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Steinmeier als Gauck-Nachfolger?
"Ein Kandidat, vor dem ich hohen Respekt habe"

Sie könne sich Frank-Walter Steinmeier durchaus als Bundespräsidenten vorstellen, sagte die Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt im DLF. Allerdings könne man sich nicht noch einmal wochenlanges Gezerre um die Nominierung eines Kandidaten leisten. Die Politik müsse angesichts der "Populismuswelle in der Republik" konstruktiv zusammenarbeiten.

Katrin Göring-Eckardt im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 14.11.2016
    Die Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt
    Die Grünen-Ko-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt (dpa/picture alliance/Britta Pedersen)
    Jürgen Zurheide: Wir wollen jetzt nachfragen beim politischen Wettbewerber: bei den Grünen. Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, ist bei uns am Telefon. Zunächst einmal guten Abend, Frau Göring-Eckardt.
    Katrin Göring-Eckardt: Guten Abend. Ich grüße Sie.
    Zurheide: Fangen wir an mit dem Kandidaten. Danach werden wir über das Verfahren reden. Der Kandidat Steinmeier, ist das für Sie ein würdiger Bundespräsidentenkandidat?
    Göring-Eckardt: Ja, das ist ein Kandidat, vor dem ich hohen Respekt habe. Das ist übrigens jemand, den ich auch kenne aus dem Kirchentagspräsidium des Evangelischen Kirchentages, also auch von einer anderen "Bühne". Und natürlich kann man, muss man, wird man davon ausgehen können, dass er dieses Amt auch gut bekleidet, auch wenn ich, wir nicht mit all seinen Positionen einverstanden bin, die er als aktiver Partei- und Koalitionspolitiker hat, aber das versteht sich ja von selbst.
    Zurheide: Was sagen Sie zum Verfahren? Da haben Großkoalitionäre zusammen gesessen. Auch Sie ad personam sind natürlich an anderen Gesprächen beteiligt gewesen in unterschiedlichen Konstellationen. Wie bewerten Sie das Verfahren und dann diese, soll ich es Sturzgeburt heute Morgen nennen? Ich weiß gar nicht, wie ich es nennen möchte.
    "Die Person ist absolut respektvoll und würdig"
    Göring-Eckardt: Das war ja ein Verfahren, wo man jetzt nicht sagen kann, das ist geordnet verlaufen oder sinnvoll, sondern da war viel Gewürge dabei, da waren viele Gespräche, das muss man ehrlicherweise sagen. Es waren allerdings eigentlich keine, in denen es wirklich darum gegangen wäre, einen parteiübergreifenden Kandidaten zu finden, und es war etwas, was die Große Koalition ja unter sich permanent beredet hat, nicht auf die Reihe gekriegt hat. Man hat manchmal das Gefühl, da hat dann jeder versucht, den anderen möglichst auszutricksen, und das hat insbesondere ja Sigmar Gabriel dann probiert, indem er Herrn Steinmeier nominiert hat zu einer Zeit, als er eigentlich mit anderen in der Mehrzahl noch im Gespräch gewesen ist. Ich glaube, dass die Person absolut respektvoll ist, und würdig ist und dass ich mir den als Bundespräsidenten vorstellen kann. Das Verfahren sollten wir uns nicht noch mal leisten, weder in dieser, noch in einer ähnlichen Frage. Wenn verschiedene Parteien immer nur sagen, was nicht geht, dann haben wir ein echtes Problem.
    Zurheide: Steht nicht auf der anderen Seite auch ein Stück weit, dass die Union eigentlich nicht in der Lage war, irgendjemand Respektables auf den Schild zu heben? Da hat man dann über Herrn Kretschmann gesprochen, möglicherweise ihn auch öffentlich verbrannt. Ich weiß nicht genau, das wissen Sie vermutlich besser, was da hinter den Kulissen an Gesprächen gelaufen ist. Ist das nicht auch Teil des Problems und Gabriel hat das gemacht, was Sie gerade beschrieben haben?
    Göring-Eckardt: Ja, das ist natürlich auch Teil des Problems. Dass man sich innerhalb der Unions-Parteien nicht einig gewesen ist darüber, welche Signale man senden möchte, welche Personen man ausschließt oder nicht ausschließt, das habe ich gerade schon mal gesagt. Bei manchen Personen hatte man ja das Gefühl, es geht darum, jemanden auszuschließen oder Konstellationen auszuschließen. Ehrlich gesagt finde ich das Allerverrückteste daran, dass wir in so schwierigen Zeiten, wo wir wissen, dass wir eine Populismuswelle in der Republik haben, dass es dann darum zu gehen scheint, ob man mit einer Bundespräsidentenwahl irgendwelche Präjudizien für Koalitionsbildungen im Wahljahr setzt. Und genau das ist völlig klar, wird damit nicht passieren, kann damit nicht passieren, wäre damit nicht passiert, und insofern ist natürlich auch die Frage, wer daran wie verbrannt worden ist, eine, die sicherlich eine Rolle gespielt hat. Zu Herrn Kretschmann vielleicht noch mal klar gesagt: Er hat immer und sehr bewusst gesagt, dass er dieses Amt nicht anstrebt, weil er ja sehr deutlich gemacht hat, er will Ministerpräsident in Baden-Württemberg sein und hat da nicht nur eine ausfüllende, sondern auch eine schwierige Aufgabe, die er auch gerne zu Ende bringen will.
    Zurheide: Sie haben ja auch eine Rolle gespielt in den Debatten.
    Göring-Eckardt: In den Debatten - wenn Sie sich die Liste der Namen anschauen, dann muss man sich schon Gedanken machen, wenn man nicht genannt worden ist. Aber ich habe ja sehr klar und dezidiert gesagt, mein Ziel ist es, Spitzenkandidatin der Grünen zu werden und das gut zu machen. Das ist jetzt auch gerade mein Job.
    Wochenlanges Gezerre
    Zurheide: Sie haben gerade angesprochen die schwierige Zeit, in der wir uns befinden, oder die Herausforderung, die diese Zeit politisch bedeutet. Wäre ein parteiübergreifender Kandidat besser gewesen, oder hätte man nicht genau im Umkehrschluss sagen müssen, ja dann sollen doch bitte die jeweiligen Lager jemanden aufstellen und Demokratie lebt auch vom Wettstreit um Ideen, und dann gewinnt eben der, der am Tag die meisten Stimmen bekommt - Punkt, Ende, aus.
    Göring-Eckardt: Das wäre beides eine gute Möglichkeit gewesen zu sagen, man kann wählen, wirklich wählen, und es ist nicht quasi wie jetzt vorher schon deutlich, wer die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigt. Es wäre auch gut gewesen zu sagen, ein parteiübergreifender Kandidat. Das ist jetzt auch ein bisschen verschüttete Milch, weil natürlich leben wir in einer Zeit, wo manche nur darauf warten, entweder der Politik im Allgemeinen vorzuwerfen, dass sie klüngelt, oder dass sie nicht in der Lage ist, und das ist schon auch traurig, dass die Union nicht in der Lage war, sich zu einigen, einen Kandidaten oder eine Kandidatin vorzuschlagen, und dann nach immer wieder von vorne anfangen zu diesem Entschluss gekommen ist. Manchmal fragt man sich ja auch, was das mit einer Person macht, wie Frank-Walter Steinmeier sie ist, wenn es dann Wochen und Wochen immer nur ein Gezerre gibt, und am Schluss kommt man auf das Ergebnis, was man auch ein paar Wochen vorher schon hätte haben können.
    Zurheide: Ist Frau Merkels Position geschwächt, weil sie am Ende die Einheit der Union nicht hat herstellen können, respektive keinen Kandidaten, keine Kandidatin gefunden hat aus dem eigenen Lager oder ein anderer?
    Göring-Eckardt: Na ja. Einerseits ist natürlich Frau Merkel geschwächt. Auf der anderen Seite muss man schon auch sagen, wenn man sich anschaut, welche Rolle die CSU gespielt hat - ich habe jetzt von der CSU nicht gehört, dass sie einen eigenen Vorschlag gemacht hätten, oder dass sie sich da die ganze Zeit sehr konstruktiv beteiligt hätten. Ich glaube, das liegt schon mindestens mal an beiden Seiten in der Union. Aber das muss man, glaube ich, die Union selber fragen, was sie da für eine Performance abgeliefert haben in den letzten Wochen. Die haben die meisten Stimmen in der Bundesversammlung und auf der anderen Seite war man nicht in der Lage, einen Kandidaten oder noch lieber eine Kandidatin zu präsentieren. Das zeigt etwas über die Große Koalition, dieses Gewürge. Das zeigt nicht gerade, dass man was zusammen auf die Reihe kriegen will. Das zeigt auch was über die Unions-Parteien und ich hoffe nicht, dass diese Krise sich fortsetzt. Dafür sind wir in viel zu schwierigen Zeiten.
    Grüne wollen Kandidat Steinmeier einladen
    Zurheide: Werden die Grünen Herrn Steinmeier mit wählen oder jedenfalls die Mehrheit der Grünen?
    Göring-Eckardt: Wir haben ja gesagt, wir wollen gerne Frank-Walter Steinmeier einladen. Wir wollen mit ihm darüber reden, wie diese Präsidentschaft, in welcher Zeit sie stattfindet, welche Themen das sind. Für uns ist das auf der einen Seite natürlich die internationalen Krisen und die Frage, wie es mit dem gemeinsamen Europa weitergeht. Es ist die Frage des Zusammenhaltes der Gesellschaft, die uns alle umtreibt, aber natürlich auch die Existenzfrage der Rettung des Weltklimas. Alles das spielt eine große Rolle, darüber wollen wir mit ihm sprechen und danach werden wir dann entscheiden, welche Empfehlung wir unseren Mitgliedern der Bundesversammlung geben können, und das ist ja nichts, wo man sagen kann, das haben jetzt alle so zu wählen, wie das die Führung beschließt, sondern da sind ja auch Menschen aus der Zivilgesellschaft dabei. Die werden sicherlich ihre eigenen Entscheidungen treffen. Aber wir wollen dieses Gespräch gern suchen. Wir kennen Frank-Walter Steinmeier als Kanzleramtsminister, wir kennen ihn als Fraktionsvorsitzenden-Kollegen, wir kennen ihn natürlich auch als Außenminister, aber das ist ja noch mal ein anderes Amt, in dem man ja dezidiert und ganz bewusst auch übergreifend arbeiten muss.
    Zurheide: Herzlichen Dank. - Das war Katrin Göring-Eckardt, die Fraktionsvorsitzende der Grünen. Wir haben das Gespräch kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.