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Steuerreform an der Zapfsäule

Nina Renshaw, stellvertretende Direktorin des Umweltdachverbands Transport & Environment, Brüssel, hat die Bestrebungen der EU-Kommission begrüßt, einheitliche Mindeststeuern für Heiz- und Kraftstoffe einzuführen.

Nina Renshaw im Gespräch mit Jule Reimer | 08.04.2011
    Jule Reimer: Die EU-Kommission will Diesel deutlich teurer machen. Das meldet heute Morgen die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Kommenden Mittwoch will, so die "FAZ", der zuständige Kommissar Algirdas Semeta neue Steuermindestsätze vorschlagen. Die Steuer für Diesel, für den Antrieb von Autos und Lkw, würde dann in Deutschland von heute 47 Cent auf 75 Cent steigen, rechnet die Zeitung vor. Am Telefon in Brüssel bin ich mit Nina Renshaw verbunden, stellvertretende Direktorin des europäischen Umwelt- und Verkehrsdachverbandes Transport & Environment. Frau Renshaw, die Kommission will künftig alle verwendeten Kraft- und Heizstoffe nicht mehr nach der Menge besteuern, sondern nach dem Energiegehalt. Ist das der Einstieg in eine europaweite CO2-Steuer?

    Nina Renshaw: Guten Morgen! - Erstens müssen wir sagen, das mit der Kraftstoffsteuer auf 75 Cent in Deutschland stimmt überhaupt nicht. Es stimmt nicht, dass die Steuern in Deutschland auf dieses Niveau erhöht werden müssen. Die EU wird Minimalsteuern vorschlagen, die progressiv eingeführt werden müssen bis 2018, zum Beispiel auf 39,5 Cent. Das würde heißen, dass diese Steuer in Deutschland mit 47 Cent nicht durch diese EU-Mindeststeuer erhöht werden muss.

    Reimer: Sondern es würde an der Relation liegen, dass in Deutschland Benzin bisher mehr besteuert wird, aber einen geringeren Energiegehalt hat?

    Renshaw: Genau. Aber im Verkehrssektor macht diese Einteilung für CO2-Energieanteile nicht so viel aus. Es ist eher eine kosmetische, aber logische Änderung. Viel wichtiger im Verkehr sind die Mindestraten für Diesel und die Verbindung zum Tanktourismus vor allem für Lkw. In Deutschland ist das sehr wichtig, weil es umringt ist von Nachbarländern mit billigeren Dieselsteuern. Das heißt, die deutsche Steuerpolitik hängt eigentlich von den politischen Entscheidungen in den Nachbarländern ab, so wie in Luxemburg oder Polen, wo Diesel heute um ganze 15, 16 Cent billiger ist. Deswegen muss die deutsche Regierung bedenken, wenn sie eigene Steuerraten erhöhen will, wie viel der Einnahmen eigentlich jenseits der Grenzen kassiert wird.

    Reimer: Ist es denn der Einstieg in eine europaweite CO2-Steuer?

    Renshaw: Nicht unbedingt. Es ist der Anfang. Wie gesagt, im Verkehrssektor macht das eigentlich nicht so viel aus. Viel wichtiger ist es in den anderen Sektoren. Im Verkehrssektor ist es wie gesagt eher kosmetisch, aber sehr logisch.

    Reimer: Jetzt fallen ja die Besteuerungsvorschläge für Heizöl eher milde aus, sodass die Deutschen dort gar keine Preiserhöhungen fürchten müssen. Wie gesagt, es geht ja um Mindestsätze, die die Europäische Union vorschlägt. Reichen denn die bisherigen Vorschläge für einen sinnvollen Klimaschutz überhaupt aus?

    Renshaw: Ja, es ist ein erster Schritt, aber nur ein erster Schritt. Wie gesagt haben die Mitgliedsländer dann viel mehr Spielraum, um ihre eigene Steuerpolitik durchzusetzen, was wichtig ist, und es ist auch wichtig für Deutschland, dass andere EU-Länder so wie Griechenland oder Portugal dadurch ihre Budgetdefizite unter Kontrolle bringen können, wobei natürlich dann die Kraftstoffsteuerpolitik helfen kann, vor allem, wenn ihre Nachbarländer, Spanien und Bulgarien, die Mindestraten erhöhen müssen. Es gibt dann mehr Spielraum für die nationale Politik, was sehr wichtig ist.

    Reimer: Das heißt, Sie begrüßen den Vorschlag?

    Renshaw: Auf jeden Fall, ja.

    Reimer: Aus Brüsseler Kreisen ist zu hören, dass die gesamte deutsche Industrie, allen voran die Automobilkonzerne, komplett gegen diesen Vorschlag sind. Außerdem wird das von der Kohle abhängige Polen wohl auch dagegen sein. Und diese Steuervorschläge unterliegen ja dem Einstimmigkeitsprinzip. Wie viel Aussicht auf Erfolg hat denn überhaupt der Vorschlag der EU-Kommission?

    Renshaw: Ja, sehr gute Frage. Wir haben aber zwei wichtige Botschaften für die Autoindustrie. Erst einmal kommt der Erfolg von Dieselautos überhaupt nicht auf den Unterschied zwischen der Diesel- und Benzinsteuer an, sondern viel mehr auf Einkaufssteuern [bzw. in Deutschland auf die Kfz-Steuer mit CO2-Bezug, Anm. d. Red.]. Zum Beispiel Großbritannien - das ist das einzige Land im Moment in der EU, wo Benzin und Diesel steuergleich sind, hat aber einen höheren Anteil von Dieselautos in der Flotte als in Deutschland zum Beispiel. Zweitens: Eine CO2-Minderung wird auch leichter und billiger bei Benzinmotoren sein. Da sehen wir das größte Reduktionspotenzial der kommenden Jahre für den CO2-Ausstoß von Neuwagen. Und die europäischen Hersteller bauen auch weltführende Benzinmotoren. Da sehen wir überhaupt kein Problem.

    Reimer: Vielen Dank an Nina Renshaw, stellvertretende Direktorin des Umwelt- und Verkehrsdachverbandes Transport & Environment in Brüssel.