Bettina Klein: Vor einer Woche genau war ein Porträt von SPD-Kanzlerkandidat Steinmeier zu sehen; heute Abend - Ausgewogenheit muss sein im Wahlkampf - strahlt das ZDF nun eine Dokumentation über die Spitzenkandidatin und Vorsitzende der CDU, über Bundeskanzlerin Angela Merkel aus. - Peter Frey ist einer der Autoren und Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios. Ihn habe ich gefragt, ob er selbst eigentlich während der Dreharbeiten irgendetwas Neues gelernt hat?
Peter Frey: Angela Merkel ist ja vielleicht die öffentlichste Frau Deutschlands und was ich gelernt habe ist, dass sie doch mittlerweile im Auftritt und auch im Umgang mit den Medien mindestens so professionell ist und vielleicht kann man auch sagen so sehr Medienkanzlerin ist, wie Gerhard Schröder Medienkanzler war. Sie hat auch Dinge gelernt, die man als Oppositionsführer von ihr nicht so gewohnt war: Sie kann jetzt doch leicht auf Leute zugehen, sie hat auch gelernt, dass es notwendig ist, die Gelegenheit zu geben, dass jemand ein Foto machen kann mit dem Handy. Früher war das irgendwie für sie mit Schwierigkeiten verbunden, es war ihr nicht angenehm, aber das absolviert sie jetzt als Pflicht und man hat sogar das Gefühl, dass sie es doch einigermaßen genießt. Da hat sie an der einen oder anderen Stelle doch erheblich gehörig an Professionalität gewonnen.
Klein: Sie gilt aber als Politikerin ja nach wie vor, die sehr klar die eigene mediale Inszenierung kontrolliert und auch zum Beispiel mal die Fotografen zur Ordnung ruft. War das spürbar bei den Dreharbeiten?
Frey: Ja, absolut. Wir haben von Beginn an eigentlich darum gekämpft, ihr ein bisschen näher zu kommen, als das normalerweise möglich ist. Fernsehen lebt ja davon, dass die Kamera die Möglichkeit hat, sich zu bewegen und eben nah an das Objekt der Betrachtung heranzugehen, und da mussten wir schon um Verständnis werben, um sozusagen aus den üblichen Fotopunkten herauszukommen. Man muss allerdings auch sagen, natürlich ist die Bundeskanzlerin bei internationalen Gipfeln auch nicht immer die Herrin des Geschehens, sondern ist ihrerseits davon abhängig, dass es Sicherheitsvorkehrungen gibt, dass es bestimmte Foto-Ops gibt, wie das auf dem internationalen Parkett heißt, aber sagen wir bei den kleineren Terminen, wo sie die Herrin des Verfahrens war, haben wir dann dafür gekämpft, Überzeugungsarbeit geleistet, doch etwas näher an sie ranzukommen, mit ihr auch einmal mitgehen zu können, zum Beispiel bei einer Kunstausstellung in Leipzig, und da haben wir schon auch das Bild einer anderen Frau einfangen können.
Klein: Welche Frau?
Frey: Einer Frau, die ihre Vorlieben hat, die zum Beispiel bei dieser Kunstausstellung in Leipzig - das war die Eröffnung der Jahresausstellung der sogenannten Wollspinnerei und da zeigte sie im Grunde ein bisschen auch von sich selber. Sie hat ja in Leipzig studiert. Einer ihrer Stiefsöhne ist Fotokünstler und im Umkreis dieser Galeristen und Künstler tätig. Mein Eindruck war, ihre Einladung, sie gerade dorthin zu begleiten, damit hat sie so ein kleines Fenster auch in ihre eigene Welt hinein geöffnet, aber es ist immer noch eine sehr kontrollierte Welt und alles Private, das weitergehende Private schottet Angela Merkel weiterhin ab.
Klein: Herr Frey, es gibt ja eine ganze Gilde von Journalisten, die sich in der Beschreibung der Angela Merkel versucht haben und auch darin, ihr sogenanntes Machtgeheimnis zu lüften. Über das hinaus, was Sie gerade beschrieben haben, was haben Sie denn noch ergründen wollen?
Frey: Ich finde, dass sie außerordentlich diszipliniert ist. In all den Wochen und Monaten, die wir sie jetzt beobachtet und begleitet haben, ist ihr kein einziger Fehltritt unterlaufen, kein Aussetzer. Es war nicht immer alles perfekt, aber es waren eben auch keine Fehler dabei. Ich erinnere mich an eine Szene im Jahr 2005, damals haben wir einen ähnlichen Film über Gerhard Schröder gemacht. Ich war mit ihm in Washington und er machte ein Schaltgespräch mit den "Tagesthemen" und da wurden Fragen zur Innenpolitik gestellt, was eigentlich nicht verabredet war, und am Ende des Gesprächs riss sich Schröder den Ohrhörer heraus und war wirklich verärgert und rauschte wutschnaubend davon. Eine solche Szene würde mit Angela Merkel einfach nicht vorkommen. Sie ist kontrolliert, sie ist diszipliniert, sie kann ein unglaubliches Pensum absolvieren. Sie ist nicht immer brillant, aber sie ist verlässlich und ich glaube, das ist auch die Rolle, die sie in der Krise uns gezeigt hat und mit der sie jetzt auch versuchen wird, im Wahlkampf zu bestehen.
Klein: Menschen und Macht - es ist immer die große Frage: Was passiert nach einigen Jahren, wenn sich das verbindet oder verbunden hat. Sie verfolgen Frau Merkel auch schon seit etlichen Jahren. Welche Spuren erkennen Sie bei ihr?
Frey: Interessant ist, dass sie darüber selber nachdenkt. Wir haben für den Film ein hintergründiges Interview mit ihr geführt und ich habe ganz am Ende sie gefragt, "gibt es irgendeinen Aspekt Ihrer Kanzlerschaft, der Ihnen wichtig ist und den wir jetzt noch nicht in diesem Gespräch berührt haben", und da kam sie auf einen Artikel zu sprechen von Alexander Osang im "Spiegel", der sie als eine Art von deutscher Queen bezeichnet hat in ihrem öffentlichen Umgang, also als eine Frau, die zwar zu den Menschen geht, aber wo es immer eine Art von Glaswand sozusagen zwischen ihr und den Menschen gibt, und das hat sie betrübt. Sie sprach sogar von einem Stück Traurigkeit und hat durchaus eingeräumt, dass natürlich die Sicherheitsvorkehrungen und das Protokoll, in dem sie sich bewegt, dazu beitragen, dass eine solche Distanz auch entstehen kann. Sie hat aber auch gesagt, das ist die eine Seite und die andere Seite ist doch der Zugewinn - das war das Wort, das sie benutzt hat -, der Zugewinn, der dieses Amt für sie ganz persönlich bedeutet. Und ich vermute, sie hat eben auf ihrer internationalen Begegnungen angespielt und darauf, dass sie als Kanzlerin doch auch bei den Menschen ankommen kann.
Klein: Heute Abend läuft die Dokumentation über Angela Merkel. Genau vor einer Woche lief das Porträt von Frank-Walter Steinmeier, ihrem Herausforderer. Was ist für Sie der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden, jetzt auch nachdem das ZDF beide Dokumentationen fertiggestellt hat?
Frey: Zunächst sind sie doch frappierend ähnlich in ihrem äußerst sachlichen Umgang mit der Politik und auch mit einer Bescheidenheit, mit der sie vor die Kameras treten und sich in der Öffentlichkeit präsentieren, die in beiden Fällen, glaube ich, doch auch ziemlich authentisch ist. Aber es gibt wirklich einen wesentlichen Unterschied, und der besteht darin, dass Frank-Walter Steinmeier doch die Ämter, das Amt des Außenministers und jetzt auch diese Funktion des Kanzlerkandidaten, zugefallen ist aufgrund des Zustandes auch seiner eigenen Partei, während Angela Merkel doch gekämpft hat. Doch schon Ende der 90er-Jahre war für sie absehbar, dass sie eine Chance haben würde, Kanzlerin zu werden, und sie hat ja viel auf sich genommen - denken wir an dieses Frühstück in Wolfratshausen, Leipzig, dann diese qualvolle Wahlnacht 2005, wo sie ja eigentlich verloren hatte oder jedenfalls ein bitteres Wahlergebnis eingefahren hat - und sie hat sich doch immer wieder angepasst, erneuert, verändert, antreiben lassen und eben mit ungeheuerer Disziplin und mit Machtwillen ist sie dran geblieben. Ich glaube, das ist schon ein entscheidender Unterschied.
Klein: Was lässt sich denn sagen über das Zuschauerinteresse? Wie hoch waren die Einschaltquoten vor einer Woche? Waren Sie da zufrieden?
Frey: Wissen Sie, um 20:15 Uhr - das ist ein Sendeplatz, wo man normalerweise Unterhaltung präsentiert bekommt, und dann noch an einem wunderschönen Sommerabend. Es hätten mehr Zuschauer sein können bei Frank-Walter Steinmeier und wir hoffen jetzt mal, dass wir mit der Kanzlerin noch ein paar mehr erreichen.
Klein: Herr Frey, wir stehen jetzt sieben Wochen vor der Bundestagswahl. Nach Ihrer Wahrnehmung, erkennen Sie Unterschiede zur Zeit vor vier Jahren, was das Wähler- und das Zuschauerinteresse an Politik, an den Wahlkampf angeht?
Frey: Absolut! Wir hatten im Jahr 2005 ja wirklich eine zugespitzte Situation. Das ganze Drama der rot-grünen Regierungszeit ist in diesen Zeiten noch mal richtig geronnen. Es war wirklich ein Kampf um die Macht, auch sehr polarisiert: auf der einen Seite Frau Merkel mit einer Reformagenda, Kirchhof wurde ja ungefähr um diese Zeit dann in den Wahlkampf eingeführt, auf der anderen Seite Schröder, der ein bisschen Wahlkampf gegen sich selber und gegen die Agenda 2010 machte. Von all dem ist im Moment ja gar nichts zu spüren. Man hat ja das Gefühl, dass im Grunde Steinmeier zwar versucht, die Vorhand zu gewinnen und in die Offensive zu kommen, aber das prallt an Merkel ja geradezu ab. Stell dir vor, es ist Wahlkampf und keiner hört zu - das ist die Situation. Ich glaube, Frau Merkel versucht das auch, sozusagen präsidial zu bleiben, in dieser Situation in der Rolle zu bleiben. Das ist natürlich mit einem Risiko verbunden: Wenn es irgendeine Überraschung geben sollte, dann muss sie raus aus dieser Rolle.
Klein: Sie haben jetzt Dokumentationen über beide Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien gedreht. Inwiefern, glauben Sie, ist oder war das eine Entscheidungshilfe für die Wähler?
Frey: Ich glaube schon, weil man eben bei so einer Langzeitbeobachtung nicht der Inszenierung des Augenblicks, was ja doch in vielen Fernsehinterviews und Talkshows der Fall ist, nachgehen kann, sondern man erlebt auf lange, lange Zeit die Protagonisten, man trennt sich von außerordentlich viel Material und man entscheidet sich dann am Schneidetisch sozusagen für die spannenden und auch für die ungewohnten Einblicke und Momente, was den Porträtierten angeht. Aber wir haben ja auch mit sehr vielen Menschen aus dem Umkreis gesprochen. Das war schon bei den Kollegen so, die Frank-Walter Steinmeier in Brakelsiek, in seiner Heimat sozusagen ergründet haben, im Sportverein. Wir sind bei Angela Merkel nicht so tief in die Biografie eingetreten, hatten aber auch das Glück, mindestens zwei Menschen zu treffen, die mit ihr befreundet sind oder Freunde der Familie sind und die uns auch ein bisschen erzählt haben, wie die private Angela Merkel funktioniert, wenn man sich in der Uckermark trifft, oder was für ein Typ ihr Ehemann ist, Professor Sauer, der ja vor den Kameras überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Insofern, glaube ich, ist damit schon ein bisschen ein Erkenntnisgewinn verbunden.
Klein: Der ZDF-Autor Peter Frey über die Dokumentation, die das Zweite Deutsche Fernsehen heute Abend der Bundeskanzlerin widmet.
Peter Frey: Angela Merkel ist ja vielleicht die öffentlichste Frau Deutschlands und was ich gelernt habe ist, dass sie doch mittlerweile im Auftritt und auch im Umgang mit den Medien mindestens so professionell ist und vielleicht kann man auch sagen so sehr Medienkanzlerin ist, wie Gerhard Schröder Medienkanzler war. Sie hat auch Dinge gelernt, die man als Oppositionsführer von ihr nicht so gewohnt war: Sie kann jetzt doch leicht auf Leute zugehen, sie hat auch gelernt, dass es notwendig ist, die Gelegenheit zu geben, dass jemand ein Foto machen kann mit dem Handy. Früher war das irgendwie für sie mit Schwierigkeiten verbunden, es war ihr nicht angenehm, aber das absolviert sie jetzt als Pflicht und man hat sogar das Gefühl, dass sie es doch einigermaßen genießt. Da hat sie an der einen oder anderen Stelle doch erheblich gehörig an Professionalität gewonnen.
Klein: Sie gilt aber als Politikerin ja nach wie vor, die sehr klar die eigene mediale Inszenierung kontrolliert und auch zum Beispiel mal die Fotografen zur Ordnung ruft. War das spürbar bei den Dreharbeiten?
Frey: Ja, absolut. Wir haben von Beginn an eigentlich darum gekämpft, ihr ein bisschen näher zu kommen, als das normalerweise möglich ist. Fernsehen lebt ja davon, dass die Kamera die Möglichkeit hat, sich zu bewegen und eben nah an das Objekt der Betrachtung heranzugehen, und da mussten wir schon um Verständnis werben, um sozusagen aus den üblichen Fotopunkten herauszukommen. Man muss allerdings auch sagen, natürlich ist die Bundeskanzlerin bei internationalen Gipfeln auch nicht immer die Herrin des Geschehens, sondern ist ihrerseits davon abhängig, dass es Sicherheitsvorkehrungen gibt, dass es bestimmte Foto-Ops gibt, wie das auf dem internationalen Parkett heißt, aber sagen wir bei den kleineren Terminen, wo sie die Herrin des Verfahrens war, haben wir dann dafür gekämpft, Überzeugungsarbeit geleistet, doch etwas näher an sie ranzukommen, mit ihr auch einmal mitgehen zu können, zum Beispiel bei einer Kunstausstellung in Leipzig, und da haben wir schon auch das Bild einer anderen Frau einfangen können.
Klein: Welche Frau?
Frey: Einer Frau, die ihre Vorlieben hat, die zum Beispiel bei dieser Kunstausstellung in Leipzig - das war die Eröffnung der Jahresausstellung der sogenannten Wollspinnerei und da zeigte sie im Grunde ein bisschen auch von sich selber. Sie hat ja in Leipzig studiert. Einer ihrer Stiefsöhne ist Fotokünstler und im Umkreis dieser Galeristen und Künstler tätig. Mein Eindruck war, ihre Einladung, sie gerade dorthin zu begleiten, damit hat sie so ein kleines Fenster auch in ihre eigene Welt hinein geöffnet, aber es ist immer noch eine sehr kontrollierte Welt und alles Private, das weitergehende Private schottet Angela Merkel weiterhin ab.
Klein: Herr Frey, es gibt ja eine ganze Gilde von Journalisten, die sich in der Beschreibung der Angela Merkel versucht haben und auch darin, ihr sogenanntes Machtgeheimnis zu lüften. Über das hinaus, was Sie gerade beschrieben haben, was haben Sie denn noch ergründen wollen?
Frey: Ich finde, dass sie außerordentlich diszipliniert ist. In all den Wochen und Monaten, die wir sie jetzt beobachtet und begleitet haben, ist ihr kein einziger Fehltritt unterlaufen, kein Aussetzer. Es war nicht immer alles perfekt, aber es waren eben auch keine Fehler dabei. Ich erinnere mich an eine Szene im Jahr 2005, damals haben wir einen ähnlichen Film über Gerhard Schröder gemacht. Ich war mit ihm in Washington und er machte ein Schaltgespräch mit den "Tagesthemen" und da wurden Fragen zur Innenpolitik gestellt, was eigentlich nicht verabredet war, und am Ende des Gesprächs riss sich Schröder den Ohrhörer heraus und war wirklich verärgert und rauschte wutschnaubend davon. Eine solche Szene würde mit Angela Merkel einfach nicht vorkommen. Sie ist kontrolliert, sie ist diszipliniert, sie kann ein unglaubliches Pensum absolvieren. Sie ist nicht immer brillant, aber sie ist verlässlich und ich glaube, das ist auch die Rolle, die sie in der Krise uns gezeigt hat und mit der sie jetzt auch versuchen wird, im Wahlkampf zu bestehen.
Klein: Menschen und Macht - es ist immer die große Frage: Was passiert nach einigen Jahren, wenn sich das verbindet oder verbunden hat. Sie verfolgen Frau Merkel auch schon seit etlichen Jahren. Welche Spuren erkennen Sie bei ihr?
Frey: Interessant ist, dass sie darüber selber nachdenkt. Wir haben für den Film ein hintergründiges Interview mit ihr geführt und ich habe ganz am Ende sie gefragt, "gibt es irgendeinen Aspekt Ihrer Kanzlerschaft, der Ihnen wichtig ist und den wir jetzt noch nicht in diesem Gespräch berührt haben", und da kam sie auf einen Artikel zu sprechen von Alexander Osang im "Spiegel", der sie als eine Art von deutscher Queen bezeichnet hat in ihrem öffentlichen Umgang, also als eine Frau, die zwar zu den Menschen geht, aber wo es immer eine Art von Glaswand sozusagen zwischen ihr und den Menschen gibt, und das hat sie betrübt. Sie sprach sogar von einem Stück Traurigkeit und hat durchaus eingeräumt, dass natürlich die Sicherheitsvorkehrungen und das Protokoll, in dem sie sich bewegt, dazu beitragen, dass eine solche Distanz auch entstehen kann. Sie hat aber auch gesagt, das ist die eine Seite und die andere Seite ist doch der Zugewinn - das war das Wort, das sie benutzt hat -, der Zugewinn, der dieses Amt für sie ganz persönlich bedeutet. Und ich vermute, sie hat eben auf ihrer internationalen Begegnungen angespielt und darauf, dass sie als Kanzlerin doch auch bei den Menschen ankommen kann.
Klein: Heute Abend läuft die Dokumentation über Angela Merkel. Genau vor einer Woche lief das Porträt von Frank-Walter Steinmeier, ihrem Herausforderer. Was ist für Sie der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden, jetzt auch nachdem das ZDF beide Dokumentationen fertiggestellt hat?
Frey: Zunächst sind sie doch frappierend ähnlich in ihrem äußerst sachlichen Umgang mit der Politik und auch mit einer Bescheidenheit, mit der sie vor die Kameras treten und sich in der Öffentlichkeit präsentieren, die in beiden Fällen, glaube ich, doch auch ziemlich authentisch ist. Aber es gibt wirklich einen wesentlichen Unterschied, und der besteht darin, dass Frank-Walter Steinmeier doch die Ämter, das Amt des Außenministers und jetzt auch diese Funktion des Kanzlerkandidaten, zugefallen ist aufgrund des Zustandes auch seiner eigenen Partei, während Angela Merkel doch gekämpft hat. Doch schon Ende der 90er-Jahre war für sie absehbar, dass sie eine Chance haben würde, Kanzlerin zu werden, und sie hat ja viel auf sich genommen - denken wir an dieses Frühstück in Wolfratshausen, Leipzig, dann diese qualvolle Wahlnacht 2005, wo sie ja eigentlich verloren hatte oder jedenfalls ein bitteres Wahlergebnis eingefahren hat - und sie hat sich doch immer wieder angepasst, erneuert, verändert, antreiben lassen und eben mit ungeheuerer Disziplin und mit Machtwillen ist sie dran geblieben. Ich glaube, das ist schon ein entscheidender Unterschied.
Klein: Was lässt sich denn sagen über das Zuschauerinteresse? Wie hoch waren die Einschaltquoten vor einer Woche? Waren Sie da zufrieden?
Frey: Wissen Sie, um 20:15 Uhr - das ist ein Sendeplatz, wo man normalerweise Unterhaltung präsentiert bekommt, und dann noch an einem wunderschönen Sommerabend. Es hätten mehr Zuschauer sein können bei Frank-Walter Steinmeier und wir hoffen jetzt mal, dass wir mit der Kanzlerin noch ein paar mehr erreichen.
Klein: Herr Frey, wir stehen jetzt sieben Wochen vor der Bundestagswahl. Nach Ihrer Wahrnehmung, erkennen Sie Unterschiede zur Zeit vor vier Jahren, was das Wähler- und das Zuschauerinteresse an Politik, an den Wahlkampf angeht?
Frey: Absolut! Wir hatten im Jahr 2005 ja wirklich eine zugespitzte Situation. Das ganze Drama der rot-grünen Regierungszeit ist in diesen Zeiten noch mal richtig geronnen. Es war wirklich ein Kampf um die Macht, auch sehr polarisiert: auf der einen Seite Frau Merkel mit einer Reformagenda, Kirchhof wurde ja ungefähr um diese Zeit dann in den Wahlkampf eingeführt, auf der anderen Seite Schröder, der ein bisschen Wahlkampf gegen sich selber und gegen die Agenda 2010 machte. Von all dem ist im Moment ja gar nichts zu spüren. Man hat ja das Gefühl, dass im Grunde Steinmeier zwar versucht, die Vorhand zu gewinnen und in die Offensive zu kommen, aber das prallt an Merkel ja geradezu ab. Stell dir vor, es ist Wahlkampf und keiner hört zu - das ist die Situation. Ich glaube, Frau Merkel versucht das auch, sozusagen präsidial zu bleiben, in dieser Situation in der Rolle zu bleiben. Das ist natürlich mit einem Risiko verbunden: Wenn es irgendeine Überraschung geben sollte, dann muss sie raus aus dieser Rolle.
Klein: Sie haben jetzt Dokumentationen über beide Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien gedreht. Inwiefern, glauben Sie, ist oder war das eine Entscheidungshilfe für die Wähler?
Frey: Ich glaube schon, weil man eben bei so einer Langzeitbeobachtung nicht der Inszenierung des Augenblicks, was ja doch in vielen Fernsehinterviews und Talkshows der Fall ist, nachgehen kann, sondern man erlebt auf lange, lange Zeit die Protagonisten, man trennt sich von außerordentlich viel Material und man entscheidet sich dann am Schneidetisch sozusagen für die spannenden und auch für die ungewohnten Einblicke und Momente, was den Porträtierten angeht. Aber wir haben ja auch mit sehr vielen Menschen aus dem Umkreis gesprochen. Das war schon bei den Kollegen so, die Frank-Walter Steinmeier in Brakelsiek, in seiner Heimat sozusagen ergründet haben, im Sportverein. Wir sind bei Angela Merkel nicht so tief in die Biografie eingetreten, hatten aber auch das Glück, mindestens zwei Menschen zu treffen, die mit ihr befreundet sind oder Freunde der Familie sind und die uns auch ein bisschen erzählt haben, wie die private Angela Merkel funktioniert, wenn man sich in der Uckermark trifft, oder was für ein Typ ihr Ehemann ist, Professor Sauer, der ja vor den Kameras überhaupt nicht in Erscheinung tritt. Insofern, glaube ich, ist damit schon ein bisschen ein Erkenntnisgewinn verbunden.
Klein: Der ZDF-Autor Peter Frey über die Dokumentation, die das Zweite Deutsche Fernsehen heute Abend der Bundeskanzlerin widmet.