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Steinbrück: "Kohle ist eine Art Versicherungspolice"

Heinlein: Zum Thema des Tages, der Ölpreis und die OPEC-Tagung in Beirut. Der Spritpreis er steigt und steigt und mit ihm die Wut der Autofahrer, einen Benzingipfel fordert die Opposition und eine Aussetzung der ungeliebten Ökosteuer. Die Bundesregierung warnt dagegen vor Hysterie, der Aufschwung sei nicht in Gefahr. Dennoch warnen viele Experten vor einer Beeinträchtigung der zarten Konjunkturbelebung durch das anhaltend hohe Preisniveau für Öl und Gas. Darüber habe ich vor der Sendung mit dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, gesprochen, er war bei uns hier zu Gast im Funkhaus des Deutschlandfunks und ich habe ihn zunächst gefragt, ob er glaubt, dass der Aufschwung an den Zapfsäulen kaputtgemacht wird.

    Steinbrück: Ich hoffe nicht, aber wenn es so weiter gehen sollte und man auf einen Barrelpreis käme in der Dimension von 45 bis 50 Euro, dann müssen wir befürchten, dass das unsere Konjunktur lähmt.

    Heinlein: Die OPEC will ja heute die Erhöhung der Förderquoten beschließen. Was erwarten Sie von diesen Beschlüssen, welche Auswirkungen hat das wiederum?

    Steinbrück: Ich hoffe, es sind sehr weise Beschlüsse von der OPEC, die schon von dem Gefühl getragen sind, dass es eine Mitverantwortung für die Weltwirtschaftsentwicklung und für die Konjunkturentwicklung weltweit gibt und dass auch die OPEC Staaten kein Interesse daran haben können, dass sowohl Nordamerika wie auch Europa einen Einbruch bei einem sich langsam aufhellenden Konjunkturhimmel jetzt bekommen. Denn das hätte weitreichende Auswirkungen natürlich auch für die Staaten außerhalb Nordamerikas und Europas.

    Heinlein: Herr Steinbrück, es ist ja nicht nur die OPEC, die den Ölpreis beeinflusst sondern viele internationale Faktoren. Welche Möglichkeit hat denn die nationale Politik, die deutsche Politik, diese Entwicklung zu beeinflussen?

    Steinbrück: Eine geringe, wie wir wissen mit Blick auf die Tagesentwicklung des Barrelpreises für Rohöl, da wollen wir uns mal nichts vormachen. Ich bin auch dagegen und unterstütze all diejenigen in der Bundesregierung, die sagen, da macht es keinen Sinn, jetzt eine Art nationalen Aktionsplan dagegen zu setzen. Ich bin auch dagegen, dass plötzlich die Ökosteuer verringert wird, vor dem Hintergrund insbesondere der Tatsache, dass das Geld an anderer Stelle, sprich zur Stabilisierung der sozialen Sicherungssysteme dann fehlt. Ich beklage eher, dass wir diesen Fehler nach meiner Erinnerung vor ungefähr mal drei Jahren gemacht haben, mit dem Ergebnis, dass wir die Pendlerpauschale deutlich erhöht haben mit sehr fatalen Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, unter denen wir heute noch leiden.

    Heinlein: Herr Steinbrück, ist der hohe Ölpreis auch ein Argument für die Kohle? Ein Thema, dass Ihnen ja als NRW-Ministerpräsident besonders am Herzen liegen müsste.

    Steinbrück: Naja, in zweierlei Hinsicht, wir haben ja gerade die sehr wichtige Konferenz in Bonn über die so genannten "Renewables" , die erneuerbaren Energien, eine sehr wichtige Konferenz. Und in der Tat, der Rohölpreis bringt natürlich dann Themen auf die Tagesordnung, die vielleicht doch ein bisschen in Vergessenheit geraten sind. Wie wichtig es ist, diese erneuerbaren Energiequellen zu entwickeln und sich damit unabhängiger zu machen, auch von den Ölpreisentwicklungen und -ausschlägen. Aber zweitens, ja, ich gehöre zu denjenigen, die immer wieder gesagt haben, geht sorgsam um mit dem nationalen Energieträger, den wir haben, mit der heimischen Kohle, es ist eine Art Versicherungspolice gegen die Unwägbarkeiten auf Weltenergiemärkten und deshalb bin ich derjenige, der sagt, ja, Braunkohle, ohnehin subventionsfrei, aber auch Steinkohle sind für uns von erheblicher Bedeutung um eine stabile Energieversorgung auch in der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten.

    Heinlein: Sollte noch einmal nachgedacht werden über die Kohlesubvention? Sie haben ja zuletzt beschlossen, sie langfristig runterzufahren.

    Steinbrück: Nein, die Entscheidungen sind getroffen und es wäre sträflich, jetzt diesen Kompromiss oder diese Ergebnis wieder in Frage zu stellen. Sie sagen es ganz richtig, die Beihilfen für die Steinkohle gehen weiter runter, es ist übrigens einer der Subventionsbereiche gewesen, der zwischen 1997 und 2005 fast um 45 Prozent, wenn nicht sogar ein paar Prozentpunkte mehr gekürzt worden ist. Ich kenne keinen zweiten Subventionsbereich in Deutschland, der so gekürzt worden ist wie die deutsche Steinkohle.

    Heinlein: Frage zu einem ganz anderen Thema, Herr Steinbrück, der Fall Metin Kaplan sorgt weiter fast täglich für Schlagzeilen. Die Opposition fordert einen Untersuchungsausschuss wegen dieser Behördenpannen. Werden Sie Ihren Teil zur Aufklärung beitragen?

    Steinbrück: Selbstverständlich, aber ich finde die Aufstellung der Opposition dazu sträflich, sehr eilfertig, es gibt mir schon zu denken, dass der Oppositionsführer im Düsseldorfer Landtag, Herr Rüttgers, teilweise von Sachverhalten redet, mit denen er zu erkennen gibt, dass er keine Ahnung davon hat. Also, in dem Augenblick, wo er von einem Zentralregister gesprochen hat, das es längst gibt oder über den Landesverfassungsschutz räsoniert in Unkenntnis seiner Aufgaben oder über Erleichterung, was die Abschiebung betrifft, nicht registrierend, dass das absolut Gegenstand des sicherheitsrechtlich relevanten Paketes beim Zuwanderungsgesetz ist. Andere räsonieren sehr eilfertig über irgendwelche Rücktritte obwohl sie Informationen erst zwei Stunden vorher bekommen haben, dazu gehört leider Herr Westerwelle. Ich möchte gerne, dass mit dieser Situation sorgsamer umgegangen wird, selbstverständlich aufgeklärt wird, wo es in dem Zusammenwirken von Behörden Defizite gegeben hat, gar keine Frage, aber bitte nicht in dieser Aufregung sondern gelegentlich auch ein bisschen Staatsbürgerkundeunterricht und darauf hinweisen, das Gerichte beteiligt sind und Gerichte nach der Montesquieuischen Gewaltenteilung nicht identisch sind mit Behörden oder mit Regierungen.

    Heinlein: Die Sicherungshaft, gefordert von Ihrem Ministerpräsidentenkollegen Koch, bleibt für Sie ein Tabu?

    Steinbrück: Ja, ich will da gar nicht den Fehler selber machen, den ich gerade vorher selber beklagt habe, immer reflexhaft gegen etwas zu sein, was eine andere Seite vorgeschlagen hat. Ich vertraue darauf, dass das, was es an Einigung gegeben hat zu dem Zuwanderungsgesetz, hier noch mal Gegenstand eines Fachgespräches ist der Fachpolitiker, nach meiner Erinnerung soll das am Sonntag den 13. Juni stattfinden und ich habe gar nichts dagegen, wenn das Thema Hausarrest und auch Sicherheitsverwahrung im Zusammenhang mit den Erfahrungen aus dem Kaplanfall dabei erörtert wird.

    Heinlein: Glauben Sie, dass die bestehende Rechtslage nun ausreichen wird, um Metin Kaplan rasch auszuweisen?

    Steinbrück: Ich glaube, dass das Zuwanderungsgesetz, wenn es denn so verabschiedet wird, wie es jetzt angelegt ist nach dem Kompromiss oder nach der Einigung bei dem Bundeskanzler, eine sehr viel bessere Handhabe gibt auch um mit einem solchen Abschiebungsfall umzugehen. Ansonsten, ja, die Politik kann sich nur und damit auch die Strafverfolgungsbehörden können sich nur auf der Ebene bewegen, die ihnen rechtlich vorgegeben ist und das haben einige Politiker in ihren Bewertungen der vergangenen Wochen doch sträflich vergessen.

    Heinlein: Können Sie sicherstellen, dass Metin Kaplan nicht noch einmal abtaucht?

    Steinbrück: Ich erwarte, dass die Behörden, die damit beauftragt sind, dafür nun eine Gewähr bieten. Sie wissen, dass der Haftbefehl ausgesetzt ist, also vor dem Hintergrund der Polizei auch enge Grenzen gesetzt sind, das ist schwer verständlich für viele Bürgerinnen und Bürger, das ist mir klar, aber wir haben es hier mit einem Rechtsschutz und wir haben es mit rechtlichen Verfahren zu tun, die Gegenstand dieses Rechtsstaates Bundesrepublik Deutschland sind und ich bin dagegen, dass vor dem Hintergrund einer mangelhaften Situation, einer beklagenswerten Situation plötzlich etwas über Bord geworfen wird, was die demokratischen Qualität unserer Gesellschaft nun ausmacht. Das schließt nicht aus, sondern das schließt ein aufzuarbeiten, wo es Defizite gegeben hat in der Kooperation von Behörden. Das schließt durchaus ein, auch zu sehen, ob die rechtlichen Grundlagen nicht geändert werden müssen. Aber, bitte nicht so eilfertig und nicht so sabbelig, wie das teilweise geschieht.

    Heinlein: Der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, SPD, heute Mittag hier im Deutschlandfunk.