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Steuererleichterungen "sozial ausgewogen"

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, Joachim Poß, befürwortet die vom Bundestag beschlossene Steuerentlastung von rund zehn Milliarden. Auch dem Gesichtspunkt der "sozialen Ausgewogenheit" sei Rechnung getragen worden. Allerdings gäbe es keine Gegenfinanzierung für die Steuerentlastung.

Joachim Poß im Gespräch mit Jochen Spengler |
    Jochen Spengler: Der Bundestag hat heute beschlossen, dass unsere Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung deutlich stärker als bislang von der Steuer absetzbar sein sollen. Die Bürger sollen damit um rund neun Milliarden Euro im Jahr entlastet werden. Die Große Koalition setzt mit diesem Beschluss ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts um.

    Am Telefon ist Joachim Poß, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD - und ihr Finanzfachmann. Guten Tag, Herr Poß.

    Joachim Poß: Guten Tag!

    Spengler: Schon bislang waren Beiträge zur Krankenkasse und zur Pflegekasse steuerlich absetzbar. Kann man denn jetzt die Beiträge in voller Höhe absetzen?

    Poß: Man wird sie auch zukünftig nicht in voller Höhe, in jedem Einzelfall in voller Höhe absetzen können, aber in einem deutlich größeren Umfang als bisher können diese Beiträge steuerlich geltend gemacht werden, und zwar die Beiträge zur Kranken- und zur Pflegeversicherung.

    Zu der Kritik kann man sagen, das fällt ja auch auf Frau Scheel selbst zurück. Es ist eben so, dass das Bundesverfassungsgericht in der Tat eine Vorgabe formuliert hat aufgrund einer Klage. Da hätten wir das aber nur nach dem Urteil für die privat Versicherten machen müssen, und da haben wir gesagt, das geht nicht politisch. Wir haben es dann für alle, für die privat und gesetzlich Versicherten gemacht, und das betrifft 85 Prozent im Positiven aller steuerbelasteten Bürger.

    Durch die Ausgestaltung, die wir vorgenommen haben - die war im Vorbericht erwähnt -, hat es auch keine soziale Schlagseite. Wer niedrigere Beiträge bezahlt, kann eben auch andere Beiträge als Kranken- und Pflegeversicherung dann im Rahmen eines Freibetrages wie zum Beispiel Haftpflicht- oder Unfallversicherung in größerem Umfange noch geltend machen. Davon profitieren zum Beispiel Verheiratete bis zu gut 40.000 Euro, Alleinstehende bis 20.000 Euro.

    Ich will damit sagen: Auch dem Gesichtspunkt der sozialen Ausgewogenheit, dem haben wir hier Rechnung getragen. Insgesamt ist es eine sehr große steuerliche Entlastung, und wenn man alle steuerlichen Entlastungen, die auch im Konjunkturpaket noch enthalten sind, zusammenrechnet, haben wir in diesem Jahr schon allein 16,5 Milliarden, im nächsten Jahr mit diesem Bürgerentlastungsgesetz, das ab nächstes Jahr gilt, über 28 Milliarden steuerliche Entlastung.

    Spengler: Herr Poß, ich wollte aber doch noch eine Frage los werden. Ich wollte Sie nämlich fragen, ob denn das heißt, dass die Besserverdienenden irgendwo keine Haftpflichtversicherungsbeiträge mehr absetzen können?

    Poß: Nein, nein. Die profitieren natürlich alle davon und da ist ja die Frage, wer ist Besserverdiener. Nein, die Gutverdiener können eben das auch geltend machen. Wie gesagt, diejenigen, die nicht so ein hohes Einkommen haben und dann auch eben niedrigere Beiträge zahlen, können dann wiederum andere Aufwendungen, die sie haben, im Rahmen eines Freibetrages steuerlich berücksichtigen, sodass das insgesamt, glaube ich, ein Werk ist, das man wirklich vorzeigen kann.

    Spengler: Und das stimmt nicht, dass die PDS, die Linkspartei behauptet, die Besserverdienenden profitieren mehr davon?

    Poß: Nein. Das ist nun wirklich ärgerlich. Das ist eine billige Propaganda, die da gemacht wird. Es gilt natürlich ein Grundsatz: Entlastet werden kann nur der, der auch steuerlich belastet ist. Das geht nun nicht mehr anders. Es geht hier um ein Steuergesetz. Das Bundesverfassungsgericht - das ist ja verbindlich - schreibt vor, ihr müsst jetzt diese Vorsorgeaufwendungen besser steuerlich berücksichtigen, als das bisher geschehen ist. Wir setzen das gesetzgeberisch um - und das bezieht sich natürlich dann positiv auf diejenigen, die auch Steuern zahlen.

    Spengler: Können Sie das eigentlich konkret machen, Herr Poß? Können Sie sagen: So einen durchschnittlichen Steuerzahler - wie hoch ist die Entlastung im Monat?

    Poß: Das hängt ja von den Umständen ab, ob er Steuerklasse 1 hat oder verheiratet ist und so weiter. Da hat ja der Bundesfinanzminister in der Debatte einige Beispiele genannt. Und da wird natürlich jemand, der relativ hoch steuerlich belastet ist wie ein Single - das ist in der Tat bei uns so, vor allen Dingen wenn man die Abgabenbelastung noch dazunimmt für Sozialversicherungen -, auch relativ stark entlastet durch dieses Gesetz.

    Spengler: Das Ganze kostet den Staat neun Milliarden Euro.

    Poß: 9,5 Milliarden!

    Spengler: Sind das Peanuts, die einfach zu den gesamten neuen Schulden dazu kommen?

    Poß: Das sind keine Peanuts, aber ich betone noch einmal, weil es eigentlich untergegangen ist in den letzten Wochen und Monaten, zusammen mit anderen Maßnahmen. Wir mussten auch auf Geheiß des Verfassungsgerichts in der Tat eine andere Regelung bei der Kilometerpauschale treffen. Wir haben den Grundfreibetrag erhöht. Wir haben Leistungen für Kinder verbessert und alles in allem haben wir also neben dem, was wir sonst machen, im Konjunkturprogramm, Investitionen und so weiter, haben wir auch eine steuerliche Entlastung, wie gesagt in diesem Jahr schon ohne diese Maßnahmen von über 16 Milliarden, im nächsten Jahr von 28 Milliarden, und damit stabilisieren wir natürlich auch von der Konsumseite her die Konjunktur und erhoffen uns dadurch auch einen positiven Impuls für einen Wiederaufschwung.

    Spengler: Und es gibt keine Gegenfinanzierung, sondern höhere Neuverschuldung?

    Poß: Es gibt eben keine Gegenfinanzierung und das Finanzministerium - Herr Steinbrück hat es ja nicht verschwiegen heute in der Debatte - hatte eigentlich andere Pläne.

    Spengler: Gleichzeitig wurde die Entlastung kleiner und mittlerer Betriebe beschlossen. Was genau?

    Poß: Ja. Das bezieht sich auf die sogenannte Ist-Besteuerung bei der Umsatzsteuer. Das heißt, dass die Unternehmen, die kleinen Unternehmen, dann ihre Umsatzsteuer erst abführen müssen, wenn die Rechnung bezahlt ist. Das erhöht die Liquidität in den kleinen und mittleren Betrieben. Wir hatten bisher zwei Grenzen, ein bisschen geschichtlich. Um die ostdeutsche Wirtschaft zu fördern, war da die Grenze für die sogenannte Ist-Versteuerung bei 500.000 Euro und im Westen bei 250.000 Euro. Wir haben jetzt eine einheitliche, bundeseinheitliche Umsatzgrenze für diese Versteuerung im Rahmen der Umsatzsteuer auf 500.000 Euro festgelegt und das kann den Unternehmen jetzt gerade in der Krise helfen.

    Spengler: Der Sozialdemokrat Joachim Poß, Mitglied des Bundestagsfinanzausschusses. Danke, Herr Poß, für das Gespräch.

    Poß: Bitte schön!