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Stickoxid-Grenzwerte
Merkel will Fahrverbote per Gesetz erschweren

Bundeskanzlerin Merkel will die Hürden für Sperrzonen für ältere Diesel-Modelle in Städten erhöhen. Dazu soll das Immissionsschutzgesetz so geändert werden, dass Fahrverbote bei geringer Überschreitung als unverhältnismäßig eingestuft werden. Opposition und Umweltverbände kritisieren das Vorhaben.

Von Gudula Geuther | 22.10.2018
    Schilder verkünden Fahrverbote für Diesel-Fahrzeuge in Hamburg
    CDU-Chefin Angela Merkel hat die jüngst verhängten Fahrverbote für ältere Diesel-Modelle in mehreren deutschen Großstädten kritisiert (dpa / Daniel Bockwoldt)
    Sie gehe davon aus, dass man Fahrverbote für Frankfurt vermeiden könne, sagte CDU-Chefin Angela Merkel am Abend nach der Sitzung von Vorstand und Präsidium der Partei.
    "Wir haben hier sehr deutlich noch einmal gemeinsam festgestellt, dass wir an der Seite der Besitzer von Diesel-Fahrzeugen stehen."
    Dass es gerade die Stadt Frankfurt war, die besondere Erwähnung fand, ist kein Zufall. Flankiert wurden Merkels Äußerungen durch Zustimmung von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier, in dessen Bundesland am Sonntag gewählt wird. Man sehe die Automobilindustrie in der Pflicht, betonte Merkel nun. Und:
    "Wir wollen dazu das Bundesimmissionsschutzgesetz, also die entsprechenden Gesetze, ändern. Wir glauben, dass in der Regel Fahrverbote nicht verhältnismäßig sind, wenn es sich um Fahrverbote von geringerem Umfang, also bis zu 60 Mikrogramm pro Kubikmeter, handelt."
    Bund hält ergänzende Maßnahmen für ausreichend
    So sehr die Bemerkung für Aufmerksamkeit sorgte, so wenig ist sie neu oder auch eine reine Idee der CDU. Denn genau diese Gesetzesänderung hatte die Koalition aus CDU/CSU und SPD bereits Anfang Oktober beschlossen. In der Koalitionsvereinbarung sind Hardware-Nachrüstungen für schwere städtische und für Handwerker und Lieferfahrzeuge vorgesehen. Danach heißt es:
    Nach Einschätzung des Bundes sind diese Maßnahmen in Ergänzung zu den Aktivitäten der Länder und Kommunen ausreichend, dass alle Städte, in denen ein Stickoxid-Jahresmittelwert von nicht mehr als 50μg/m³ Luft gemessen wurde, die Grenzwerte zukünftig ohne Verkehrsbeschränkungen einhalten können.
    Genau so solle es auch im Bundesimmissionsschutzgesetz festgeschrieben werden. Ob das den betroffenen Städten tatsächlich hilft, ist allerdings fraglich. Denn das Europarecht verlangt, dass im Jahresmittel der Grenzwert von 40 Mikrogramm eingehalten wird. Gegenüber dem Deutschlandfunk sagt deshalb Remo Klinger, Anwalt der Deutschen Umwelthilfe, die die Fahrverbote in vielen Klagen durchgesetzt hat:
    "Das europäische Recht geht vor. Man kann deshalb nicht den Grenzwert heraufsetzen und sagen: Uns interessiert nur noch 50 Mikrogramm. Das Bundesverwaltungsgericht hat schon entschieden, ganz eindeutig, dass man gesagt hat: Ihr müsst den Grenzwert schnellstmöglich einhalten. Und wenn es dazu Fahrverbote bedarf und Ihr keine andere Maßnahme habt, mit der Ihr es genauso schnell schafft, dann müsst Ihr diese Maßnahme durchsetzen."
    Unterschiedliches Echo auf die Ankündigung
    Tatsächlich war auch das Bundesverwaltungsgericht schon im Februar davon ausgegangen, dass Fahrverbote gegen das rein deutsche Recht verstießen, mit Blick auf das Europarecht war das aber unbeachtlich. Demnach wäre eine entsprechende Gesetzesänderung nicht mehr als eine Handreichung für die entscheidenden Beamten. Soweit die anderen Maßnahmen nicht ausreichen, müssten sie trotzdem Fahrverbote verhängen. Entsprechend unterschiedlich ist das Echo auf die Ankündigung. "Hanebüchen" nennt Grünen-Chefin Annalena Baerbock den Plan der Gesetzesänderung.
    "Die Automobilhersteller müssen jetzt dafür sorgen, dass diese Grenzwerte eingehalten werden. Das heißt, die Kanzlerin muss Druck auf die Automobilbranche ausüben und nicht jetzt an den Grenzwerten und damit an der sauberen Luft in den Städten herumschrauben."
    Auch die Verkehrspolitikerin der Fraktion die Linke, Ingrid Remmers, verweist auf die Verantwortung der Industrie, das Aufweichen von Grenzwerten sei keine Lösung. Greenpeace spricht von einem "zynischen Spiel auf Zeit". Dagegen begrüßt der zuständige EVP-Politiker Jens Gieseke die Pläne – die allerdings in jedem Fall europarechtskonform umgesetzt werden müssten. Die SPD hatte mit der Koalitionseinigung einem ähnlichen Plan ohnehin schon zugestimmt.