Simon: Dass der Hamburger CDU-Spitzenkandidat Ole von Beust möglicherweise bald der erste CDU-Bürgermeister der Hansestadt seit 44 Jahren sein wird, das freut die Partei. Aber die deutlichen Verluste der Christdemokraten bei dieser Wahl schmerzen. Trotzdem will Spitzenkandidat Ole von Beust es versuchen mit einer Koalition mit FDP und Schill-Partei. Heute beginnt von Beust die ersten Sondierungsgespräche. Am Telefon bin ich nun verbunden mit Roland Koch, dem Ministerpräsidenten von Hessen. Guten Morgen!
Koch: Guten Morgen Frau Simon.
Simon: Herr Koch, halten Sie das für den richtigen Schritt?
Koch: Ja, das ist der richtige Schritt. Hamburg hat eine rot/grüne Regierungskoalition gehabt. Diese Regierungskoalition wollte gemeinsam weiter machen. Sie hat keine Mehrheit bekommen, sondern die Mehrheit ist bei drei anderen Parteien, die vor der Wahl dem Wähler gesagt haben, dass sie zusammenarbeiten wollen. Deshalb ist es richtig, dass die es jetzt tun.
Simon: Ist eine Drei-Parteien-Koalition mit so einer Unbekannten wie der Schill-Partei nicht eine sehr riskante Angelegenheit?
Koch: Die Diskussion zwischen Parteien über Koalitionsverträge ist nie eine leichte Sache, aber sie ist in Hamburg genauso möglich. Die Sozialdemokraten haben früher mit einer Partei wie der Stadtpartei ihre Koalitionen geschlossen. Das heißt in Großstädten gibt es dort andere Strukturen. Selbstverständlich wird die CDU und die FDP in der Lage sein, auch mit einer solchen Partei Verträge zu schließen, auf die sich alle Beteiligten dann verlassen können.
Simon: Aber gerade die Erfahrungen mit der Stadtpartei in Hamburg haben ja gezeigt, dass das nun alles andere als einfach und sehr ertragbringend war. Muss die CDU das jetzt noch mal selber für sich ausprobieren?
Koch: Die CDU hat einen Auftrag der Wähler, das auszuprobieren. Ich bin auch sicher, dass das gelingen kann, denn die Wählerinnen und Wähler in Hamburg haben eindeutig entschieden, dass sie einen Wechsel haben wollen. Dann müssen Parteien auch einen Wechsel organisieren. Dafür sind sie nämlich gewählt. Das was sicherlich die Wähler in Hamburg nicht verstehen würden ist, wenn die CDU jetzt aus Bequemlichkeit in Richtung einer großen Koalition schielen würde, oder gar wenn am Ende eine Partei wie die CDU oder die FDP oder eine solche wie die von Herrn Schill dafür sorgen würde, dass rot/grün am Ende im Amt bleibt. Das alles hat der Wähler ganz sicher nicht gewollt. Deshalb haben die drei Parteien einen Auftrag, miteinander die Regierung in Hamburg zu bilden. Das hatten sie vorher angekündigt. Ich bin sicher, dass dies unter der Führung von Ole von Beust auch sehr erfolgreich geschehen wird.
Simon: Herr Koch, Sie sagen die Wähler haben den Wechsel gewollt, aber immerhin haben sie die SPD noch zur stärksten Partei gewählt. Gerade auch in Ihrer Partei meinen einige, angesichts der Probleme in Hamburg, Stichwort innere Sicherheit, Sicherheit überhaupt, sei eine große Koalition sinnvoller.
Koch: Jedenfalls im Bundesvorstand der CDU und wenn ich das richtig sehe auch im Hamburger Landesvorstand der CDU und auch sonst wo ich herumkomme habe ich so Jemand nicht getroffen. Unter 600000 Menschen wird es als Parteimitglieder sicher auch diesen geben. Aber eine große, ganz überwiegende Mehrheit ist der Auffassung, dass Parteien verpflichtet sind, Wähler nach der Wahl nicht mitzuteilen, dass jetzt alles so bleibt wie es vorher war, sondern Wählern zu sagen, dass sie die Chance haben, mit Wahlen Veränderungen herbeizuführen. Das haben wir hier in Hessen erlebt, dass das die Menschen am Ende sehr freut, manchmal auch ein Stück überrascht, dass Politik tatsächlich dazu in der Lage ist, nach der Wahl, nach einer Veränderung durch Wähler etwas anderes zu tun als das vorher der Fall war und nicht Politik läuft immer so weiter, egal was die Wähler wählen. Deshalb ist wichtig, dass die Sozialdemokraten jetzt in Hamburg nach 44 Jahren in die Opposition gehen.
Simon: Noch einmal zurück zur CDU. Hat die CDU das Thema innere Sicherheit bisher zu klein gefahren, wenn man sich die Verluste anschaut, die die Partei gerade in Hamburg an die Schill-Partei gehabt hat?
Koch: Wenn eine Partei mit dem Ein-Themen-Profil von Herrn Schill praktisch genau in das Feld hineingeht, in dem die CDU ihre eigenen Stärken hat, dann bleibt das für die CDU nicht folgenlos. Deshalb haben wir ein Interesse, dass so etwas nicht geschieht. Das gehört zu den Wünschen und Vorstellungen von Parteien. Ich glaube aber, dass in Hamburg die Situation eben dadurch geschaffen worden ist, dass eine Regierung über sehr, sehr viele Jahre - und das sage ja nicht nur ich, sondern das sagen auch führende Sozialdemokraten; das hat Hans-Ulrich Klose gerade dieser Tage und Herr Voscherau, der frühere Bürgermeister, öffentlich gesagt - sich nicht angemessen um innere Sicherheit gekümmert haben, dann entsteht dort ein Wettbewerb zwischen denen auf der einen Seite, die handeln könnten in der Regierung, die es nicht tun, und Menschen, die mit einem Profil eines Richters zum Beispiel dann sagen, aber ich mache etwas. Dazwischen sind Oppositionsparteien, die nur reden, aber nicht handeln können, zunächst einmal in einer schwierigen Situation. Das erklärt dann auch ein Stück das Ergebnis. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, das ist durch Regierungshandeln aufzuholen. Das heißt ich glaube, dass die CDU sich an dieser Stelle nicht über Gebühr Sorge machen muss. Sie muss darauf achten, dass die innere Sicherheit ein Profil-Thema für die Union bleibt, aber sie wird jetzt mit dem Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, und mit dem Senat beweisen können, dass die CDU und unter der Führung der CDU ein Senat der Garant dafür ist, dass innere Sicherheit in Hamburg wieder groß geschrieben wird. Das wird dann auch der CDU zugute kommen.
Simon: Aber von der Papierform haben es die Wähler der CDU anscheinend nicht zutrauen können?
Koch: Oppositionen haben größere Schwierigkeiten als Regierungen, ihre Kompetenz gerade bei der inneren Sicherheit nachzuweisen. Das ist so. Wenn sie wie wir das hier in Hessen machen können in einem Land zeigen können, dass sie von der Videoüberwachung - ein in Hamburg umstrittenes Thema, das dort sicherlich jetzt auch kommen wird - bis zu den modernen Arbeitsmöglichkeiten für Polizeibeamte Veränderungen schaffen können, so dass die Bürger sehen, dort tut sich etwas, dann wächst daraus Kompetenz. Aus reiner politischer Programmarbeit erwächst gerade in einem Feld wie der inneren Sicherheit diese Kompetenz noch nicht. Deshalb hat die CDU ja auch ein großes Interesse daran, Regierungsverantwortung mit zu übernehmen um zu zeigen, dass sie ihre traditionelle Stärke, sich besser um innere Sicherheit kümmern zu können als etwa unsere sozialdemokratischen Konkurrenten, in Regierungsverantwortung zu beweisen in der Lage ist.
Simon: Herr Koch, Sie sprachen gerade Ihre Erfahrungen in Hessen an: mehr Wachpolizei, Videoüberwachung. Brennpunkt zugleich ist aber eine relativ tolerante Drogenpolitik, zum Beispiel mit der Abgabe von Methadon und Heroin in Frankfurt. Ist das denn ein Rezept, das auf Deutschland übertragbar ist?
Koch: Ich bin immer vorsichtig, anderen Leuten zu empfehlen, es genauso zu machen wie wir unter dem Gesichtspunkt, wir wüssten alles besser. Aber sicherlich ist gerade auf die Situation einer Großstadt vieles, was wir im Ballungsraum Rhein-Main erleben und sehen, übertragbar. Wir haben inzwischen die rote Laterne, was die Höhe der Kriminalität angeht, in Frankfurt abgegeben. Das heißt wir bewegen uns, was die Kriminalstatistik angeht, in Richtung der eher südlichen Städte, in denen es in Deutschland eine sehr viel geringere Kriminalität gibt. Wir sind fest davon überzeugt, dass Maßnahmen, die Sie genannt haben, die Wachpolizei, die hoch qualifizierte Polizeibeamte für Verbrechensbekämpfung eher freistellt, die Videoüberwachung von Plätzen, aber auch die Maßnahmen des Justizministers, dafür zu sorgen, dass Gerichtsverfahren schneller abgewickelt werden, auch dafür zu sorgen, dass die Androhung von Haft realer wird, indem dort mehr Haft- und nicht nur Bewährungsstrafen ausgesprochen werden, insgesamt dazu führen, dass das Klima für Kriminalität schlechter wird. Ich denke das sind Dinge, die man auch in so einer Stadt wie Hamburg, wenn man die Kriminalitätsstatistik verbessern will, überlegen wird.
Simon: Herr Koch, was passiert denn, wenn die Schill-Partei wie angekündigt bundesweit antritt? Ist dann nicht die Gefahr groß oder sieht es nicht so aus, dass die Union versuchen wird, ihn rechts zu überholen? Man hat ja gestern schon solche Töne aus München gehört.
Koch: Ich glaube nicht, dass die Schill-Partei für die Union in Deutschland eine besonders bedrohliche Situation ist.
Simon: Aber Sie müssen sich damit auseinandersetzen?
Koch: Die Union hat in sehr vielen Ländern ja eigene exekutive Verantwortung. Ich sage das für Hessen, aber ich denke das gilt für andere Länder auch. Hier ist innere Sicherheit aus der Sicht der Bürger, der Parteien, meiner Partei sowieso, aber das ist in der Frage nicht so besonders wichtig, sondern aus der Sicht der Bürger in guten Händen. Die Bürger sind damit in einem so großen Maße zufrieden, dass das nicht der Boden einer Ein-Themen-Partei sein wird. Wir wissen, dass das in Stadtstaaten schneller passiert, in Hamburg sogar noch ein bisschen schneller als anderswo, was die Geschichte angeht. Deshalb ist das ein Signal, dass man diese Parteien immer ein Stück beachten muss. Das bedeutet, dass innere Sicherheit aus der Sicht der Bürger nach wie vor ein Thema ist, das sie dazu bringen kann, Parteien zu wechseln, sich zu Wahlentscheidungen oder Nichtwahlentscheidungen zu bewegen an einer solchen Stelle. Das heißt es ist ein sehr sensibles Thema. Parteien müssen über dieses Thema reden; sonst können sie die Wähler nicht gewinnen. Aber auf der nationalen Ebene mache ich mir nicht sehr viel Sorgen.
Simon: Sie sprechen gerade die Bedeutung des Themas innere Sicherheit für die Wahl an. Viele sehen in diesem Zusammenhang jetzt in Sachen Kandidatenkür in der Union Edmund Stoiber vor Angela Merkel. Teilen Sie diese Meinung?
Koch: Ich bin sicher, dass im Laufe der nächsten Monate, bis wir die Entscheidung treffen, auch irgendwann noch der aktuelle Temperaturzustand irgendein Indiz auf die beiden Kandidaten gibt. An der Debatte beteilige ich mich nicht. Wir haben zwei gute Kandidaten und wir werden am Ende entscheiden, wer von ihnen es wird. Punkt!
Simon: Herr Koch, Sie selber haben vor einiger Zeit für Diskussion gesorgt mit Ihrem Gedanken der nationalen Identität in Deutschland. Zwei Wochen nach den Terroranschlägen in den USA, kann man solche Ideen aufrecht erhalten in dieser Zeit? Stichworte Verängstigung der Menschen nach den Terroranschlägen, auch verbreitete Überprüfung von Menschen arabischer und orientalischer Herkunft. Ist da nicht die Gefahr rassistischer Reaktionen akut gegeben?
Koch: Zu keinem Zeitpunkt ist ein solcher Gedanke zu erörtern und auch zu erkennen, wie wichtig er ist, nach meiner Ansicht bedeutender als im Augenblick. Das was wir in Amerika erleben als die Fähigkeit eines Volkes, sich in einer sehr schwierigen Situation zusammen zu tun, übrigens über alle diese Grenzen, die Sie beschrieben haben, hinaus als ein Volk mit einer eigenen Identität. Das ist in nahezu allen Völkern der Welt eine Selbstverständlichkeit und das gibt es natürlich auch in Deutschland. Wir haben uns nur in Deutschland über eine längere Zeit versucht darauf zu einigen, dass wir nicht darüber reden. Die nationale Identität eines Volkes ist doch nichts Böses, ist schon gar nichts - das finde ich ziemlich absurd - Rassistisches. Es ist eine der Voraussetzungen, dass ein Volk auch in der Lage ist, tolerant mit anderen umzugehen. Eine Kernthese war, dass wer will, dass Europa grenzenlos wird - das will ich, und zwar sehr schnell -, der muss den einzelnen Völkern in Europa auch die Chance geben, ihre eigene Identität zu leben und zu kennen und die Möglichkeit zu haben, sich dort auch ein Stück zusammengehörig zu fühlen. Wir sind keine Internationalisten, alle miteinander nicht. Das würden Franzosen von sich weisen und Briten und es ist auch für uns nicht ehrlich. Deshalb lohnt es sich, in einer offenen Gesellschaft darüber zu reden und das nicht hinter den Klammern des Tabuisierens am Ende auszuleben, sondern ganz offen und normal wie alle anderen Völker darüber zu sprechen, was sind die Dinge, die uns ein Stück unverwechselbar mit anderem machen, auf die wir stolz sind, warum wir zusammen sein wollen, gerade um uns fähig zu machen, was wir ja nachgewiesenermaßen sind, auch mit allen übrigen in der Welt gut und ausgezeichnet zu kooperieren und zusammenzuleben.
Simon: Danke! - Das war Roland Koch, der Ministerpräsident von Hessen. Danke für das Gespräch!
Link: Interview als RealAudio
Koch: Guten Morgen Frau Simon.
Simon: Herr Koch, halten Sie das für den richtigen Schritt?
Koch: Ja, das ist der richtige Schritt. Hamburg hat eine rot/grüne Regierungskoalition gehabt. Diese Regierungskoalition wollte gemeinsam weiter machen. Sie hat keine Mehrheit bekommen, sondern die Mehrheit ist bei drei anderen Parteien, die vor der Wahl dem Wähler gesagt haben, dass sie zusammenarbeiten wollen. Deshalb ist es richtig, dass die es jetzt tun.
Simon: Ist eine Drei-Parteien-Koalition mit so einer Unbekannten wie der Schill-Partei nicht eine sehr riskante Angelegenheit?
Koch: Die Diskussion zwischen Parteien über Koalitionsverträge ist nie eine leichte Sache, aber sie ist in Hamburg genauso möglich. Die Sozialdemokraten haben früher mit einer Partei wie der Stadtpartei ihre Koalitionen geschlossen. Das heißt in Großstädten gibt es dort andere Strukturen. Selbstverständlich wird die CDU und die FDP in der Lage sein, auch mit einer solchen Partei Verträge zu schließen, auf die sich alle Beteiligten dann verlassen können.
Simon: Aber gerade die Erfahrungen mit der Stadtpartei in Hamburg haben ja gezeigt, dass das nun alles andere als einfach und sehr ertragbringend war. Muss die CDU das jetzt noch mal selber für sich ausprobieren?
Koch: Die CDU hat einen Auftrag der Wähler, das auszuprobieren. Ich bin auch sicher, dass das gelingen kann, denn die Wählerinnen und Wähler in Hamburg haben eindeutig entschieden, dass sie einen Wechsel haben wollen. Dann müssen Parteien auch einen Wechsel organisieren. Dafür sind sie nämlich gewählt. Das was sicherlich die Wähler in Hamburg nicht verstehen würden ist, wenn die CDU jetzt aus Bequemlichkeit in Richtung einer großen Koalition schielen würde, oder gar wenn am Ende eine Partei wie die CDU oder die FDP oder eine solche wie die von Herrn Schill dafür sorgen würde, dass rot/grün am Ende im Amt bleibt. Das alles hat der Wähler ganz sicher nicht gewollt. Deshalb haben die drei Parteien einen Auftrag, miteinander die Regierung in Hamburg zu bilden. Das hatten sie vorher angekündigt. Ich bin sicher, dass dies unter der Führung von Ole von Beust auch sehr erfolgreich geschehen wird.
Simon: Herr Koch, Sie sagen die Wähler haben den Wechsel gewollt, aber immerhin haben sie die SPD noch zur stärksten Partei gewählt. Gerade auch in Ihrer Partei meinen einige, angesichts der Probleme in Hamburg, Stichwort innere Sicherheit, Sicherheit überhaupt, sei eine große Koalition sinnvoller.
Koch: Jedenfalls im Bundesvorstand der CDU und wenn ich das richtig sehe auch im Hamburger Landesvorstand der CDU und auch sonst wo ich herumkomme habe ich so Jemand nicht getroffen. Unter 600000 Menschen wird es als Parteimitglieder sicher auch diesen geben. Aber eine große, ganz überwiegende Mehrheit ist der Auffassung, dass Parteien verpflichtet sind, Wähler nach der Wahl nicht mitzuteilen, dass jetzt alles so bleibt wie es vorher war, sondern Wählern zu sagen, dass sie die Chance haben, mit Wahlen Veränderungen herbeizuführen. Das haben wir hier in Hessen erlebt, dass das die Menschen am Ende sehr freut, manchmal auch ein Stück überrascht, dass Politik tatsächlich dazu in der Lage ist, nach der Wahl, nach einer Veränderung durch Wähler etwas anderes zu tun als das vorher der Fall war und nicht Politik läuft immer so weiter, egal was die Wähler wählen. Deshalb ist wichtig, dass die Sozialdemokraten jetzt in Hamburg nach 44 Jahren in die Opposition gehen.
Simon: Noch einmal zurück zur CDU. Hat die CDU das Thema innere Sicherheit bisher zu klein gefahren, wenn man sich die Verluste anschaut, die die Partei gerade in Hamburg an die Schill-Partei gehabt hat?
Koch: Wenn eine Partei mit dem Ein-Themen-Profil von Herrn Schill praktisch genau in das Feld hineingeht, in dem die CDU ihre eigenen Stärken hat, dann bleibt das für die CDU nicht folgenlos. Deshalb haben wir ein Interesse, dass so etwas nicht geschieht. Das gehört zu den Wünschen und Vorstellungen von Parteien. Ich glaube aber, dass in Hamburg die Situation eben dadurch geschaffen worden ist, dass eine Regierung über sehr, sehr viele Jahre - und das sage ja nicht nur ich, sondern das sagen auch führende Sozialdemokraten; das hat Hans-Ulrich Klose gerade dieser Tage und Herr Voscherau, der frühere Bürgermeister, öffentlich gesagt - sich nicht angemessen um innere Sicherheit gekümmert haben, dann entsteht dort ein Wettbewerb zwischen denen auf der einen Seite, die handeln könnten in der Regierung, die es nicht tun, und Menschen, die mit einem Profil eines Richters zum Beispiel dann sagen, aber ich mache etwas. Dazwischen sind Oppositionsparteien, die nur reden, aber nicht handeln können, zunächst einmal in einer schwierigen Situation. Das erklärt dann auch ein Stück das Ergebnis. Ich weiß aber aus eigener Erfahrung, das ist durch Regierungshandeln aufzuholen. Das heißt ich glaube, dass die CDU sich an dieser Stelle nicht über Gebühr Sorge machen muss. Sie muss darauf achten, dass die innere Sicherheit ein Profil-Thema für die Union bleibt, aber sie wird jetzt mit dem Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust, und mit dem Senat beweisen können, dass die CDU und unter der Führung der CDU ein Senat der Garant dafür ist, dass innere Sicherheit in Hamburg wieder groß geschrieben wird. Das wird dann auch der CDU zugute kommen.
Simon: Aber von der Papierform haben es die Wähler der CDU anscheinend nicht zutrauen können?
Koch: Oppositionen haben größere Schwierigkeiten als Regierungen, ihre Kompetenz gerade bei der inneren Sicherheit nachzuweisen. Das ist so. Wenn sie wie wir das hier in Hessen machen können in einem Land zeigen können, dass sie von der Videoüberwachung - ein in Hamburg umstrittenes Thema, das dort sicherlich jetzt auch kommen wird - bis zu den modernen Arbeitsmöglichkeiten für Polizeibeamte Veränderungen schaffen können, so dass die Bürger sehen, dort tut sich etwas, dann wächst daraus Kompetenz. Aus reiner politischer Programmarbeit erwächst gerade in einem Feld wie der inneren Sicherheit diese Kompetenz noch nicht. Deshalb hat die CDU ja auch ein großes Interesse daran, Regierungsverantwortung mit zu übernehmen um zu zeigen, dass sie ihre traditionelle Stärke, sich besser um innere Sicherheit kümmern zu können als etwa unsere sozialdemokratischen Konkurrenten, in Regierungsverantwortung zu beweisen in der Lage ist.
Simon: Herr Koch, Sie sprachen gerade Ihre Erfahrungen in Hessen an: mehr Wachpolizei, Videoüberwachung. Brennpunkt zugleich ist aber eine relativ tolerante Drogenpolitik, zum Beispiel mit der Abgabe von Methadon und Heroin in Frankfurt. Ist das denn ein Rezept, das auf Deutschland übertragbar ist?
Koch: Ich bin immer vorsichtig, anderen Leuten zu empfehlen, es genauso zu machen wie wir unter dem Gesichtspunkt, wir wüssten alles besser. Aber sicherlich ist gerade auf die Situation einer Großstadt vieles, was wir im Ballungsraum Rhein-Main erleben und sehen, übertragbar. Wir haben inzwischen die rote Laterne, was die Höhe der Kriminalität angeht, in Frankfurt abgegeben. Das heißt wir bewegen uns, was die Kriminalstatistik angeht, in Richtung der eher südlichen Städte, in denen es in Deutschland eine sehr viel geringere Kriminalität gibt. Wir sind fest davon überzeugt, dass Maßnahmen, die Sie genannt haben, die Wachpolizei, die hoch qualifizierte Polizeibeamte für Verbrechensbekämpfung eher freistellt, die Videoüberwachung von Plätzen, aber auch die Maßnahmen des Justizministers, dafür zu sorgen, dass Gerichtsverfahren schneller abgewickelt werden, auch dafür zu sorgen, dass die Androhung von Haft realer wird, indem dort mehr Haft- und nicht nur Bewährungsstrafen ausgesprochen werden, insgesamt dazu führen, dass das Klima für Kriminalität schlechter wird. Ich denke das sind Dinge, die man auch in so einer Stadt wie Hamburg, wenn man die Kriminalitätsstatistik verbessern will, überlegen wird.
Simon: Herr Koch, was passiert denn, wenn die Schill-Partei wie angekündigt bundesweit antritt? Ist dann nicht die Gefahr groß oder sieht es nicht so aus, dass die Union versuchen wird, ihn rechts zu überholen? Man hat ja gestern schon solche Töne aus München gehört.
Koch: Ich glaube nicht, dass die Schill-Partei für die Union in Deutschland eine besonders bedrohliche Situation ist.
Simon: Aber Sie müssen sich damit auseinandersetzen?
Koch: Die Union hat in sehr vielen Ländern ja eigene exekutive Verantwortung. Ich sage das für Hessen, aber ich denke das gilt für andere Länder auch. Hier ist innere Sicherheit aus der Sicht der Bürger, der Parteien, meiner Partei sowieso, aber das ist in der Frage nicht so besonders wichtig, sondern aus der Sicht der Bürger in guten Händen. Die Bürger sind damit in einem so großen Maße zufrieden, dass das nicht der Boden einer Ein-Themen-Partei sein wird. Wir wissen, dass das in Stadtstaaten schneller passiert, in Hamburg sogar noch ein bisschen schneller als anderswo, was die Geschichte angeht. Deshalb ist das ein Signal, dass man diese Parteien immer ein Stück beachten muss. Das bedeutet, dass innere Sicherheit aus der Sicht der Bürger nach wie vor ein Thema ist, das sie dazu bringen kann, Parteien zu wechseln, sich zu Wahlentscheidungen oder Nichtwahlentscheidungen zu bewegen an einer solchen Stelle. Das heißt es ist ein sehr sensibles Thema. Parteien müssen über dieses Thema reden; sonst können sie die Wähler nicht gewinnen. Aber auf der nationalen Ebene mache ich mir nicht sehr viel Sorgen.
Simon: Sie sprechen gerade die Bedeutung des Themas innere Sicherheit für die Wahl an. Viele sehen in diesem Zusammenhang jetzt in Sachen Kandidatenkür in der Union Edmund Stoiber vor Angela Merkel. Teilen Sie diese Meinung?
Koch: Ich bin sicher, dass im Laufe der nächsten Monate, bis wir die Entscheidung treffen, auch irgendwann noch der aktuelle Temperaturzustand irgendein Indiz auf die beiden Kandidaten gibt. An der Debatte beteilige ich mich nicht. Wir haben zwei gute Kandidaten und wir werden am Ende entscheiden, wer von ihnen es wird. Punkt!
Simon: Herr Koch, Sie selber haben vor einiger Zeit für Diskussion gesorgt mit Ihrem Gedanken der nationalen Identität in Deutschland. Zwei Wochen nach den Terroranschlägen in den USA, kann man solche Ideen aufrecht erhalten in dieser Zeit? Stichworte Verängstigung der Menschen nach den Terroranschlägen, auch verbreitete Überprüfung von Menschen arabischer und orientalischer Herkunft. Ist da nicht die Gefahr rassistischer Reaktionen akut gegeben?
Koch: Zu keinem Zeitpunkt ist ein solcher Gedanke zu erörtern und auch zu erkennen, wie wichtig er ist, nach meiner Ansicht bedeutender als im Augenblick. Das was wir in Amerika erleben als die Fähigkeit eines Volkes, sich in einer sehr schwierigen Situation zusammen zu tun, übrigens über alle diese Grenzen, die Sie beschrieben haben, hinaus als ein Volk mit einer eigenen Identität. Das ist in nahezu allen Völkern der Welt eine Selbstverständlichkeit und das gibt es natürlich auch in Deutschland. Wir haben uns nur in Deutschland über eine längere Zeit versucht darauf zu einigen, dass wir nicht darüber reden. Die nationale Identität eines Volkes ist doch nichts Böses, ist schon gar nichts - das finde ich ziemlich absurd - Rassistisches. Es ist eine der Voraussetzungen, dass ein Volk auch in der Lage ist, tolerant mit anderen umzugehen. Eine Kernthese war, dass wer will, dass Europa grenzenlos wird - das will ich, und zwar sehr schnell -, der muss den einzelnen Völkern in Europa auch die Chance geben, ihre eigene Identität zu leben und zu kennen und die Möglichkeit zu haben, sich dort auch ein Stück zusammengehörig zu fühlen. Wir sind keine Internationalisten, alle miteinander nicht. Das würden Franzosen von sich weisen und Briten und es ist auch für uns nicht ehrlich. Deshalb lohnt es sich, in einer offenen Gesellschaft darüber zu reden und das nicht hinter den Klammern des Tabuisierens am Ende auszuleben, sondern ganz offen und normal wie alle anderen Völker darüber zu sprechen, was sind die Dinge, die uns ein Stück unverwechselbar mit anderem machen, auf die wir stolz sind, warum wir zusammen sein wollen, gerade um uns fähig zu machen, was wir ja nachgewiesenermaßen sind, auch mit allen übrigen in der Welt gut und ausgezeichnet zu kooperieren und zusammenzuleben.
Simon: Danke! - Das war Roland Koch, der Ministerpräsident von Hessen. Danke für das Gespräch!
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