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Steuern auf Kraft- und Heizstoffe
"Die Emissionen müssen runter - und zwar schnell"

Wir brauchen höhere Preise - sowohl beim Sprit als auch bei den Heizmaterialien. Dieser Ansicht ist Florian Zerzawy vom Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft. Denn ohne Preisimpulse im Energiebereich könnten die Klimaschutzziele nicht erreicht werden, sagte er im Dlf.

Jule Reimer im Gespräch mit Florian Zerzawy vom FÖS | 22.11.2018
    Eine Hand hält einen Zapfhahn in der Hand und betankt ein Auto
    Der Kraftstoffverbrauch hängt direkt mit dem CO2-Ausstoß zusammen (Imago/ Westend61)
    Jule Reimer: In Frankreich kostet der Liter Super mittlerweile 1,53 Euro, Diesel ist für ungefähr 1,51 Euro zu haben. Eine weitere Anhebung der Steuern auf diese Spritpreise ist für 2019 geplant. Die Regierung Macron will damit eigentlich Gutes tun: Sie will den Klimaschutz fördern. Doch wir haben gehört: Es gibt zahlreiche Proteste. Was macht Macron falsch?
    Florian Zerzawy: Macron macht eigentlich aus unserer Sicht nichts falsch. Denn es ist völlig richtig: Man braucht eine Erhöhung bei den Kraftstoffsteuern, auch bei den Heizstoffsteuern. Und das nicht nur in Frankreich, sondern auch in Deutschland, weil wir in diesen beiden Sektoren, im Verkehrs- und im Wärmebereich, noch nicht weit genug sind, was die Senkung der Emissionen angeht. Da ist in den letzten Jahren viel zu wenig passiert.
    Das große Problem ist ja: Wenn wir jetzt nicht mit Preisimpulsen kommen, dann werden wir in einigen Jahren noch mit viel detaillierterem Ordnungsrecht nachsteuern müssen. Weil eins ist klar: In den beiden Sektoren müssen die Emissionen runter, und zwar schnell.
    Entlastungsmöglichkeiten für Betroffene
    Reimer: Sie sagen, er macht nichts falsch. Aber wir sehen ja, auch in der Demokratie können Wahrheiten abgewählt werden. Das hat die Bundesumweltministerin Svenja Schulze mal so gesagt. Es sind mehrere Länder dabei gescheitert, die als ganz klar umweltschädlich bezeichneten Subventionen auf Diesel und Benzin abzuschaffen. Zum Beispiel Nigeria unter anderen, weil es große Proteste gab. Nigeria ist zum Beispiel auch ein armes Land. Wie kann man diesen Konflikt lösen?
    Zerzawy: Ja, da muss man sich immer ganz genau angucken, wer profitiert eigentlich von den Subventionen. Und wir sehen, das sind oft gerade nicht die armen Leute, sondern das ist eigentlich die Mittelschicht, die nämlich überhaupt das Geld hat, um sich ein eigenes Auto leisten zu können. Wir sehen das auch in Deutschland, dass die armen Leute oft gar kein eigenes Auto haben und dementsprechend dann auch von einer Erhöhung von Kraftstoffsteuern gar nicht so stark betroffen werden, wie das natürlich die Mittelschicht ist.
    Aber ein Punkt ist auch noch wichtig: Wir müssen ganz genau schauen, wer sind denn die betroffenen Gruppen, die mit einer Erhöhung bei Kraftstoffsteuern und bei Heizstoffsteuern auch zu kämpfen hätten und die da wirklich reagieren können auf so einen Preisimpuls. Da kann man sich zum Beispiel mal die Pendlerstatistiken anschauen. Wir haben etwa nur vier Prozent der Pendler in Deutschland, die eine Arbeitsstrecke haben von mehr als 50 Kilometer, die jeden Tag mehr als 100 Kilometer Autofahren müssen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass man schaut, wie viele Leute sind tatsächlich betroffen, und für die muss man dann speziell auch überlegen, wie kann man die kompensieren. Da kann man sich zum Beispiel überlegen, einen speziellen Energiewende-Wechselfonds oder so was aufzusetzen, indem man die Leute finanziell unterstützt, dass sie sich ein Sprit sparendes Auto kaufen können, oder einen Heizungstausch vornehmen können. Das sind alles Möglichkeiten, wo man gezielt Leute auch entlasten kann.
    Andere Länder, andere Vorgehensweisen
    Reimer: Unsere Schweizer Nachbarn, die haben eine Art CO2-Preis. Wie funktioniert das bei denen?
    Zerzawy: Genau. In der Schweiz gibt es eine CO2-Lenkungsabgabe auf Kraftstoffe und auf Heizstoffe. Die beträgt jetzt 96 Schweizer Franken; das sind etwa 85 Euro für jede Tonne CO2 und die wird auf die Preise draufgeschlagen. Das gesamte Aufkommen, das dadurch der Staat einnimmt, wird dann wieder an die Bevölkerung zurückverteilt, und zwar pro Kopf. Das heißt, da bekommt jeder jedes Jahr eine bestimmte Summe dann auch wieder zurück. Jetzt hängt es davon ab: Wie ist der CO2-Fußabdruck jedes Einzelnen? Wenn er die Möglichkeit hat, das CO2 einzusparen, indem er auf eine Sprit sparende Fahrweise umschwenkt, indem er sich ein effizienteres Auto zulegt, indem er eine Wärmepumpe in seinem Haus hat und nicht eine alte Ölheizung, dann bekommt er im Endeffekt mehr zurück, als er über diese Lenkungsabgabe bezahlt hat. Das ist ein Modell, das in der Schweiz sehr viel Akzeptanz für diese CO2-Lenkungsabgabe geschaffen hat und das natürlich ein wichtiges Vorbild auch sein kann für so eine Regelung in Deutschland.
    Reimer: Beim Auto kann ich Ihrer Argumentation, dass vor allen Dingen die Mittelschicht profitiert, noch folgen. Aber der Sozialhilfeempfänger sitzt in seiner Wohnung, leidet unter dem steigenden Heizölpreis. Die Wohnung ist möglicherweise auch schlecht gedämmt. Was soll der tun?
    Zerzawy: Genau. Es gibt eine Begrenzung. Meines Wissens ist da aber schon eine Anpassung erfolgt, auch an gestiegene Heizstoffpreise, und das könnte natürlich auch entsprechend dann wieder gesetzlich so umgesetzt werden, dass man einfach die Obergrenzen da erhöht.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.