Archiv

Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Auflösung empfohlen

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist die größte deutsche Kulturinstitution. Nun droht ihr das Aus: Der Wissenschaftsrat empfiehlt, die Dachorganisation aufzulösen. Der Entwurf sei ein konstruktiver Beitrag zur Zukunft der Sammlungen, sagte die "ZEIT"-Journalistin Anna-Lena Scholz im Dlf.

Anna-Lena Scholz im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
Das Bode-Museum auf der Museumsinsel an der Spree, aufgenommen im Abendlicht in Berlin.
Das Bode-Museum auf der Museumsinsel in Berlin gehört zu den Staatlichen Museum und damit auch zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz. (dpa Wolfram Steinberg )
Die Wochenzeitung "Die Zeit" hat am Dienstag (07.07.20) mit einer Vorabmeldung für ein kleines Vorbeben in der deutschen Kulturwelt gesorgt. Den Kolleginnen und Kollegen dort liegt ein Entwurfspapier des Wissenschaftsrates vor, nach dem die Stiftung Preußischer Kulturbesitz aufgelöst werden soll. 15 Museumssammlungen plus Zentralarchiv, eine Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv, diverse Forschungseinrichtungen - sie alle gehören zur 1957 gegründeten und nach 1989 dann erweiterten "SPK".
Der Etat der SPK: 335,55 Millionen, rund 2.000 Beschäftigte. Manche fanden schon seit längerem, dass ein schnelles, zeitgemäßes Steuern eines solchen Tankers eigentlich nicht mehr möglich sei; zu viele Hierarchieebenen sind nur ein Punkt. Im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ist deshalb seit zwei Jahren eine "Untersuchung" und "Neuausrichtung" festgeschrieben. Den entsprechenden Bericht will der Wissenschaftsrat – das wissenschaftspolitische Beratungsgremium für Bund und Länder – am kommenden Montag vorlegen. Den Entwurf – 278 Seiten stark – konnte die "Zeit" schon auswerten. Die Redakteurin der Wochenzeitung, Anna-Lena Scholz, hat ihn gelesen.
Stefan Koldehoff: Kommt der Entwurf des Wissenschaftsrats zu einem klaren Ergebnis?
Anna-Lena Scholz: Ja, da kommt es zu einem sehr klaren Ergebnis, was die Komplexität der Führungsstruktur und der gesamten Einrichtungen Stiftung Preußischer Kulturbesitz angeht, nämlich dass sie in ihrer Komplexität dysfunktional ist und hemmend wirkt auf die einzelnen, vielen Institutionen, die sich darunter verbinden.
Zu viele Hierarchieebenen
Koldehoff: Was heißt das aus Ihrer Sicht, "dysfunktional"? Man hat als Benutzer, als Besucher ja schon den Eindruck, die Archive sind zugänglich, die Museen - wenn man jetzt mal von Corona absieht - eigentlich auch, funktioniert doch eigentlich alles?
Scholz: Ja, dieser Begriff, der viel härter klingt, wenn man ihn aus dem Kontext nimmt, als er, glaube ich, in dem Gesamtkontext des Gutachtens gemeint ist, bezieht sich vor allem auf die ganz großen, zukunftsweisenden Aufgaben, die die Museen, die Archive, die Bibliotheken vor sich haben: Das sind Aufgaben wie den digitalen Strukturwandel zu meistern, sich in den sozialen Medien aufzustellen, auch neues Publikum zu gewinnen, das nicht das klassische Bildungsbürgertum ist und ohnehin in die Museen oder Archive kommt, also Zukunftsaufgaben, die unglaublich komplex, für jede Einrichtung auch etwas anders gelagert sind, und die momentan nur schwierig umzusetzen sind, weil es so eine komplexe Führungsstruktur gibt, viele verschiedene die Hierarchieebenen, die sich eben manchmal auch im Weg stehen. Und außerdem wird eine erhebliche Unterfinanzierung der Stiftung diagnostiziert.
Gründung kleinerer Stiftungen mit mehr Autonomie
Koldehoff: Da wird man ja wahrscheinlich nicht so einfach neues Geld im Keller drucken können. Aber wenn wir noch mal auf die hierarchischen Strukturen zum Beispiel zurückkommen, bei den Museen: Es gibt den Präsidenten der Stiftung. Es gibt einen Chef für alle Museen zusammen, dann noch mal einzelne Chefs für jedes Museum mit Stäben, mit Verwaltungsdirektoren. Da will man also künftig ran?
Scholz: Genau. Der Vorschlag oder die Empfehlung sieht vor, dass diese Dachorganisation aufgelöst wird und stattdessen nur noch vier eigenständige Stiftungen oder Anstalten gegründet werden. Das wären die Staatlichen Museen, die Staatsbibliothek, das Geheime Staatsarchiv und das Ibero-Amerikanische Institut. Und jede dieser Stiftungen hätte eine eigene Leitung, also viel mehr Autonomie und Verantwortung, wäre aber frei in Personal, Budget und auch Themen und inhaltlichen Ausrichtungen, etwas zu bestimmen.
Das Logo der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde 1957 durch Bundesgesetz mit dem Ziel gegründet, vor allem die Kulturgüter des ehemaligen Landes Preußen zu bewahren. Heute zählen zu der Stiftung, die zu drei Vierteln vom Bund und zu einem Viertel von den Bundesländern getragen wird, 15 Museumssammlungen an 19 Standorten, das Geheime Staatsarchiv, die Staatsbibliothek Berlin, das Staatliche Institut für Musikforschung, das Ibero-Amerikanische Institut und Einrichtungen wie das bundesweit tätige Rathgen-Forschungslabor oder das Institut für Museumsforschung.
Nach 1989 kam die Zusammenführung einzelner Sammlungen aus Bundesrepublik und DDR als Aufgabe hinzu. Der Etat der Stiftung betrug 2019 rund 335 Millionen Euro. Kritik gibt es seit längerem an der Größe des umfangreichsten deutschen Kulturverbundes: Vor allem bei Aufgaben wie der Digitalisierung sei die SPK, unter anderem durch zu viele Hierarchieebenen, zu unbeweglich und langsam. Ein Lösungsvorschlag im nun diskutierten Berichtsentwurf des Wissenschaftsrates lautet deshalb: Aufspaltung in kleinere Stiftungen mit finanzieller und inhaltlicher Autonomie.
Koldehoff: Die Details gibt es wahrscheinlich am Donnerstag bei Ihnen im Blatt. Trotzdem schon mal gefragt: Sie haben ja nicht nur recherchiert, was drin steht, sondern das sicherlich auch bewertet. Es gibt ja nicht nur die autonomen, einzelnen Häuser wie beispielsweise Museen. Es gibt auch zum Beispiel eine Reihe von Forschungsinstituten wie das Rathgen-Forschungsinstitut, die quer, horizontal für viele Einrichtungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zuständig sind. Wird an die auch gedacht oder geht es nur um die Leuchttürme?
Scholz: Nein, es werden alle Institutionen gewürdigt und analysiert - und tatsächlich auch gewürdigt in dem, was sie geleistet haben. Es werden auch Vorschläge gemacht zur Re-Integration einzelner Unter- oder kleinerer Einrichtungen in diese größere Struktur. Aber tatsächlich ist der wichtigste und tiefgreifendste Vorschlag diese Auflösung und die Einordnung in vier große Bereiche.
Institution für die Zukunft neu aufstellen
Koldehoff: Nachdem Sie sich jetzt, Frau Scholz, fleißig durch die 280 Seiten durchgelesen haben, hat das Hand und Fuß? Glauben Sie, dass das so beschlossen werden wird?
Scholz: Also Hand und Fuß hat es auf jeden Fall, weil man wirklich auf jeder Seite merkt, wie ernsthaft und tiefgreifend sich die Arbeitsgruppe mit den Strukturen befasst hat. Der Bericht ist unglaublich sachlich, umfassend, differenziert, auch kühl, weil er wirklich eine Strukturanalyse ist, also sich nicht an Personen abarbeitet oder einzelne Personen kritisiert, sondern eben auf diese Strukturen schaut. Ganz wichtig finde ich auch noch vielleicht zu sagen, weil Sie den Begriff der Zerschlagung auch am Anfang schon verwendet hatten und dieser Begriff kursierte ja in den letzten zwei Jahren schon häufiger, das ist ein sehr martialischer Begriff, der in dem Bericht nicht verwendet wird. Und daran kann man ganz gut sehen, glaube ich, was hier versucht wird, nämlich wirklich einen konstruktiven Beitrag zu leisten und eigentlich eine Würdigung dieser weltweit bedeutenden Sammlungen. Also, es geht wirklich darum, nach vorne zu denken und diese Institution für die Zukunft neu aufzustellen. Wie sehr das nun angenommen wird, von Monika Grütters zum Beispiel, aber auch von den Ländern, ist interessant. Denn die Neuordnung sähe auch vor, dass es im Grunde keine föderale Finanzierung mehr wie im jetzigen Sinne gibt und das bedeutet, dass die Länder sich damit einverstanden erklären müssten, hier eigentlich etwas abzugeben von föderaler, deutschlandweiter Kulturpolitik. Und ich könnte mir vorstellen, dass es da zu Diskussionen kommen wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.