Spengler: Herr Wegner, künftiger Vorstandsvorsitzender soll so heißt es Kai-Uwe Ricke werden, der jetzige Chef der Mobilfunktochter T-Mobile. Können Sie uns da jetzt schon bestätigen oder haben Sie etwas Anderes gehört?
Wegner: Nein, ich will den Gremien nicht vorweg greifen. Aber nachdem, was in den letzten Tagen diskutiert worden ist, gehen wir fest davon aus, dass Herr Ricke heute Nachfolger von Herrn Professor Sihler wird.
Spengler: Es gibt die Meldung, dass Herr Ricke auch Ihr Mann, der Mann der Arbeitnehmer ist. Stimmt das und wenn ja, warum?
Wegner: Sagen wir mal so. Man sollte weniger zwischen der Frage, ob es sich um einen Arbeitnehmer oder Anteilseigner handelt, unterscheiden. Wichtig ist, dass ein zukünftiger Chef der Deutschen Telekom das Vertrauen des gesamten Aufsichtsrates hat. Ich denke schon, das macht es Sinn macht und es gibt auch das notwendige Vertrauen, wenn er von einer breiten Mehrheit im Aufsichtsrat getragen wird.
Spengler: Das heißt, er wird auch von Ihnen getragen.
Wegner: Aber sicher ist das so.
Spengler: Nun gilt Kai-Uwe Ricke als Schützling von Ron Sommer. Wenn jetzt Ron Sommers Schützling ans Ruder kommt, der nun auch alle Beschlüsse, die umstritten sind, mitgetragen hat, stellt sich einem die Frage, warum Ron Sommer überhaupt gehen musste.
Wegner: Die Frage müssen Sie denjenigen stellen, die veranlasst haben, dass Ron Sommer am 16. Juli von seiner Funktion zurückgetreten ist. Nach allem, was ich bisher mit diskutiert und gehört habe, hat nach dem Abgang von Ron Sommer und Professor Sihler eine Überprüfung der Strategie der Deutschen Telekom stattgefunden. Ich glaube schon, dass man sich ernsthaft mit den Problemen auseinandergesetzt hat. Am Ende ist man dann zu der Frage gekommen, inwieweit das, was früher richtig und wichtig war, heute noch richtig und wichtig ist. Ich denke, schon, dass wenn ein Vorstand sich mit dieser Frage beschäftigt, dass man dann auch sagt, dass im Prinzip alles richtig war. Man muss halt nur an der einen oder anderen Stellschraube zu Veränderungen kommen.
Spengler: Wenn denn alles richtig oder wichtig war, wie kommt es dann zu solch immensen Schulden?
Wegner: Naja, diese 64 Milliarden sind ja erklärbar. Das sind zum einen die Ersteigerung der UMTS-Lizenzen, was ja gar nicht in unserer Hand lag, und zum zweiten der Kauf von Voice-Stream. Das Dritte ist der Erwerb von UMTS-Lizenzen beispielsweise in England, dann der Kauf von One2One, dann sicherlich enorme Investitionen zum Beispiel im Festnetz, um das Festnetz dahin zu bringen, wo es heute ist. Es ist nämlich eines der modernsten in der Welt. Hinzu kommt sicherlich auch die Frage, inwieweit wir uns in diesem komplizierten Wettbewerbsumfeld dann auch behaupten können. Die Euphorie in den Jahren 1998 und 1999 ist sicherlich in den Jahren 2001 und folgende zurückgegangen. Man kann das ja auch am Börsenkurs sehen. Ich denke mal, die Philosophie bestand darin, entweder T-Online oder T-Mobile noch weiter an die Börse zu bringen. Das hätte dann auch Geld in die Kasse gebracht. Dann wären die Verbindlichkeiten auch zurückgegangen.
Spengler: Also es sind Fehler, die aus der damaligen Sicht verständlich waren.
Wegner: Ja, das ist richtig.
Spengler: Nun soll die Telekom in diesem Jahr aus dem operativen Geschäft auch wieder acht Milliarden Schulden angehäuft haben. Das heißt doch, dass die Fehler fortgesetzt werden.
Wegner: Vorsicht, da muss man dann unterscheiden, ob es bilanzielle Schulden oder ob es Schulden aus dem operativen Bereich sind. Also wir haben in diesem Jahr einen außerordentlich positiven Ebitda. Der Ebitda ist ja das Ergebnis aus der operativen Tätigkeit. Wir müssen dann natürlich, aufgrund von Abschreibungen und sonstigen Dingen, die im Handelsrecht bzw. im Bilanzrecht üblich sind, die entsprechenden Korrekturen vornehmen. Ich will mal versuchen, es anders zu erklären. Ich denke mal, dass wir in diesem Jahr einen Ebitda zwischen zehn und zwanzig Milliarden Euro haben werden. Davon werden die Zinsen und die notwendigen Investitionen bezahlt, um das Unternehmen in die Zukunft zu bringen. Ein Teil wird auch benötigt, um die Verbindlichkeiten weiter abzubauen. Dass die Verbindlichkeiten enorm hoch sind und dass wir davon runterkommen müssen, ist klar.
Spengler: Wie kommen Sie davon runter?
Wegner: Zum einem kommen wir davon runter, indem wir bei den Investitionen, das merken zum Beispiel die Zulieferer in Deutschland schon, wichtige Dinge in Sachanlagen überprüfen. Dies muss zum Beispiel auch im Netzausbau gemacht werden. So haben wir als Betriebsräte schon ein gesteigertes Interesse daran, dass die innovativen Produkte wie ISDN und TDSL weiter ausgebaut werden. Nicht dass es da zu Warteschlagen kommt. Das weitere ist der Netzausbau in der doch zukunftsträchtigen Mobilfunkbranche. Wissen Sie, es ist so wie mit einem Familienvater, der sich, aus welcher Situation auch immer, mit der Frage auseinandersetzen muss: Was habe ich für ein Budget und was kann ich aus diesem Budget augeben? Wenn ich es nicht ausgeben kann bzw. wenn zu viele Forderungen da sind, wo muss ich sparen?
Spengler: Muss man auch am Personal sparen?
Wegner: Da sind wir mit der Unternehmensleitung zu völlig anderen Auffassungen gelangt. Die jetzt in der Öffentlichkeit bekannt gewordenen Zahlen gehen nach unserer Auffassung an die Substanz unseres Unternehmens. Sie haben es ja auch in der Anmoderation gesagt. Das sind ca. 50.000 Beschäftigte, ein Fünftel der Belegschaft weltweit, etwa 39.000 bis 2005 in der Bundesrepublik. Das überfordert auch die Beschäftigten, und zwar in mehrfacher Hinsicht. Es ist ja nicht so, als hätten wir in den zurückliegenden Jahren nicht rationalisierungsbedingt Personal abgebaut. Von 1995 bis 2001 waren es weit über 100.000 Beschäftigte. Es geschieht in der Regel geräuschlos, weil die Gewerkschaft, also früher DPG, heute Verdi, und wir die Betriebsräte gute vorbildliche Vereinbarungen getroffen haben, die es den Menschen ermöglicht hat, aus dem Unternehmen auszuscheiden. Es wird ja niemandem gekündigt. Wir haben den Ausschluss betriebsbedingter Beendigungskündigungen. Aber jetzt mit dem Blick in die Zukunft ist es so, dass wenn ich ein Viertel aus der Belegschaft herausnehme, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob man da denn mit Hilfe von Rationalisierungspotential oder mit Hilfe von Produktivitätskennzahlen Produktivitätssteigerungen hereinbekommt. Ich habe da erhebliche Zweifel. Ich glaube, die Beratungen bzw. die Unterstützungsleistungen, die wir haben, die sagen das auch. Wir fordern daher die Unternehmensleitung auf, diese Zahlen noch einmal auf den Prüfstand zu stellen, sie einer sachgerechten Bewertung zu unterziehen. Wir haben bisher ein System, wo der Abbau von Personal immer mit Maßnahmen hinterlegt ist. Hinterlegt heißt, man muss im einzelnen fragen, habe ich Organisationsveränderungen, habe ich Prozessveränderungen und kann ich dann gegebenenfalls aus dem Produktionsprozess an der einen oder anderen Stelle Leute rausnehmen. Das ist industrieüblich. Wir haben jedoch den Eindruck, dass hier mit Länge mal Breit mal Sonnenschein gerechnet worden ist. Das halten wir nicht nur für unseriös, sondern für schlichtweg falsch.
Spengler: Die Arbeitnehmer sind paritätisch im Aufsichtsrat vertreten. Spüren Sie als Vertreter der Arbeitnehmer eine Mitverantwortung für die Unternehmenspolitik der letzten Jahre und für die heutige Verschuldung von fast 90 Milliarden Euro? Das ist ja wirklich kein Pappenstiel.
Wegner: Wie kommen Sie auf 90 Milliarden Euro?
Spengler: Ich habe 64 Milliarden Euro, die jetzt schon da sind, und die 28 Milliarden von heute.
Wegner: Das sind Wertberichtigungen. Eine Wertberichtigung ist etwas anderes als Schulden.
Spengler: Aber ist es natürlich trotzdem ein Berg, der abgetragen werden muss.
Wegner: Ja, das ist richtig. Bei den Wertberichtigungen muss man noch mal genau hinschauen.
Spengler: Es ist schon klar, dass die Analysten es auch für gut halten, dass endlich die Wertberichtigung erfolgt. Es ändert aber nichts daran, dass es Schulden sind.
Wegner: Ja, das ist schon richtig. Aber wenn Sie sich zum Beispiel ein Auto kaufen, dann ist das Auto nach einem Jahr auch nicht mehr das Wert, was es vor einem Jahr noch Wert war. Aber trotzdem haben Sie ein Auto.
Spengler: Das ist richtig. Trotzdem frage ich noch einmal. Spüren Sie eine Mitverantwortung für die zweifelhafte Geschäftspolitik der letzten Jahre?
Wegner: Das kann ich so nicht stehen lassen. Also was die Mitverantwortung angeht, wurden alle Beschlüsse einstimmig gefasst, dass heißt also auch mit dem Votum der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Aufsichtsrat. Ich denke schon, dass wir uns manche Entscheidungen nicht einfach gemacht haben. Das gilt insbesondere für die großen Investitionsentscheidungen. Aber andererseits muss man auch das Wettbewerbsumfeld und auch das regulatorische Umfeld der Bundesrepublik Deutschland sehen. Dann muss man sich eben mit der Frage auseinandersetzen, was bleibt und blieb der Deutschen Telekom eigentlich anderes übrig.