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Steuerhinterziehung
Finanzexperte: "Deutschland ist mit den Caymans vergleichbar"

Deutschland ist als Steueroase durchaus mit den Caymans vergleichbar: Zu dieser provokanten Ansicht kommt das Netzwerk Steuergerechtigkeit in seinem neuen Schattenfinanzindex, der die schädlichsten Schattenfinanzplätze der Welt auflistet. Und auch die USA sein auf dem Weg zu einer "Mega-Steueroase", erklärte Netzwerk-Mitglied Markus Meinzer im DLF.

Markus Meinzer im Gespräch mit Birgid Becker | 02.11.2015
    Ein Steuerfahnder blätter eine Steuererklärung durch.
    Ein Steuerfahnder bei der Arbeit (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Birgid Becker: Montagszeitungen berichten es: Nordrhein-Westfalen hat sich Insider-Informationen beschafft über gleich 55.000 Kunden einer einzelnen Bank, die im Verdacht stehen, Geld vor dem Finanzamt versteckt zu haben. Und: Das Land kauft für fünf Millionen Euro wieder eine CD mit Datensätzen, über die dubiose Aktiengeschäfte aufgedeckt werden sollen.
    NRW also weiter auf der Spur von Steuersündern, nicht allein, aber als das wohl eifrigste Bundesland in diesem Punkt. Und bleiben wir beim Thema. Steuerhinterziehung - das dürfte mittlerweile allgemeine Erkenntnis sein - ist kein Kavaliersdelikt einerseits. Andererseits haben Steuerhinterzieher in Deutschland weiterhin ein leichtes Spiel, meint Markus Meinzer, den ich am Telefon begrüße. Guten Tag!
    Markus Meinzer: Hallo! Guten Tag.
    Becker: Eigentlich hat uns ja der Fall Uli Hoeneß gezeigt, dass Steuersünder wirklich nicht damit rechnen können, dass man ihnen mit Milde begegnet. Andererseits sagen Sie, Steuerhinterziehung ist weiter einfach und eben auch in Deutschland einfach.
    Meinzer: Sehen Sie, Uli Hoeneß war ein Schauprozess ohnegleichen. Die Aufmerksamkeit war so groß, die öffentliche, dass es schließlich unmöglich war für die Justiz, einen Freispruch oder ein Bewährungsurteil zu fällen. Dennoch wundern sich sehr viele Beobachter, Strafrechtsprofessoren über die Milde des Urteils. Schließlich ging es hier um Steuerhinterziehung von über 20 Millionen Euro und man fragt sich schon, ab wann denn der Höchstrahmen erreicht werden kann von zehn Jahren Gefängnisstrafe, wenn nicht bei 20 Millionen Steuerhinterziehung. Hier ist durchaus auch nachzufragen, wie weit dieses Urteil wirklich verallgemeinerbar ist. Alles was wir kennen aus der Steuerstrafstatistik, ist dieses Urteil eher ein Einzelfall als die Regel. Solche Urteile in Deutschland sind leider noch immer die Ausnahme.
    Becker: Heute erscheint - Details sollen ab 18 Uhr im Netz abrufbar sein - vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, bei dem Sie engagiert sind, ein sogenannter Schattenfinanzindex, also ein Ranking der schädlichsten Schattenfinanzplätze der Welt. Ohne den Details vorzugreifen: Wo steht denn Deutschland da?
    Meinzer: Im Jahr 2013 und im letzten Jahr stand Deutschland auf Platz acht, also unter den Top Zehn der schädlichsten Steueroasen weltweit, und ich kann vielleicht so viel verraten, dass sich daran nichts Dramatisches geändert haben wird.
    Wir haben leider noch immer die Situation, dass über drei Billionen - das sind 3000 Milliarden Euro - von Steuerausländern hier steuerfrei angelegt sind, zinstragend und steuerfrei angelegt sind. Ein deutscher Banker darf noch immer straffrei Gelder wissentlich aus ausländischer Steuerhinterziehung annehmen, auch aus ausländischer Untreue, Vorteilsannahme oder Erpressung. Die Devise scheint zu lauten: Solange Straftaten im Ausland begangen werden, bereichern wir gerne uns an diesem schmutzigen Geld.
    "Es gibt eine Vergleichbarkeit zwischen Deutschland und den Caymans"
    Becker: Aber ein paar Unterschiede zu den Caymans wird es doch noch geben, oder?
    Meinzer: Die Intensität der Rechtskonstrukte, wie hier Geheimhaltung angeboten wird, da ist in der Tat noch ein gewisser gradueller Unterschied. Aber es ist kein anderer Sport. Es unterscheidet sich lediglich in der Intensität, wie weit das inzwischen getrieben wurde. Und hier würde ich schon sagen, dass es eine Vergleichbarkeit gibt und welche auch bewusste Steueroasen-Strategie, Schattenfinanzplatz-Strategie Deutschlands beobachtet werden kann durch diesen Paragrafen-Slalom, den wir beobachten können in Deutschland.
    "Die USA sind dabei, sich als einer Mega-Steueroase zu platzieren"
    Becker: Sie weisen in diesem Ranking - auch da wollen wir nicht zu weit vorgreifen - trotzdem auf die hohe Platzierung der USA hin. Das ist ja erst einmal erstaunlich, denn die USA gehen ja eigentlich schon deutlich gegen ausländische Steueroasen vor. Die Schweiz konnte ein Lied davon singen. Trotzdem hohe Platzierung. Wie kommt das?
    Meinzer: Ja, das ist die Heuchelei der USA, die wir hier beobachten, eine Doppelmoral, die die USA vervollkommnet haben. Denn sie sind in der Tat sehr aggressiv im Verfolgen ihrer eigenen Steuerhinterzieher in der Anwendung ihrer eigenen Steuergesetze im Ausland. Aber umgekehrt sind die USA äußerst vorsichtig und sparsam dabei, umgekehrt auch Daten ins Ausland zu senden. Das bisher durchgesetzte Gesetz für diesen automatischen Datenabgleich sieht lediglich ein Rinnsal an Informationen aus den USA im Gegenzug zu dem großen Strom an Informationen, der in die USA hineinfließt, vor und daran können wir erkennen, dass die USA auf dem Weg sind, sich zu einer Mega-Steueroase weltweit zu platzieren und aufzubauen. USA ist ein Zielort für Steuerflucht-Gelder zweifelsohne.
    "Die Devise scheint zu laufen: Wir prüfen nicht so genau"
    Becker: Was Sie in Ihrem Buch "Steueroase Deutschland", um wieder aufs Inland zu sprechen zu kommen, feststellen ist, dass es stark davon abhängt, für Unternehmen wie für Privatpersonen, in welchem Bundesland die Steuererklärung abgegeben wird. Wie stellt sich das denn dar?
    Meinzer: Wir sehen, dass es hier eine ganz dramatische unterschiedliche Personalausstattung gibt, zunächst einmal in den normalen Finanzämtern. Der Personalschlüssel ist beinahe doppelt so hoch in den besser aufgestellten Bundesländern als in den schlechter aufgestellten, und dazu zählen systematisch in den letzten Jahren leider immer die reichen Südländer Bayern und Baden-Württemberg etwa. Hier sehen wir, dass hier gespart wird und offenbar ganz bewusst auch gespart wird zulasten des Gemeinwohls unter einer fragwürdigen Annahme eines Steuerkrieges, dem man sich hier irgendwie andienen möchte, um seinen Nachbarstaaten hier Investitionen abzuluchsen.
    Die Devise scheint zu laufen: Wir prüfen nicht so genau, wir haben auch in den Prüfungsdiensten bei der Betriebsprüfung, bei der Steuerfahndung weniger Personal, gemessen an unserer Wirtschaftskraft, und damit wollen wir letztlich Standortpolitik haben. Wenn nicht genug Personal da ist, dann darf natürlich auch die Politik eher mal durchgreifen und subtile Hinweise geben, wo geprüft wird, wo nicht geprüft wird. Hier kann man Steuergeschenke verteilen, ganz ähnlich wie wir das auch aus Luxemburg kennengelernt haben.
    Becker: Danke! - Markus Meinzer war das. Er ist engagiert beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. Im März ist sein Buch "Steueroase Deutschland" erschienen. Danke fürs Gespräch.
    Meinzer: Vielen Dank.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.