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Sterbehilfe
"Wir begrüßen die Palliativmedizin"

Die Debatte über Rahmenbedingungen zur Sterbehilfe sei seit 30 Jahren dringend notwendig, sagte Elke Baezner, Präsidentin der Gesellschaft für Humanes Sterben im Deutschlandfunk. "Es braucht kein neues Gesetz", erklärte sie, es brauche Sorgfaltskriterien. Die Tatherrschaft müsse auf jeden Fall beim Patienten bleiben, alles andere wäre illegal.

Elke Baezner im Gespräch mit Gerd Breker | 17.10.2014
    Ein jüngerer Mensch umfasst das Armgelenk einer älteren Person, die im Krankenbett liegt.
    Gesellschaft für Humanes Sterben: "Wir begrüßen, dass endlich mal die Diskussion in Gang kommt." (picture alliance / dpa / Jm Niester)
    Dirk-Oliver Heckmann: Soll es Ärzten ermöglicht werden, sterbenskranken Menschen, die schwer leiden, dabei zu helfen, sich das Leben zu nehmen? Oder soll im Gegenteil die Beihilfe zum Suizid explizit unter Strafe gestellt werden? Der Bundestag ist derzeit mit dieser Frage befasst. Wir haben es gerade eben auch ausführlich in der Presseschau gehört. Denn gestern legte eine Gruppe von Abgeordneten ihren Vorschlag vor, mit dem unter bestimmten Bedingungen eine Beihilfe zur Selbsttötung ermöglicht werden soll. Mein Kollege Gerd Breker hat gestern gesprochen mit Elke Baezner. Sie ist Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben.
    Gerd Breker: Die Gruppe der Bundestagsabgeordneten hofft auf eine breite und angemessene Debatte über das sensible Thema Sterbehilfe. Eine Debatte, die aus Ihrer Sicht dringend notwendig ist?
    Elke Baezner: Die Debatte ist schon seit über 30 Jahren dringend notwendig und wir sind sehr froh, dass nun durch verschiedene Umstände sie in Gang gekommen ist.
    Dazu beigetragen hat vor allen Dingen unser Bundesgesundheitsminister seit Januar, als er angekündigt hat, dass er vorhat, ein Strafgesetz einzuführen, um alle, alle Möglichkeiten der Freitothilfe zu verbieten, mit Ausnahme der Palliativmedizin, und da fanden wir, so geht es nicht, und wir wären auf der anderen Seite in die Zange genommen worden praktisch vonseiten der Bundesärztekammer mit den Landesärztekammern, mit den zehn, die den Vorschlag der Musterberufsordnung übernommen haben, totales Verbot auch für Ärzte.
    Was der Widersinn ist in diesen jetzigen Debatten ist, dass Angehörige, also Laien die Möglichkeit hätten, ihren Nahestehenden zu helfen, aber mit welchen Mitteln wird nicht gesagt, während der Arzt, der über die Mittel und über die Kenntnisse verfügt, nicht dazu befugt gewesen wäre.
    Breker: Sie fordern ja schon seit Langem eine umfassende gesetzliche Regelung, die Rahmenbedingungen für ein humanes Sterben schafft. Ist das denn jetzt der Beginn dazu? Hoffen Sie darauf?
    Baezner: Wir hoffen eigentlich, dass zwar Rahmenbedingungen, Sorgfaltskriterien geschaffen werden, aber wir brauchen im Grunde gar kein neues Gesetz dazu und schon gar kein Strafgesetz. Wir haben im Bürgerlichen Gesetzbuch alles, was nötig ist, um Missbräuche zu verhindern. Wenn man das noch erweitert mit Sorgfaltskriterien für alle Beteiligten, auch für die Ärzte, dann würde das vollkommen reichen, um jedem Menschen, der eigenverantwortlich sterben will, wenn er weiß, er ist schwerstkrank und es geht nur noch schlechter, dass diesen Menschen geholfen werden kann. Dafür reichen unsere Gesetze heutzutage völlig aus.
    Breker: Damit wären die Ärzte, Frau Baezner, ja nicht mehr nur dem Leben verpflichtet. Man wird sie wohl kaum zur Sterbehilfe zwingen können.
    Baezner: Die Ärzte sind dazu verpflichtet, nach dem Genfer Gelöbnis Leiden zu mindern, und wenn Leiden eben nicht mehr anders zu lindern ist als durch ein sanftes Einschlafen, durch einen selbstbestimmten Tod, vor allem durch einen Tod, den der Patient gewünscht hat, dann meine ich, wären sie sehr wohl dafür geeignet und hätten auch das Recht und hätten auch die Befugnis, ihrem Patienten, einem Patienten, der einfach so schwer leidet, dass er es nicht mehr aushält, zu helfen.
    "Es braucht kein Gesetz"
    Breker: Nun ist es so, Frau Baezner, dass die Gruppe der Abgeordneten sieben Voraussetzungen für eine ärztlich assistierte Selbsttötung genannt haben. Sind das aus Ihrer Sicht die richtigen Voraussetzungen?
    Baezner: Das sind durchaus richtige Voraussetzungen und das begrüßen wir ja auch und das sind genau die Voraussetzungen, die wir schon lange fordern. Das ist uns nicht neu.
    Wir begrüßen, dass endlich mal die Diskussion in Gang kommt. Nur meinen wir, es braucht kein Gesetz. Es braucht Sorgfaltskriterien, und diese Sorgfaltskriterien, die eigentlich die Aufgabe der Bundesärztekammer wären und noch nicht einmal der Politiker, diese Sorgfaltskriterien müssen dort verankert werden und die sind richtig und stimmen in sich.
    Breker: Eine dieser Voraussetzungen ist, dass der Patient das tödliche Medikament selbst zu sich nehmen muss. Das können gar nicht alle!
    Baezner: Die Tatherrschaft muss in jedem Fall beim Patienten bleiben, beim Sterbewilligen bleiben. Alles andere wäre aktive Sterbehilfe, und die ist zu Recht illegal.
    "Wir begrüßen die Palliativmedizin"
    Breker: Nun verweisen Kritiker darauf, Frau Baezner, dass es Fortschritte in der Palliativmedizin gäbe. Niemand müsse mehr unter entsetzlichen Schmerzen dahinsiechen.
    Baezner: Wir sind dagegen, dass man immer diesen künstlichen Graben aufbaut zwischen Palliativmedizin und Freitodhilfe. Das ist kein Graben.
    Es müsste einem Sterbewilligen, der aus guten Gründen, aus verständlichen, nachvollziehbaren Gründen sterbewillig ist, dem müsste die ganze Palette der Möglichkeiten, der legalen Möglichkeiten angeboten werden können, sodass er nach gebührender Beratung, nach intensiver und vor allen Dingen ideologiefreier Beratung aussuchen kann, was für ihn in seiner akuten Situation die beste Möglichkeit ist. Wir begrüßen die Palliativmedizin.
    Heckmann: Elke Baezner war das, die Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben, zur Debatte um die Sterbehilfe in Deutschland. Das Gespräch führte mein Kollege Gerd Breker.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.