Stefan Heinlein: Polen und Deutschland, auch Jahrzehnte nach Kriegsende kein einfaches Verhältnis. Trotz aller Freundschaftsverträge und Entschädigungszahlungen ist die Vergangenheit in Polen lebendiger als bei uns in Deutschland. Politiker wie die Kaczynski-Brüder spielen geschickt mit der Angst vor einem übermächtigen Deutschland. Quadratwurzel oder Tod, eine Haltung, die in Polen durchaus ankam. Allerdings hat auch der Präsident auf dem Gipfel Federn lassen müssen. Die Merkel-Drohung mit einer Isolierung des Landes zeigte Wirkung. Das EU-Neumitglied bleibt also in der Spur.
Am Telefon nun die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach. Sie ist Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Guten Morgen, Frau Steinbach!
Steinbach: Einen schönen guten Morgen!
Heinlein: Im Vorfeld des Gipfels haben Sie der polnischen Führung vorgeworfen, den Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft bewusst zu torpedieren. Der Gipfel ist nicht gescheitert. Wird es nun Zeit für eine Entschuldigung an Warschau?
Steinbach: Ironisch könnte man ja sagen, es waren wieder leere Versprechungen der Gebrüder Kaczynski, denn sie haben ja gesagt entweder die Quadratwurzel oder der Tot. Es gibt keine Quadratwurzel, aber die beiden haben sich trotzdem nicht entleibt. Unterm Strich allerdings gilt meine uneingeschränkte Bewunderung der Geduld und der Fähigkeit der Bundeskanzlerin, sich nicht provozieren zu lassen, sondern ganz sachgerecht die Verhandlungen zu führen, das große Ganze im Auge zu haben und die Töne aus Warschau einfach zu übergehen und ein gutes Ergebnis unter dem Strich herbeizuführen. Das gute Ergebnis ist nämlich, dass die Europäische Union beieinander bleibt.
Auf der anderen Seite stelle ich innerhalb meines Verbandes fest, das politische Warschau ist glücklicherweise nicht Polen insgesamt, denn das Verhältnis zwischen Polen und den deutschen Heimatvertriebenen in den Gebieten, wo früher Deutsche lebten, ist gut. Es gibt viel Miteinander, und das hat sich auch durch polnisches Verhalten in Warschau überhaupt nicht beeinflussen lassen. So sehe ich der Zukunft doch recht positiv entgegen.
Heinlein: Darüber müssen wir, Frau Steinbach, sicherlich gleich noch reden. Zunächst noch mal zu Lech Kaczynski. Er hat nach dem Gipfel Angela Merkel so wie Sie gerade eben ausdrücklich gelobt für ihre faire Verhandlungsführung und auch die freundschaftliche Haltung der Kanzlerin. Wie bewerten Sie diese Geste?
Steinbach: Es ist eine grandiose Fähigkeit von Angela Merkel, dass sie in schwierigsten Situationen ihre Nerven gut in der Hand hat und aggressive Töne einfach übergeht. Sie lässt es nicht an sich herankommen, sondern sieht den Sachverhalt, den sie lösen will. Das gelingt nicht jedem, weil ja schon manchem auch in unseren europäischen Nachbarländern der Zorn anschwoll. Das war deutlich zu spüren. Die Kommentare in anderen Zeitungen außerhalb Deutschlands haben ja deutlich darauf hingewiesen, dass es erheblichen Unmut auch in vielen anderen europäischen Ländern gab und dass sich erstaunlicherweise ja die Mehrzahl der kleinen Länder - die großen Länder sind ja eine Minderzahl -. aber die Vielzahl der kleinen Länder innerhalb der Europäischen Union nicht an die Seite Polens geschlagen haben, sondern beieinander geblieben sind mit allen anderen, denn Polen war ja bis fast zum Schluss völlig alleine.
Heinlein: Aggressiv von Frau Merkel war aber durchaus die Drohung, Polen abzuhängen vom europäischen Zug. Hätten Sie das bedauert?
Steinbach: Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Wenn Polen einfach nicht mehr will und wenn es sich jeder vernünftigen Lösung versperrt, wie ein bockiges Kind sich selber aussperrt, dann kann man nicht ganz Europa an einem einzigen Lande scheitern lassen. Ob das nun ein großes Land ist oder ein kleines Land, ist dabei völlig unerheblich. Man muss miteinander in so einem großen Gebilde wie der Europäischen Union fähig sein, Kompromisse zu schließen, und wenn es jemanden gibt, der bis zum Schluss erkennbar gar keinen Kompromiss schließen wollte, sondern mit dem Kopf durch die Wand gehen wollte, dann hatte sie keine andere Wahl, um die Europäische Union weiter für die Zukunft irgendwie beweglich zu halten.
Heinlein: Sehen Sie die Gefahr, dass das bockige Kind Polen sich mit den Kaczynski-Zwillingen innerhalb Europas weiter isoliert trotz dieses Kompromisses?
Steinbach: Ich glaube, innerhalb der Europäischen Union hat man so viel Erfahrung jedenfalls in den Ländern, die schon lange Zeit dabei sind und längere Zeit dabei sind, dass man zur Tagesordnung übergehen wird. Allerdings kann es durchaus sein, dass bei dem einen oder anderen durchaus aufgrund dieses Verhandlungsmarathons ein übler Nachgeschmack zurückbleibt.
Heinlein: Sind die Kaczynski-Brüder radikale Nationalisten?
Steinbach: Sie sind Nationalisten. Das ist unübersehbar. Sie sind auch radikal in ihrer Art, Politik zu betreiben. Man merkt aber auch in Polen, dass sie offensichtlich mit ihrer Methodik insgesamt nicht mehr so viel Rückendeckung haben. Ich hatte in der vorigen Woche ein Gespräch mit polnischen Praktikanten im Deutschen Bundestag. Da war nicht ein einziger dabei, der gesagt hätte, er würde die Kaczynskis wählen.
Heinlein: Die Eltern der Kaczynski-Zwillinge waren im Warschauer Ghetto. Können Sie verstehen, dass diese beiden Politiker bis heute Ängste haben mit Blick auf Deutschland?
Steinbach: Polen hat Schlimmes durchgemacht durch Deutschland. Da gibt es traumatische Erlebnisse und Erfahrungen, die bis heute nachwirken. Ich weiß nun aus meinem eigenen Verband, wo es ja auch viele traumatisierte Menschen gibt, die persönlich an ihrem eigenen Leib Schreckliches erlebt haben, dass es Menschen gibt, die das niemals verwinden, und dass es andere gibt, die dann trotzdem irgendwann in die Lage versetzt sind, versöhnlicher zu werden. In der Familie Kaczynski scheint mir die erste Variante der Fall zu sein, dass sehr viel Unversöhnlichkeit da ist. Man kann es nicht übel nehmen. Es ist etwas, was traumatisch in der Familie vorhanden ist. Aber man kann es konstatieren.
Heinlein: Hat man diese traumatischen Empfindungen, diese Gefühle im Vorfeld unterschätzt, im Vorfeld des Gipfels?
Steinbach: Ich glaube nicht, dass man es unterschätzt hat. Mein Eindruck war, dass man sehr wohl darauf eingestellt war, dass da ein Verhandlungsduo, einer in Warschau sitzend, einer in Brüssel, das ist natürlich auch ein Novum, versuchen wird, wirklich alle zu erpressen.
Heinlein: Welchen Beitrag kann Ihr Bund der Vertriebenen dazu leisten, diese traumatischen Erfahrungen noch besser zu verarbeiten?
Steinbach: Man kann ja feststellen in den Gebieten, wo früher Deutsche lebten, da hatten die Kaczynski-Brüder auch bei der Wahl, mit der sie an die Macht gekommen sind, keine Rückendeckung. Dort gab es keine Mehrheit für sie, weil in diesen Städten und in diesen Regionen die Polen festgestellt haben, wir kommen ja tagtäglich mit deutschen Heimatvertriebenen zusammen, wir verständigen uns, wir kommen miteinander aus. Es sind sogar Freundschaften geschlossen worden. Es gibt Partnerschaften und Patenschaften zwischen Städten und den Heimatkreisgemeinschaften der aus diesen Städten vertriebenen Deutschen. Zum Beispiel in dem heute polnischen Ostpreußen gibt es allein 35 solcher Partnerschaften. Man hat aus Warschau versucht, die Bürgermeister und die polnischen Wojwoden zu überzeugen, das abzubrechen diese Partnerschaftsprogramme. Nur ein einziger von diesen 35 hat sich davon beeindrucken lassen. Alle anderen haben gesagt, nein, wir wollen das Miteinander. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dieses politische Warschau, wie es sich heute darstellt, hat in der Tiefe der polnischen Menschen keinen Rückhalt.
Heinlein: Aber Ihr Festhalten am umstrittenen Zentrum gegen Vertreibung und die Forderung der Preußischen Treuhand gießen durchaus Öl ins Feuer für Politiker wie Kaczynski?
Steinbach: Eine Frage, die nicht gelöst ist, die offen ist, wie alle Bundesregierungen immer wieder sagten, wie die Vermögensfrage macht immer wieder Ängste. Sie wissen, der Bund der Vertriebenen hat sich von der Preußischen Treuhand getrennt. Nein, wir haben uns nicht getrennt; wir haben sie von Anfang an abgelehnt. Aber das verhindert nicht, dass eine offene Frage auch immer instrumentalisiert werden kann. Nur hat der Bund der Vertriebenen mit der Preußischen Treuhand nichts zu tun.
Die andere Frage: Wie gehen wir mit unserem eigenen historischen Gedächtnis in Deutschland um und wie gehen wir mit den Erinnerungen der Vertriebenen und ihren Traumata in Deutschland um? Das ist zunächst einmal eine zutiefst deutsche Angelegenheit. Wir mischen uns auch in die Trauerarbeit unserer Nachbarländer zu Recht nicht ein.
Aber wir haben mit der Gründung des Zentrums gegen Vertreibungen als Opferverband eines ja singulär deutlich gemacht: Wir wollen auch an die Schicksale anderer Opfer in Europa erinnern, anderer Vertriebener. Unser Verband ist mit der Gründung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibung der Opferverband, der jetzt auch erstmals mit seiner Ausstellung in Berlin im vergangenen Herbst gezeigt hat, dass es polnische Vertriebene gegeben hat. Das war in Deutschland bisher nicht zu sehen.
Heinlein: Frau Steinbach, kurz die Frage zum Schluss. Werden Sie den Kaczynski-Zwillingen die Hand schütteln, wenn sich die Gelegenheit dafür bietet?
Steinbach: Ich bin ein gut erzogener Mensch. Selbstverständlich gebe ich ihnen die Hand, wenn ich ihnen protokollarisch über den Weg laufen sollte oder sonst auch irgendwo im Leben.
Heinlein: Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke, Frau Steinbach, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Steinbach: Ich danke auch. Auf Wiederhören.
Am Telefon nun die CDU-Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach. Sie ist Präsidentin des Bundes der Vertriebenen. Guten Morgen, Frau Steinbach!
Steinbach: Einen schönen guten Morgen!
Heinlein: Im Vorfeld des Gipfels haben Sie der polnischen Führung vorgeworfen, den Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft bewusst zu torpedieren. Der Gipfel ist nicht gescheitert. Wird es nun Zeit für eine Entschuldigung an Warschau?
Steinbach: Ironisch könnte man ja sagen, es waren wieder leere Versprechungen der Gebrüder Kaczynski, denn sie haben ja gesagt entweder die Quadratwurzel oder der Tot. Es gibt keine Quadratwurzel, aber die beiden haben sich trotzdem nicht entleibt. Unterm Strich allerdings gilt meine uneingeschränkte Bewunderung der Geduld und der Fähigkeit der Bundeskanzlerin, sich nicht provozieren zu lassen, sondern ganz sachgerecht die Verhandlungen zu führen, das große Ganze im Auge zu haben und die Töne aus Warschau einfach zu übergehen und ein gutes Ergebnis unter dem Strich herbeizuführen. Das gute Ergebnis ist nämlich, dass die Europäische Union beieinander bleibt.
Auf der anderen Seite stelle ich innerhalb meines Verbandes fest, das politische Warschau ist glücklicherweise nicht Polen insgesamt, denn das Verhältnis zwischen Polen und den deutschen Heimatvertriebenen in den Gebieten, wo früher Deutsche lebten, ist gut. Es gibt viel Miteinander, und das hat sich auch durch polnisches Verhalten in Warschau überhaupt nicht beeinflussen lassen. So sehe ich der Zukunft doch recht positiv entgegen.
Heinlein: Darüber müssen wir, Frau Steinbach, sicherlich gleich noch reden. Zunächst noch mal zu Lech Kaczynski. Er hat nach dem Gipfel Angela Merkel so wie Sie gerade eben ausdrücklich gelobt für ihre faire Verhandlungsführung und auch die freundschaftliche Haltung der Kanzlerin. Wie bewerten Sie diese Geste?
Steinbach: Es ist eine grandiose Fähigkeit von Angela Merkel, dass sie in schwierigsten Situationen ihre Nerven gut in der Hand hat und aggressive Töne einfach übergeht. Sie lässt es nicht an sich herankommen, sondern sieht den Sachverhalt, den sie lösen will. Das gelingt nicht jedem, weil ja schon manchem auch in unseren europäischen Nachbarländern der Zorn anschwoll. Das war deutlich zu spüren. Die Kommentare in anderen Zeitungen außerhalb Deutschlands haben ja deutlich darauf hingewiesen, dass es erheblichen Unmut auch in vielen anderen europäischen Ländern gab und dass sich erstaunlicherweise ja die Mehrzahl der kleinen Länder - die großen Länder sind ja eine Minderzahl -. aber die Vielzahl der kleinen Länder innerhalb der Europäischen Union nicht an die Seite Polens geschlagen haben, sondern beieinander geblieben sind mit allen anderen, denn Polen war ja bis fast zum Schluss völlig alleine.
Heinlein: Aggressiv von Frau Merkel war aber durchaus die Drohung, Polen abzuhängen vom europäischen Zug. Hätten Sie das bedauert?
Steinbach: Es blieb ihr gar nichts anderes übrig. Wenn Polen einfach nicht mehr will und wenn es sich jeder vernünftigen Lösung versperrt, wie ein bockiges Kind sich selber aussperrt, dann kann man nicht ganz Europa an einem einzigen Lande scheitern lassen. Ob das nun ein großes Land ist oder ein kleines Land, ist dabei völlig unerheblich. Man muss miteinander in so einem großen Gebilde wie der Europäischen Union fähig sein, Kompromisse zu schließen, und wenn es jemanden gibt, der bis zum Schluss erkennbar gar keinen Kompromiss schließen wollte, sondern mit dem Kopf durch die Wand gehen wollte, dann hatte sie keine andere Wahl, um die Europäische Union weiter für die Zukunft irgendwie beweglich zu halten.
Heinlein: Sehen Sie die Gefahr, dass das bockige Kind Polen sich mit den Kaczynski-Zwillingen innerhalb Europas weiter isoliert trotz dieses Kompromisses?
Steinbach: Ich glaube, innerhalb der Europäischen Union hat man so viel Erfahrung jedenfalls in den Ländern, die schon lange Zeit dabei sind und längere Zeit dabei sind, dass man zur Tagesordnung übergehen wird. Allerdings kann es durchaus sein, dass bei dem einen oder anderen durchaus aufgrund dieses Verhandlungsmarathons ein übler Nachgeschmack zurückbleibt.
Heinlein: Sind die Kaczynski-Brüder radikale Nationalisten?
Steinbach: Sie sind Nationalisten. Das ist unübersehbar. Sie sind auch radikal in ihrer Art, Politik zu betreiben. Man merkt aber auch in Polen, dass sie offensichtlich mit ihrer Methodik insgesamt nicht mehr so viel Rückendeckung haben. Ich hatte in der vorigen Woche ein Gespräch mit polnischen Praktikanten im Deutschen Bundestag. Da war nicht ein einziger dabei, der gesagt hätte, er würde die Kaczynskis wählen.
Heinlein: Die Eltern der Kaczynski-Zwillinge waren im Warschauer Ghetto. Können Sie verstehen, dass diese beiden Politiker bis heute Ängste haben mit Blick auf Deutschland?
Steinbach: Polen hat Schlimmes durchgemacht durch Deutschland. Da gibt es traumatische Erlebnisse und Erfahrungen, die bis heute nachwirken. Ich weiß nun aus meinem eigenen Verband, wo es ja auch viele traumatisierte Menschen gibt, die persönlich an ihrem eigenen Leib Schreckliches erlebt haben, dass es Menschen gibt, die das niemals verwinden, und dass es andere gibt, die dann trotzdem irgendwann in die Lage versetzt sind, versöhnlicher zu werden. In der Familie Kaczynski scheint mir die erste Variante der Fall zu sein, dass sehr viel Unversöhnlichkeit da ist. Man kann es nicht übel nehmen. Es ist etwas, was traumatisch in der Familie vorhanden ist. Aber man kann es konstatieren.
Heinlein: Hat man diese traumatischen Empfindungen, diese Gefühle im Vorfeld unterschätzt, im Vorfeld des Gipfels?
Steinbach: Ich glaube nicht, dass man es unterschätzt hat. Mein Eindruck war, dass man sehr wohl darauf eingestellt war, dass da ein Verhandlungsduo, einer in Warschau sitzend, einer in Brüssel, das ist natürlich auch ein Novum, versuchen wird, wirklich alle zu erpressen.
Heinlein: Welchen Beitrag kann Ihr Bund der Vertriebenen dazu leisten, diese traumatischen Erfahrungen noch besser zu verarbeiten?
Steinbach: Man kann ja feststellen in den Gebieten, wo früher Deutsche lebten, da hatten die Kaczynski-Brüder auch bei der Wahl, mit der sie an die Macht gekommen sind, keine Rückendeckung. Dort gab es keine Mehrheit für sie, weil in diesen Städten und in diesen Regionen die Polen festgestellt haben, wir kommen ja tagtäglich mit deutschen Heimatvertriebenen zusammen, wir verständigen uns, wir kommen miteinander aus. Es sind sogar Freundschaften geschlossen worden. Es gibt Partnerschaften und Patenschaften zwischen Städten und den Heimatkreisgemeinschaften der aus diesen Städten vertriebenen Deutschen. Zum Beispiel in dem heute polnischen Ostpreußen gibt es allein 35 solcher Partnerschaften. Man hat aus Warschau versucht, die Bürgermeister und die polnischen Wojwoden zu überzeugen, das abzubrechen diese Partnerschaftsprogramme. Nur ein einziger von diesen 35 hat sich davon beeindrucken lassen. Alle anderen haben gesagt, nein, wir wollen das Miteinander. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dieses politische Warschau, wie es sich heute darstellt, hat in der Tiefe der polnischen Menschen keinen Rückhalt.
Heinlein: Aber Ihr Festhalten am umstrittenen Zentrum gegen Vertreibung und die Forderung der Preußischen Treuhand gießen durchaus Öl ins Feuer für Politiker wie Kaczynski?
Steinbach: Eine Frage, die nicht gelöst ist, die offen ist, wie alle Bundesregierungen immer wieder sagten, wie die Vermögensfrage macht immer wieder Ängste. Sie wissen, der Bund der Vertriebenen hat sich von der Preußischen Treuhand getrennt. Nein, wir haben uns nicht getrennt; wir haben sie von Anfang an abgelehnt. Aber das verhindert nicht, dass eine offene Frage auch immer instrumentalisiert werden kann. Nur hat der Bund der Vertriebenen mit der Preußischen Treuhand nichts zu tun.
Die andere Frage: Wie gehen wir mit unserem eigenen historischen Gedächtnis in Deutschland um und wie gehen wir mit den Erinnerungen der Vertriebenen und ihren Traumata in Deutschland um? Das ist zunächst einmal eine zutiefst deutsche Angelegenheit. Wir mischen uns auch in die Trauerarbeit unserer Nachbarländer zu Recht nicht ein.
Aber wir haben mit der Gründung des Zentrums gegen Vertreibungen als Opferverband eines ja singulär deutlich gemacht: Wir wollen auch an die Schicksale anderer Opfer in Europa erinnern, anderer Vertriebener. Unser Verband ist mit der Gründung der Stiftung Zentrum gegen Vertreibung der Opferverband, der jetzt auch erstmals mit seiner Ausstellung in Berlin im vergangenen Herbst gezeigt hat, dass es polnische Vertriebene gegeben hat. Das war in Deutschland bisher nicht zu sehen.
Heinlein: Frau Steinbach, kurz die Frage zum Schluss. Werden Sie den Kaczynski-Zwillingen die Hand schütteln, wenn sich die Gelegenheit dafür bietet?
Steinbach: Ich bin ein gut erzogener Mensch. Selbstverständlich gebe ich ihnen die Hand, wenn ich ihnen protokollarisch über den Weg laufen sollte oder sonst auch irgendwo im Leben.
Heinlein: Die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, heute Morgen hier im Deutschlandfunk. Ich danke, Frau Steinbach, für das Gespräch und auf Wiederhören.
Steinbach: Ich danke auch. Auf Wiederhören.