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Stewens: Durchaus aufgeschlossen für Kinderrechte im Grundgesetz

Die bayerische Sozial- und Familienministerin Christa Stewens (CSU) hat sich gegenüber einer Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz grundsätzlich aufgeschlossen gezeigt. Allerdings wolle die CSU diese Frage noch genau überprüfen. Gleichzeitig sei es notwendig, in Fragen der Prävention konsequent zu handeln. Dazu gehörten auch bundesweit verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen, sagte Stewens.

Moderation: Silvia Engels |
    Engels: Bundeskanzlerin Angela Merkel trifft heute die Ministerpräsidenten der Länder. Im Mittelpunkt der Sitzung stehen auf Wunsch der Kanzlerin die Rechte von Kindern, ein Thema, das durch die jüngsten verstörenden Fälle von Kindesmisshandlungen und Kindstötungen neue Aktualität erfahren hat. Vergangene Woche brachte die Bundesregierung ein Programm auf den Weg, um Kinder besser zu schützen. Doch der von der SPD angestrebten Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz steht die CDU mehrheitlich ablehnend gegenüber. - Am Telefon ist nun die bayerische Sozial- und Familienministerin Christa Stewens (CSU). Guten Morgen Frau Stewens!

    Stewens: Guten Morgen.

    Engels: Rechte von Kindern ins Grundgesetz. Was sagen Sie?

    Stewens: Ich bin grundsätzlich aufgeschlossen, doch wir werden innerhalb der CSU das sehr exakt überprüfen, wobei ich aber hier noch mal eine grundsätzliche Anmerkung machen möchte. Ich denke wichtig ist hier, dass in den Ländern konsequent gehandelt wird im Bereich Kinderschutz und dass man hier die entsprechenden Maßnahmen trifft. Das muss ein Bündel von Präventionen sein. Das halte ich für ungeheuer wichtig. Das müssen aufsuchende Hilfsangebote, niedrigschwellige Hilfsangebote sein und dann entsprechende Verpflichtungen von Vorsorgeuntersuchungen, Meldepflicht von Ärzten und Hebammen. Aber ich bin durchaus aufgeschlossen gegenüber einer Grundgesetzänderung, halte jedoch eine gute und exakte Überprüfung für notwendig.

    Engels: Prävention fordern Sie, bessere Maßnahmen. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) fordert heute einmal in der Tageszeitung mehr bundesweit verpflichtende Vorsorgeuntersuchungen. Schließen Sie sich an?

    Stewens: Ich halte bundesweite Vorsorgeuntersuchungen und auch verpflichtende für wichtig. Wir haben in Bayern eine gesetzliche Pflicht der Eltern, dass sie ihre Kinder zu den Vorsorgeuntersuchungen bringen müssen, normiert und vor diesem Hintergrund bin ich natürlich auch der Überzeugung, das wäre durchaus bundesweit notwendig. Denn wenn ich den letzten Fall mit den drei Kindstötungen in Plauen sehe, da ist die Mutter innerhalb von drei Jahren neunmal umgezogen. Von daher fordern wir Länder ja schon seit Jahren, dass man hier bundesweite Regelungen benötigt. Leider Gottes hat sich der Bund dort bislang nicht bewegt. So haben dann die Länder unterschiedliche Lösungsansätze auf den Weg gebracht.

    Engels: Die Bundesminister Ursula von der Leyen und Ulla Schmidt sehen gerade bei diesen bundesweit verpflichtenden Vorsorgeuntersuchungen verfassungsrechtliche Bedenken. Sie auch?

    Stewens: Nein. Ich sehe da keine verfassungsrechtlichen Bedenken, denn man kann das natürlich unter der Gesundheitsvorsorge, also im bürgerlichen Gesetzbuch in §1632 festmachen. Dort steht die Personensorge und ich denke auch zur Personensorge gehört die Gesundheitsvorsorge. Darunter kann man das letztendlich dann auch gesetzlich regeln. Insofern sehe ich dort keine verfassungsrechtlichen Probleme. Außerdem kann ich die Logik sowieso nicht nachvollziehen, dass man auf der einen Seite sagt, die Länder sollen es machen, dort gäbe es keine verfassungsrechtlichen Probleme. Der Bund kann es nicht machen; wir haben ein Grundgesetz in Deutschland.

    Engels: Ja, aber da sind wir doch genau bei dem Punkt. Wenn man es deutlicher ins Grundgesetz schreibt, dann hätte man auch diese Hürde von Vornherein überwunden.

    Stewens: Nein. Sie können es ganz genauso im bürgerlichen Gesetzbuch unter der Personensorge normieren. Das ist nach unserer Auffassung und nach der Auffassung unserer sehr guten Juristen in Bayern kein Problem.

    Engels: Die guten Juristen in Bayern, da sind wir beim Stichwort. In Artikel 126 der bayerischen Landesverfassung ist nachzulesen, "Kinder und Jugendliche sind durch staatliche und gemeindliche Maßnahmen und Einrichtungen gegen Ausbeutung sowie gegen sittliche, geistige und körperliche Verwahrlosung und gegen Misshandlung zu schützen". Eins zu eins dieser Passus ins Grundgesetz; was sagen Sie?

    Stewens: Wir haben ihn in der bayerischen Verfassung und ich halte ihn auch für richtig in der bayerischen Verfassung. Nun denke ich nicht, dass man das, was wir in der bayerischen Verfassung normiert haben, immer eins zu eins umsetzen muss ins Grundgesetz. Die bayerische Verfassung hat ja eine ganz klare, deutliche Sprache, ist übrigens auch sehr kurz. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass es vom Ausdruck her nicht so ganz ins Grundgesetz passt, aber ich bin durchaus aufgeschlossen darüber, dass man Kinderrechte auch im Grundgesetz festsetzt. Wie gesagt: wir werden es einer exakten Prüfung unterziehen.

    Engels: Neben der Grundgesetzdebatte geht es ja um konkrete Präventionsmaßnahmen. Wir haben über die Vorsorgeuntersuchungen gesprochen, auch über die Besuche zu Hause. Wie macht denn Bayern hier Fortschritte?

    Stewens: Wir haben das Hebammenprojekt Maya. Das bedeutet, dass bei uns die Hebammen mittlerweile alle in der Fort- und in der Ausbildung im Bereich Erziehung, Familienbildung hier Komponenten bekommen haben, also entsprechende Aus- und Fortbildungsangebote bekommen haben, so dass die Hebammen, die ja bei fast jeder Geburt vor der Geburt mit den jungen Müttern, mit den jungen Eltern reden, sie beraten, aber auch nach der Geburt in die Familien, in die Wohnungen direkt kommen, dann die jungen Eltern auch entsprechend in ihrer Erziehungskraft stärken können. Und wenn sie sehen, hier gibt es dann tatsächlich große Probleme, dann können sie auch professionelle Hilfe holen: entweder die Gesundheitsämter oder auch die Jugendämter oder die Erziehungs- und Familienberatung. Wir haben ein Netz von Erziehungsberatungen, 180 Erziehungs- und Familienberatungsstellen, so dass man vor Ort dann professionelle Hilfe holen kann. Wenn es mit Riesenproblemen behaftet ist, dann kann man natürlich von den Jugendämtern maßgeschneiderte Hilfepläne anfordern und auch dafür sorgen, dass sie sich direkt einschalten.

    Engels: Das klingt gut, aber die Ämter beklagen auch immer, es sei zu wenig Geld da, zu wenig Personal. Planen Sie hier eine Aufstockung im bayerischen Landesetat?

    Stewens: Was wir wollen - und dazu ist natürlich dann auch das notwendige Personal bereitzuhalten -, wir wollen, dass alle, die im Bereich Kinderschutz mit Risikofamilien zu tun haben, die Risikofaktoren erkennen. Ob das jetzt die Polizei ist, ob das die Familiengerichte sind, ob das die Jugendämter, die Gesundheitsämter, die niedergelassenen Ärzte, die Hebammen, die Erzieherinnen oder auch die Lehrerinnen sind. Wir wollen hier koordinierte Kinderschutzstellen in Bayern einrichten, die intensiv mit den Jugendämtern zusammenarbeiten. Dazu brauchen wir natürlich auch notwendiges Personal.

    Engels: Personal und wie viel Geld ist dafür da?

    Stewens: Vom Grundsatz her haben wir zurzeit zwei Pilotprojekte in Traunstein und in Erlangen für die koordinierten Kinderschutzstellen. Wir evaluieren zurzeit diese Koordinierung. Wir sind zurzeit dran, die Risikofaktoren festzumachen, zu erkennen. Es ist zum Beispiel ganz interessant: Es gibt Frauen, die nie während ihrer Schwangerschaft eine Vorsorgeuntersuchung im Mutterpass eingetragen haben, die sie auch nie gemacht haben. Dieser Risikofaktor wird von dem entbindenden Arzt, dem Gynäkologen im Krankenhaus zwar gesehen, erkannt, aber nicht weitergegeben. Vor diesem Hintergrund ist es ganz wichtig, dass diese Risikofaktoren herausgefiltert werden und dann auch in der Zusammenarbeit an die Jugendämter weitergegeben werden. Da kann ich Ihnen keine Hausnummer Geld nennen, sondern es ist wichtig, dass wir diese Zusammenarbeit stärken und dann auch die entsprechenden Personalstellen, wenn wir mit den koordinierten Kinderschutzstellen in die Fläche gehen, zur Verfügung stellen.

    Engels: Die bayerische Sozial- und Familienministerin Christa Stewens. Wir sprachen über Kinderrechte im Grundgesetz vor dem heutigen so genannten Kindergipfel zwischen Bundeskanzlerin und den Ministerpräsidenten. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Stewens: Danke schön!