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Steuerschätzung bedeutet Pleiteerklärung von Finanzminister Eichel

Christine Heuer: Ebenfalls in Berlin bin ich mit dem haushaltspolitischen Sprecher der Unionsbundestagsfraktion verbunden. Guten Tag, Dietrich Austermann.

Moderation: Christine Heuer |
    Dietrich Austermann: Guten Tag, Frau Heuer.

    Heuer: Nun kommt alles offenbar noch viel schlimmer als erwartet. Haben Sie damit gerechnet, dass es so schlimm kommt?

    Austermann: Ja, es waren ja Zahlen in der Größenordnung zwischen 50 und 60 Milliarden immer in Rede und wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung anguckt, das praktisch nicht vorhandene Wachstum, dann muss man sehen, wie sollen denn die Steuern steigen, wenn wir kein Wachstum haben und das Wachstum ist ja abhängig auch vom Bruttoinlandsprodukt. Die Zahlen sind eigentlich so von mir erwartet worden, was, glaube ich, deutlich ist, was Ihr Korrespondent eben gesagt hat, es muss jetzt Schluss sein mit der Schönrechnerei. Eichel hat offensichtlich bei den Steuerschätzern für seine Annahmen keine Unterstützung gefunden, er ist mit einer Empfehlung von etwa 50 Milliarden in die Gespräche gegangen und Bundesbank und Institute waren offensichtlich skeptischer als er und deswegen muss man feststellen, dass zum vierten Mal nacheinander die Steuerschätzung anders aussieht als der Minister erwartet hat. Er hat sich offensichtlich von der Realität entfernt und insofern ist diese heutige Steuerschätzung eine Zwischenbilanz, eine Pleiteerklärung der bisherigen Politik der letzten Jahre.

    Heuer: Nun ist der Schaden aber eingetreten, Herr Austermann, die Haushaltslöcher sind tief. Wie würde die Union sie denn stopfen?

    Austermann: Das ist eine gute Frage deshalb, weil sie immer wieder gestellt wird, auch bei unseren Mahnungen. Die Leute sagen ja, das ist ja alles richtig, was ihr sagt, aber wie wollt ihr es denn anders machen? Dazu muss zunächst einmal die Agenda Zickzack aufhören, es muss aufhören, dass Konsumenten und Investoren ständig verunsichert werden. Die letzten Tage waren ja geprägt von Fehlentscheidungen der Bundesregierung, von der Ausbildungsplatzabgabe, über Diskussion über Mehrwertsteuer, bis zum Außenwirtschaftsgesetz, wo Maßnahmen getroffen wurden, die die Wirtschaft eindeutig belasten. Dies muss aufhören, es muss ein vertrauensschaffender Kurs her, der Mut macht zu Investitionen und Mut macht zu Konsum, dann muss ein ehrlicher Kassensturz her mit Offenlegung aller Risiken. Ich glaube nicht, dass der Finanzminister heute schon erklärt, dass er einen Nachtragshaushalt vorlegt, den er aber vorlegen müsste angesichts der Einnahmen, die weggebrochen sind. Auch ein Haushaltsbegleitgesetz wird er nicht vorsehen und er wird sagen, ich kann über den Haushalt 2005 erst entscheiden, wenn die Steuerschätzung im November da ist ...

    Heuer: Herr Austermann, aber was macht die Union, wo wollen Sie soviel Geld einsparen wie nötig wäre?

    Austermann: Also, sind wir die Regierung, sind wir die Opposition? Wir sind die Opposition, wir können nur Anregungen geben, wir haben Anregungen gegeben mit einem Steuerkonzept, das ab 2005 wirken soll und Strukturverbesserung bedeutet, frischen Wind in das Steuerrecht rein. Wir haben einen Gesetzesvorschlag gemacht für den Arbeitsmarkt, für frischen Wind im Arbeitsmarkt, beim Kündigungsschutz, aber auch bei betrieblichen Bündnissen. Wir haben Vorschläge für Strukturreformen gemacht, wir können leider nur Vorschläge machen, es muss dann die Mehrheit im Parlament darüber entscheiden.

    Heuer: Und wenn diese Vorschläge umgesetzt würden, Herr Austermann, müsste denn dann eine CDU geführte Bundesregierung in dieser Situation keine neuen Schulden machen?

    Austermann: Neue Schulden schon, aber nicht in diesem Umfang. Denn wir würden beginnen, indem wir sagen, wir fangen richtig an zu sparen, da kann man aus dem Verwaltungshaushalt eine Größenordnung von bis zu vier Milliarden herausholen, wenn man es wirklich ernst meint. Da wird nach wie vor das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen, beim Personal, bei Öffentlichkeitsarbeit, bei Beraterverträgen und an vielen anderen Stellen im Verwaltungsverbrauch. Ich sehe noch keine ernsthaften Ansätze für wirkliches Sparen. Im Arbeitsmarkt müsste reduziert werden bei dem, was an Arbeitsmarktpolitik ausgegeben wird, beim Subventionsabbau, da sind gerade noch einmal die Subventionen für die Kohle noch einmal um 15,8 Milliarden gesteigert worden. Alles das sind Eseleien, politische Eseleien, die genau in die falsche Richtung gehen. Ich denke, es gibt genügend Ansätze zu sparen, sodass wir nicht in diesem und nicht im nächsten Jahr zu einer Rekordneuverschuldung kommen müssten.

    Heuer: Ein Ansatz, den die Bundesregierung gerne wählen möchte, wäre die Streichung der Eigenheimzulage, aber gerade an dieser Stelle, wo die Regierung dann konkret wird und etwas tun möchte, verweigert sich die Union.

    Austermann: Nein, das ist völlig falsch, die Eigenheimzulage wird offensichtlich zum Ungeheuer von Loch Ness. Wir haben gemeinsam, Bundesregierung und Opposition, im Vermittlungsausschuss im letzten Dezember beschlossen, die Eigenheimzulage um 30 Prozent zu reduzieren, das wirkt, das gibt zusätzliches Geld in die Kasse ab diesem Jahr. Damit wird die Eigenheimzulage auf eine Summe von gut fünf Milliarden reduziert, der Bundeskanzler redet immer noch von 10 Milliarden, die da zur Verfügung stünden. Wenn die Regierung gleichwohl die Forschungsausgaben in diesem Jahr reduziert hat, um hunderte Millionen reduziert hat, ist es nicht die Verantwortung der Opposition. Also, das Thema Eigenheimzulage ist längst abgearbeitet, ich verstehe nicht, warum kein Journalist das endlich erkennt. Was entschieden wurde im Dezember letzten Jahres, Abbau um 30 Prozent heißt 2,5 Milliarden weniger. Schneller und mehr können sie so kurzfristig gar nicht machen, da sie ja langfristige Bindungen mit den Menschen eingegangen sind, die Häuser angefangen haben zu bauen.

    Heuer: Dann reden wir noch kurz, Herr Austermann, über den Stabilitätspakt. Die Bundesregierung möchte ihn verändern, lockern oder möglicherweise ganz aufgeben, das weiß man ja nicht so ganz genau. Wo so viele Staaten den Pakt reißen, muss der Pakt nicht tatsächlich modifiziert werden?

    Austermann: Nein, der Pakt sieht ja eine Spekulationsbreite vor in der Größenordnung von drei Prozent, mit der man die Schulden machen kann im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Drei Prozent sind ja schon genügend Spielraum, wie viel Spielraum brauchen wir denn noch, wollen wir sagen, ihr könnt bis zu fünf Prozent Schulden machen? Sehen Sie sich doch an, was die Zinsbelastung bedeutet. In den letzten fünf Jahren wurden 190 Milliarden neue Schulden von Hans Eichel gemacht, das heißt im nächsten Jahr 9,5 Milliarden zusätzliche Zinsausgaben. Wenn wir jetzt weiter diese Barriere wegschieben, heißt das doch, dass uns demnächst die Zinsen total auffressen. Wir haben jetzt schon Ausgaben für die Vergangenheit in erheblichem Umfange, die fast schon die Steuereinnahmenhöhe erreichen und das dann noch weiter auszuweiten, ist genau der falsche Weg. Ich hoffe, es wird keiner diesem Vorschlag, den Schröder gemacht hat, diesem Weg in die Unvernunft folgen.

    Heuer: Einige CDU regierte Bundesländer haben jetzt angekündigt, sie wollten die Strafgelder, die fällig werden an die EU, wenn der Pakt wieder nicht eingehalten werden kann, nicht mitbezahlen. Finden Sie das in Ordnung, Herr Austermann?

    Austermann: Das finde ich deshalb in Ordnung, weil die Vereinbarung, die Eichel mit den Bundesländern getroffen hat, dass nämlich jeder einen bestimmten Anteil an neuen Schulden machen darf, die Länder 55 Prozent, der Bund 45 Prozent von Eichel nicht eingehalten wird, weil der Bund alleine 60 Prozent statt der 45 macht und die Länder im Verhältnis weniger. Der Bund ist der eigentliche Schuldenmacher und deshalb trägt er auch die Verantwortung dafür, dass die Maastrichter Kriterien gerissen werden.

    Heuer: Dietrich Austermann, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsbundestagsfraktion war das im Interview mit dem Deutschlandfunk. Herr Austermann, herzlichen Dank und einen guten Tag.