Frau Wieczorek-Zeul, Ihr Haus finanziert mehr als 60 Projekte im Kampf gegen Aids. Wo liegt für Sie der Schwerpunkt?
Wieczorek-Zeul: Wir müssen alles kombinieren, was man tun kann, um diese schreckliche Massenvernichtungswaffe Aids zu bekämpfen. Das ist einmal natürlich Prävention, das heißt dafür sorgen, dass Aufklärung besteht, dass Menschen wissen, wie sie sich schützen können, dass sie Kondome nutzen müssen, um sich zu schützen. Das ist zum zweiten natürlich auch die Möglichkeit, behandelt zu werden, das heißt die Voraussetzung dafür, dass Tests gemacht werden können, und dass es auch eine entsprechende gesundheitliche Betreuung gibt, das heißt, dass überhaupt erst einmal Gesundheitsstationen und ausgebildetes Personal vorhanden ist. Das sind eigentlich die kombinierten Ansätze, die man haben muss. Allein ein Weg wird nicht reichen.
Simon: Konzentrieren Sie sich auf bestimmte Regionen?
Wieczorek-Zeul: Wir haben schon einen sehr starken Schwerpunkt auf Afrika südlich der Sahara bezogen. Wir sind aber insgesamt in unserer Entwicklungszusammenarbeit in fast 50 Ländern tätig. Das allerwichtigste ist eben, mit dafür zu sorgen, wie Sie schon sagten, dass vor allen Dingen die Mädchen und Frauen gestärkt werden, denn die neuen Untersuchungen von UNO-Aids zeigen eindeutig, dass Frauen das Opfer der infizierten Männer werden, dass Gewalt gegen sie ausgeübt wird und dass sie in vielen Fällen einfach nicht die Stärke haben und aufbringen können, um sich zur Wehr zu setzen. Deshalb ist ganz, ganz wichtig erstens immer auch die Prävention von Gewalt, aber auch dafür zu sorgen, dass Mädchen, dass Kinder in die Schule gehen können. Der Schulbesuch ist eine ganz wichtige Voraussetzung dafür, Mädchen selber auch zu informieren und ihnen überhaupt bessere Chancen zu geben.
Simon: Das sind ganz viele verschiedene Aspekte, Frau Wieczorek-Zeul. Wie weit sprechen Sie sich auf europäischer oder internationaler Ebene ab, was die Projekte angeht?
Wieczorek-Zeul: Das ist absolut dringend und dort hat es auch dankenswerterweise wirklich gute Veränderungen gegeben. Es dauert eben nur, bis sich das tatsächlich auch auswirkt. Die internationale Gemeinschaft hat ja unter anderem durch die Einrichtung des globalen Fonds zur Bekämpfung gerade vor allen Dingen auch von Aids finanziell seit 2001 die Mittel verdreifacht. Das ist schon mal wichtig und wichtig ist natürlich auch, dass in den beteiligten Ländern selbst die Mittel und die finanziellen Möglichkeiten ganz stark miteinander verbunden werden. Es gibt von UNO-Aids - und das praktizieren wir auch mit anderen Partnern zusammen und den beteiligten Ländern - eine Regelung, dass es in einem Land jedenfalls einen großen gemeinsamen Plan zur Bekämpfung von Aids geben muss, dass es eine Stelle geben muss, die koordiniert, damit eben keine Mittel verloren gehen und damit schnell und zielgerichtet gehandelt wird, und eben auch ein Instrument, durch das überprüft wird, wie die Mittel eingesetzt werden. Sonst ist die Gefahr groß, dass eben durch sehr unterschiedliche Ansätze ein Teil der Chancen vergeben werden.
Simon: Frau Wieczorek-Zeul, jenseits der Prävention, der Vorbeugung ist ja ein ganz heikler Punkt die Medikamente, die oft viel zu teuer sind und deswegen für viele Menschen nicht verfügbar. Was werden Sie, was wird die Bundesregierung tun, damit auch in Zukunft weiterhin überall Generika produziert werden können, also preiswerte Kopien von teueren Originalmedikamenten? Einige dieser Genehmigungen laufen ja zum Jahresende aus.
Wieczorek-Zeul: Das ist in der Tat eine Sache, die mir sehr auf der Seele lastet, auf die ich schon seit langer Zeit hinweise. Wir haben ja erst mal dafür gesorgt, dass es die Chance gibt und die Möglichkeit gibt, dass diese Generika erstens produziert werden können, dass kostengünstige Medikamente in die Entwicklungsländer dann auch importiert werden können, für die Länder, die selbst eben solche Generika nicht herstellen. Da hat es auch große Fortschritte gegeben, denn es ist ja klar: wer zum Beispiel weiß, dass er nicht behandelt werden kann und dass es keine Chance gibt, der geht auch weniger leicht zum Test. Da gibt es ja einen engen Zusammenhang.
Es ist also folgende Situation: Ab 1. 1. 2005 wird eine Ausnahmeregelung für den sogenannten Produktpatentschutz in einer Reihe von Entwicklungsländern auslaufen, unter anderem in Indien. Das bedeutet natürlich, dass weniger kostengünstige Medikamente zur Verfügung stehen. Wir konzentrieren uns darauf und ermutigen auch andere, das zu tun, eben die Produktion in den ärmsten Entwicklungsländern voranzubringen, denn dort läuft diese Ausnahmeregelung für den Produktpatentschutz erst im Jahr 2016 aus. Wir reden auch nicht nur darüber, sondern wir haben dort bereits auch praktische Ansätze mit einer thailändischen Ärztin, die jetzt im Kongo tätig ist, und einer Firma dort, der Firma Pharma-China. Damit werden wir im Kongo selbst diese Generika herstellen und damit auch den Versuch machen, eben die Versorgung der Bevölkerung auch unter so schwierigen Bedingungen mit kostengünstigen Medikamenten sicherzustellen.
Simon: Frau Wieczorek-Zeul, bei vielen Dingen sind Sie auch von anderen internationalen Partnern abhängig. Sie können nichts allein entscheiden. Aber bei Ihrem Etat entschieden Sie sehr vieles allein. Welchen Stellenwert nimmt dort der Kampf gegen Aids ein?
Wieczorek-Zeul: Das ist ein absoluter zentraler Schwerpunkt unserer Entwicklungszusammenarbeit. Ich habe seit ich 1998 im Amt bin die Mittel in diesem Bereich drastisch gesteigert. Es ist so, dass wir heute mit all den Aspekten, bilateral und über internationale Zusammenarbeit, als Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über 300 Millionen Euro zur Verfügung stellen und wir machen auch deutlich, wie wichtig wir die Arbeit des globalen Aids-Fonds finden, haben im Haushalt 2004 38 Millionen an Zuweisungen für diesen globalen Fonds vorgesehen gehabt und wir haben sie in dem jetzt beschlossenen Haushalt 2005 auf 82 Millionen Euro gesteigert. Wir sind - so hat UN-Aids jedenfalls festgestellt - der drittgrößte bilaterale Geber von Mitteln im Kampf gegen Aids. Es müssen sich aber noch sehr viel mehr anstrengen und wir müssen alle mit einbeziehen, auch Nicht-Regierungsorganisationen, den privaten Sektor, denn im Kampf gegen Aids brauchen wir ganz, ganz viele Akteure und da darf niemand nachlassen. Man darf sich einfach nicht daran gewöhnen, dass mittlerweile 39 Millionen Menschen infiziert sind und dass im Jahr 2004 3,1 Millionen Menschen an Aids gestorben sind. Das muss uns immer wieder aufrütteln und deshalb müssen wir gemeinsam mit möglichst vielen dagegen vorgehen.
Simon: Das war die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Heidemarie Wieczorek-Zeul, zum Welt-Aids-Tag. Vielen Dank für das Gespräch.
Wieczorek-Zeul: Bitte sehr!