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Steinmeier in Polen
Wogen glätten in Warschau

Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat bei seinem heutigen Besuch in Polen keine leichte Aufgabe. Die Beziehungen sind angespannt. Deutsche Politiker kritisierten Polens neue Regierung besonders heftig, und aus Polen kam der Vorwurf einer antipolnischen Kampagne. Steinmeier wirbt nun für ruhigere Töne und dafür, schwierige Themen nicht in der Öffentlichkeit zu debattieren.

Von Florian Kellermann | 21.01.2016
    Frank-Walter Steinmeier steigt in ein Flugzeug
    Frank-Walter Steinmeier am Morgen auf dem Weg nach Warschau (dpa/picture-alliance/ Kay Nietfeld)
    Solche Töne wie in den vergangenen Wochen gab es in den deutsch-polnischen Beziehungen schon lange nicht mehr. Deutsche Politiker übten heftige Kritik an der neuen polnischen Regierung. Ihr Vorgehen habe den Charakter eines Staatsstreichs, sie wolle eine gelenkte Demokratie wie in Russland, sagte etwa der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz.
    Vertreter aus dem polnischen Regierungslager wiederum werteten diese Kritik als antipolnische Kampagne und fuhren ihrerseits starke verbale Geschütze auf - und das im Jubiläumsjahr, 25 Jahre nach dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag.
    Kaczynski: Atmosphäre, die an die Weimarer Republik erinnert
    Am weitesten ging der Vorsitzende der rechtskonservativen Regierungspartei PiS Jaroslaw Kaczynski. In Deutschland herrsche eine antipolnische Stimmung, sagte er, die ihn an die Atmosphäre in der Weimarer Republik erinnere.
    "Erinnern wir uns daran, was daraus folgte. Ernstzunehmende Historiker sagen, ohne diese Vorbereitung, diese Verachtung gegenüber Polen, diesen Hass gegenüber Polen, wäre das, was im Zweiten Weltkrieg passiert ist, nicht möglich gewesen. Die Verbrechen gegenüber Polen wurden in der Großzahl nicht von der SS oder der Gestapo verübt, sondern von gewöhnlichen Deutschen. Sie waren bereit, ein Haus zu umstellen und dort alle zu töten, auch kleine Kinder."
    Auch deutsche Investoren in Polen standen plötzlich am Pranger. Der Abgeordnete der PiS-Fraktion Arkadiusz Mularczyk:
    "Wir versuchen ja, partnerschaftliche Beziehungen aufzubauen, aber das ist schwierig, wenn unser Medien- und unser Finanzsektor von deutschem Kapital dominiert wird. Man muss sich klar machen: Das hat auch etwas mit dem Verhalten des deutschen Staates zu tun, der Polen als Absatzmarkt betrachtet oder sogar als Quasi-Kolonie."
    Eine andere Abgeordnete der PiS rief sogar dazu auf, deutsche Waren zu boykottieren. Zuletzt bemühte sich die polnische Regierung aber um eine versöhnliche Sprache. Die deutsch-polnischen Beziehungen seien nicht angespannt, sagte Außenminister Witold Waszczykowski nach einem Treffen mit dem deutschen Botschafter in Warschau.
    Klimapolitik, Flüchtlinge und US-Truppen an der Grenze
    Der polnische Präsident Andrzej Duda sprach von "unnötigen Worten", die auf beiden Seiten gefallen seien. Beim heutigen Besuch von Frank-Walter Steinmeier wird es allerdings nicht nur um Worte gehen, sondern auch um handfeste Interessen. Beim Nato-Gipfel in Warschau im Juli will Polen eine stärkere Präsenz von US-Truppen an der östlichen Grenze der Nato erreichen. Deutschland sieht solche Pläne skeptisch. Deutliche Unterschiede gibt es auch in der Klimapolitik: Polen will noch möglichst lang auf Kohlestrom setzen. Es verweigert sich deshalb immer ehrgeizigeren Klimazielen in Europa.
    Unmittelbar entgegensetzt sind die Interessen in der Flüchtlingspolitik. Polen will einer EU-weiten Verteilung nicht zustimmen. Die Machthaber in Warschau sträuben sich sogar, die 7.000 Flüchtlinge aus dem Nahen Osten aufzunehmen, die von der Vorgängerregierung zugesagt wurden.
    Dennoch könnte es Steinmeier heute gelingen, die aufgeregte Debatte zu beruhigen, meinen polnische Kommentatoren. Denn der Außenminister warb in den vergangenen Wochen dafür, schwierige Themen nicht laut in der Öffentlichkeit, sondern im Vertrauen zu besprechen.