Klaus Remme: Für all diejenigen, die Schwarzgelder im Ausland parken, ist der heutige Tag nicht ganz unwichtig, denn heute läuft die so genannte Steueramnestie ab, die Möglichkeit, sich ehrlich zu machen und die Gelder im Nachhinein zu deklarieren. Eine Brücke, die der Gesetzgeber seinerzeit in Erwartung beträchtlicher Steuereinnahmen gebaut hat. Doch die Bilanz ist ernüchternd. Die parlamentarische Finanzstaatssekretärin Hendriks gab dann auch zu, die Regierung habe sich verschätzt. Anstelle der erhofften fünf Milliarden Euro belaufen sich die Einnahmen auf etwas über eine Milliarde. Am Telefon ist nun Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft. Tag, Herr Ondracek.
Dieter Ondracek: Guten Tag.
Remme: Die Bundesregierung, ich habe es gesagt, ist enttäuscht. Sind Sie auch überrascht, dass die Möglichkeit der Offenlegung nicht stärker genutzt wurde?
Ondracek: Nein, ich bin nicht überrascht. Wir waren mit unserer Schätzung wesentlich besser gelegen als der Bundesfinanzminister. Unsere Schätzung war von Anfang an eine Milliarde. Mehr kann nicht kommen und mehr wird nicht kommen, weil sich die Bedrohungslage, entdeckt zu werden, nicht entscheidend geändert hat.
Remme: Wie erklären Sie denn die überzogenen Erwartungen der Bundesregierung?
Ondracek: Die überzogenen Erwartungen der Bundesregierung hängen mit zwei Dingen zusammen. Einmal hat der Bundeskanzler selber eine steile Vorlage gegeben, nämlich in der ersten Euphorie von 20 Milliarden Steuern gesprochen. Als der Bundesfinanzminister dann den Gesetzentwurf schreiben ließ, haben ihn seine Fachbeamten schon darauf hingewiesen, dass diese Zahl nie verwirklichbar ist. Dann war aber die Haushaltsaufstellungsproblematik gegeben, so war eine Zahl von wenigstens fünf Milliarden auch aus Haushaltsoptik heraus geboten. Aber es war eigentlich allen Fachleuten klar, dass auch diese fünf Milliarden sehr, sehr schwer erreichbar sein werden, wenn denn nicht eine Bedrohungslage sich verändert, eine Bedrohungslage dergestalt, dass die potentiellen Steuerhinterzieher tatsächlich Sorge haben müssen, dass sie jetzt entdeckt werden. Diese Bedrohungslage hat sich nicht entscheidend geändert, deswegen waren wir vorsichtiger mit der Schätzung und lagen bei einer Milliarde und waren wesentlich genauer als der Bundesfinanzminister.
Remme: Wir wissen also etwa, wie viel eingenommen wurde. Wissen wir auch, wie viele Steuerflüchtlinge sich ehrlich gemacht haben?
Ondracek: Die Zahl ist natürlich der Steuerverwaltung bekannt. Ich selber kenne sie jetzt nicht. Aber aus den statistischen Zahlen - die sind ja erfasst worden - weiß das Bundesfinanzministerium, wie viel sich hier nun geoutet haben und mit welchen Durchschnittsbeträgen eben hier die einzelnen Meldungen verbunden waren. Aber ich kann diese Zahl nicht sagen.
Remme: Herr Ondracek, war denn die Amnestie schon im Ansatz eine falsche Idee oder ist sie nur schlecht durchgeführt worden?
Ondracek: Die Amnestie war von Anfang an eine sehr, sehr problematische Idee. Man muss ja immer sehen, jede Medaille hat zwei Seiten. Hier war die eine Seite natürlich die Interessen der ehrlichen Steuerzahler, die es ja auch gibt, die in der Zahl ja hoffentlich noch immer größer sind, als die der unehrlichen. Die haben treu und brav und gesetzestreu ihre Steuern bezahlt nach den entsprechenden Steuersätzen und sehen natürlich jede Sonderaktion mit billigen Steuersätzen sehr, sehr kritisch, weil sie ja im Nachhinein als die Dummen dastehen, die der gesetzlichen Pflicht nachgekommen sind. Sie müssen dann ehrlich in der Spitze bis zu 49 Prozent noch löhnen und zahlen und jetzt macht die Bundesregierung einen Kompromissweg und sagt, wer sich jetzt rein wäscht, braucht nur 25 Prozent oder dann 35 Prozent zu zahlen. Das ist für den Ehrlichen nicht vermittelbar und insofern ist ein großer Flurschaden entstanden. Ich meine, dass der Flurschaden größer ist als der Ertrag, der in der Kasse gelandet ist.
Remme: Warum ist die Wahrscheinlichkeit als Steuerflüchtling entlarvt zu werden so gering, wie Sie sie auch eben in den Antworten schon beschrieben haben?
Ondracek: Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Einmal ist es natürlich klar, dass die Möglichkeiten des deutschen Fiskus an der nationalen Grenze enden. Wenn eben hier ganz nahe an Deutschland Staaten sind wie zum Beispiel die Schweiz, wie Luxemburg, die hier verschwiegene Anlagen garantiert und mit verschwiegenen Anlagen sogar Reklame macht, dann ist es für potentielle Hinterzieher natürlich ein Leichtes, ihr Geld dorthin zu transferieren und dort zu verstecken, in der Kombination mit einem Liechtensteiner Briefkasten total zu tarnen, sodass sie in jedem Fall im sicheren Hafen sind. Die Leute, die das planmäßig und hartnäckig betreiben, hatten ihr Geld auch gar nicht in Deutschland, sodass sie also hier nicht sehr viel Sorge haben müssen, wenn denn hier der Gesetzgeber Wege öffnet, dass die Steuerverwaltung an Bankkonten heran kann, dass man hier nun entdeckt werden kann.
Zum Zweiten hängt es damit zusammen, dass die Steuerverwaltung zahlenmäßig so schlecht ausgestattet ist, dass sie auch möglichen Verdachtsmomenten gar nicht allen nachgehen kann, dass sie ganz gezielt auch gar nicht die Steuererklärungen daraufhin überprüfen kann, ob eben hier die echten Zahlen, die realen Zahlen in den Steuererklärungen sind oder nicht. Zum Dritten ist dann auch das so genannte Bankgeheimnis in Deutschland ein Hindernis, das es eben sehr schwer macht für die Steuerverwaltung, Geldbewegungen sichtbar zu machen, Geldtransfers zu erfahren, sodass wir hier im Ermittlungsbereich sehr viele Schwächen haben, die eben dazu führen, dass die Leute kalkulieren, wie groß ist das Risiko entdeckt zu werden und wie groß ist das Risiko eben nicht entdeckt zu werden.
Remme: Was muss also geschehen, damit diese Kapitalflucht gestoppt wird?
Ondracek: Es muss für die Steuerverwaltung eine größere Transparenz der Geldströme möglich sein. Das heißt, dieses so genannte Bankgeheimnis, der Paragraph 30a muss aus der Abgabenordnung ganz gestrichen werden. Ein Stückchen besser ist es geworden mit der Kontoabfrage, die ab 1.4. möglich wird, dann kann man wenigstens an einem zentralen Ort abrufen, wo jemand in Deutschland ein Konto unterhält. Dann müssen zum Dritten vielleicht oder ergänzend oder alternativ die Erträgnisaufstellungen, die ja jetzt vom Gesetzgeber vorgeschrieben worden sind den Banken, ihren Kunden zu geben, dass die auch elektronisch der Steuerverwaltung überschrieben werden.
Remme: Herr Ondracek, das klingt alles so technisch. Wäre denn nicht das Problem an der Wurzel gepackt, wenn man die Anreize, das Geld hierzulande anzulegen, verstärken würde?
Ondracek: Wenn man die Anreize verstärkt? Das hieße die Steuersätze rapide senken, beim Steuersatz Null in der Konsequenz wird keiner mehr Steuern hinterziehen, das ist richtig. Aber man muss auch auf der anderen Seite sehen, der Staat hat einen bestimmten Finanzbedarf und braucht das Geld. Hier ist kein großer Spielraum für Senkung von Steuersätzen. Dass man hier denen, die also ausweichen können, Sondersteuersätze gewährt und denen, die nicht ausweichen können, eben die hohen Steuersätze abverlangt, das ist auch kein gangbarer Weg aus der Sicht der Gerechtigkeit. Unsere Verfassung schreibt auch eine gleichmäßige Besteuerung für alle vor.
Remme: Das war Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft.
Dieter Ondracek: Guten Tag.
Remme: Die Bundesregierung, ich habe es gesagt, ist enttäuscht. Sind Sie auch überrascht, dass die Möglichkeit der Offenlegung nicht stärker genutzt wurde?
Ondracek: Nein, ich bin nicht überrascht. Wir waren mit unserer Schätzung wesentlich besser gelegen als der Bundesfinanzminister. Unsere Schätzung war von Anfang an eine Milliarde. Mehr kann nicht kommen und mehr wird nicht kommen, weil sich die Bedrohungslage, entdeckt zu werden, nicht entscheidend geändert hat.
Remme: Wie erklären Sie denn die überzogenen Erwartungen der Bundesregierung?
Ondracek: Die überzogenen Erwartungen der Bundesregierung hängen mit zwei Dingen zusammen. Einmal hat der Bundeskanzler selber eine steile Vorlage gegeben, nämlich in der ersten Euphorie von 20 Milliarden Steuern gesprochen. Als der Bundesfinanzminister dann den Gesetzentwurf schreiben ließ, haben ihn seine Fachbeamten schon darauf hingewiesen, dass diese Zahl nie verwirklichbar ist. Dann war aber die Haushaltsaufstellungsproblematik gegeben, so war eine Zahl von wenigstens fünf Milliarden auch aus Haushaltsoptik heraus geboten. Aber es war eigentlich allen Fachleuten klar, dass auch diese fünf Milliarden sehr, sehr schwer erreichbar sein werden, wenn denn nicht eine Bedrohungslage sich verändert, eine Bedrohungslage dergestalt, dass die potentiellen Steuerhinterzieher tatsächlich Sorge haben müssen, dass sie jetzt entdeckt werden. Diese Bedrohungslage hat sich nicht entscheidend geändert, deswegen waren wir vorsichtiger mit der Schätzung und lagen bei einer Milliarde und waren wesentlich genauer als der Bundesfinanzminister.
Remme: Wir wissen also etwa, wie viel eingenommen wurde. Wissen wir auch, wie viele Steuerflüchtlinge sich ehrlich gemacht haben?
Ondracek: Die Zahl ist natürlich der Steuerverwaltung bekannt. Ich selber kenne sie jetzt nicht. Aber aus den statistischen Zahlen - die sind ja erfasst worden - weiß das Bundesfinanzministerium, wie viel sich hier nun geoutet haben und mit welchen Durchschnittsbeträgen eben hier die einzelnen Meldungen verbunden waren. Aber ich kann diese Zahl nicht sagen.
Remme: Herr Ondracek, war denn die Amnestie schon im Ansatz eine falsche Idee oder ist sie nur schlecht durchgeführt worden?
Ondracek: Die Amnestie war von Anfang an eine sehr, sehr problematische Idee. Man muss ja immer sehen, jede Medaille hat zwei Seiten. Hier war die eine Seite natürlich die Interessen der ehrlichen Steuerzahler, die es ja auch gibt, die in der Zahl ja hoffentlich noch immer größer sind, als die der unehrlichen. Die haben treu und brav und gesetzestreu ihre Steuern bezahlt nach den entsprechenden Steuersätzen und sehen natürlich jede Sonderaktion mit billigen Steuersätzen sehr, sehr kritisch, weil sie ja im Nachhinein als die Dummen dastehen, die der gesetzlichen Pflicht nachgekommen sind. Sie müssen dann ehrlich in der Spitze bis zu 49 Prozent noch löhnen und zahlen und jetzt macht die Bundesregierung einen Kompromissweg und sagt, wer sich jetzt rein wäscht, braucht nur 25 Prozent oder dann 35 Prozent zu zahlen. Das ist für den Ehrlichen nicht vermittelbar und insofern ist ein großer Flurschaden entstanden. Ich meine, dass der Flurschaden größer ist als der Ertrag, der in der Kasse gelandet ist.
Remme: Warum ist die Wahrscheinlichkeit als Steuerflüchtling entlarvt zu werden so gering, wie Sie sie auch eben in den Antworten schon beschrieben haben?
Ondracek: Das hängt mit verschiedenen Faktoren zusammen. Einmal ist es natürlich klar, dass die Möglichkeiten des deutschen Fiskus an der nationalen Grenze enden. Wenn eben hier ganz nahe an Deutschland Staaten sind wie zum Beispiel die Schweiz, wie Luxemburg, die hier verschwiegene Anlagen garantiert und mit verschwiegenen Anlagen sogar Reklame macht, dann ist es für potentielle Hinterzieher natürlich ein Leichtes, ihr Geld dorthin zu transferieren und dort zu verstecken, in der Kombination mit einem Liechtensteiner Briefkasten total zu tarnen, sodass sie in jedem Fall im sicheren Hafen sind. Die Leute, die das planmäßig und hartnäckig betreiben, hatten ihr Geld auch gar nicht in Deutschland, sodass sie also hier nicht sehr viel Sorge haben müssen, wenn denn hier der Gesetzgeber Wege öffnet, dass die Steuerverwaltung an Bankkonten heran kann, dass man hier nun entdeckt werden kann.
Zum Zweiten hängt es damit zusammen, dass die Steuerverwaltung zahlenmäßig so schlecht ausgestattet ist, dass sie auch möglichen Verdachtsmomenten gar nicht allen nachgehen kann, dass sie ganz gezielt auch gar nicht die Steuererklärungen daraufhin überprüfen kann, ob eben hier die echten Zahlen, die realen Zahlen in den Steuererklärungen sind oder nicht. Zum Dritten ist dann auch das so genannte Bankgeheimnis in Deutschland ein Hindernis, das es eben sehr schwer macht für die Steuerverwaltung, Geldbewegungen sichtbar zu machen, Geldtransfers zu erfahren, sodass wir hier im Ermittlungsbereich sehr viele Schwächen haben, die eben dazu führen, dass die Leute kalkulieren, wie groß ist das Risiko entdeckt zu werden und wie groß ist das Risiko eben nicht entdeckt zu werden.
Remme: Was muss also geschehen, damit diese Kapitalflucht gestoppt wird?
Ondracek: Es muss für die Steuerverwaltung eine größere Transparenz der Geldströme möglich sein. Das heißt, dieses so genannte Bankgeheimnis, der Paragraph 30a muss aus der Abgabenordnung ganz gestrichen werden. Ein Stückchen besser ist es geworden mit der Kontoabfrage, die ab 1.4. möglich wird, dann kann man wenigstens an einem zentralen Ort abrufen, wo jemand in Deutschland ein Konto unterhält. Dann müssen zum Dritten vielleicht oder ergänzend oder alternativ die Erträgnisaufstellungen, die ja jetzt vom Gesetzgeber vorgeschrieben worden sind den Banken, ihren Kunden zu geben, dass die auch elektronisch der Steuerverwaltung überschrieben werden.
Remme: Herr Ondracek, das klingt alles so technisch. Wäre denn nicht das Problem an der Wurzel gepackt, wenn man die Anreize, das Geld hierzulande anzulegen, verstärken würde?
Ondracek: Wenn man die Anreize verstärkt? Das hieße die Steuersätze rapide senken, beim Steuersatz Null in der Konsequenz wird keiner mehr Steuern hinterziehen, das ist richtig. Aber man muss auch auf der anderen Seite sehen, der Staat hat einen bestimmten Finanzbedarf und braucht das Geld. Hier ist kein großer Spielraum für Senkung von Steuersätzen. Dass man hier denen, die also ausweichen können, Sondersteuersätze gewährt und denen, die nicht ausweichen können, eben die hohen Steuersätze abverlangt, das ist auch kein gangbarer Weg aus der Sicht der Gerechtigkeit. Unsere Verfassung schreibt auch eine gleichmäßige Besteuerung für alle vor.
Remme: Das war Dieter Ondracek, Vorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft.