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Stimmen zum Rücktritt der SPD-Chefin
"Ich schäme mich"

Der Schritt kommt überraschend: SPD-Chefin Nahles tritt nach innerparteilicher Kritik als Fraktions- und Parteivorsitzende zurück. In vielen Reaktionen wird der Noch-Vorsitzenden Respekt gezollt. Andere Politiker denken laut darüber nach, wie es nun mit der Großen Koalition weitergeht. Stimmen und Reaktionen.

02.06.2019
    SPD-Logo auf dem Landesparteitag in Baden-Württemberg.
    SPD-Logo auf dem Landesparteitag in Baden-Württemberg. (dpa / Christoph Schmidt)
    Parteiübergreifend wird Nahles' Entscheidung respektiert. Viele Bekundigungen sind mit Forderungen verbunden und viele Politiker drücken ihre Sorge um die Politik und Parteienlandschaft aus:
    "Andrea Nahles genießt für ihren Rückzug von den Spitzenämtern in Partei und Fraktion meinen vollen Respekt. Wie Teile der Bundespartei in den zurückliegenden Tagen mit ihr umgegangen sind, beschämt mich und ist aus meiner Sicht zutiefst unsozialdemokratisch" (Der rheinland-pfälzische SPD-Vorsitzende Roger Lewentz).
    "Hochachtung vor Andrea Nahles. So brutal darf Politik nicht sein. Vielleicht denken wir darüber alle einfach nur nach." (Links-Fraktions-Chef Bartsch)
    Auch der Juso-Vorsitzende Kühnert wählt bei Twitter deutliche Worte: Wer mit dem Versprechen nach Gerechtigkeit und Solidarität nun einen neuen Aufbruch wagen wolle, dürfe nie wieder so miteinander umgehen, wie die Partei das in den vergangenen Wochen getan habe. Und er ergänzt: "Ich schäme mich dafür".
    Thüringens Ministerpräsident Ramelow (Linke) warnte vor einem grundlegenden Wandel in der Parteienlandschaft:
    "Der Rücktritt von Andrea Nahles ist konsequent. Sie hat es nicht geschafft, die SPD zurück auf den Weg einer Volkspartei zu führen.
    Jedoch werden Personalkonsequenzen und Personaldebatten das Problem der SPD nicht lösen, denn es ist struktureller und inhaltlicher Natur." (Der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland)
    "Respekt, dass Andrea Nahles hier eine klare Entscheidung trifft", erklären die Grünen-Parteivorsitzenden Baerbock und Habeck. "Wir hoffen, dass die SPD rasch ihre Personalfragen klärt und sich dann mit neuer Kraft auf ihre Aufgaben konzentrieren kann."
    Der FDP-Politiker Marco Buschmann ergänzte: "Das Problem, dass immer mehr Menschen dem Format Volkspartei immer weniger zutrauen, ist damit aber noch nicht gelöst. Dazu braucht Deutschland eine Auflösung seines Entscheidungsstaus"
    Wie geht es weiter mit der SPD?
    "Die SPD befindet sich nicht erst seit der Europawahl in einer schwierigen Lage - wichtig ist daher, dass wir zusammenbleiben und die nächsten Schritte gemeinsam gehen." (Vizekanzler und Bundesfinanzminister Scholz)
    "Die SPD braucht eine Entgiftung. Solange die SPD sich nur mit sich selbst beschäftigt, solange es nur um das Durchsetzen oder Verhindern von innerparteilichen Machtpositionen geht, werden die Menschen sich weiter von uns abwenden" (Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung)
    "Was die SPD jetzt braucht, ist ein umfassender Neustart, sowohl inhaltlich als auch personell. Dafür hat Andrea Nahles den Weg frei gemacht." (Sachsens SPD-Chef Dulig)
    Die zur Parteilinken zählende SPD-Bundestagsabgeordnete Cansel Kiziltepe fordert einen Neuanfang. "Wir brauchen einen klaren Richtungswechsel. Die Versager von gestern dürfen nicht die Alternative für morgen sein."
    SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach plädiert dafür, die Führung von Bundestagsfraktion und Partei bis auf weiteres kommissarisch zu besetzen. "Ich warne vor Schnellschüssen", sagt er der "Welt". "Wir dürfen jetzt nicht nach dem Motto verfahren: Der Nächste bitte!"
    Brandenburgs Ministerpräsident Woidke, in dessen Bundesland im September eine Landtagswahl stattfindet, mahnt dagegen: "Die SPD kommt jetzt nur durch Zusammenhalt und Gemeinsinn voran. Unsere künftige personelle Spitze und den Weg dorthin werden wir in Ruhe beraten. Aber wir dürfen uns zugleich keine Hängepartie erlauben."
    "Ich kann kein Mitleid mit jemandem haben, der diesen Job unbedingt haben wollte, der gegen den Rat vieler in eine Große Koalition gegangen ist – sehenden Auges in die Negativsituation hinein. Und wenn diese Person jetzt die Konsequenzen zieht, dann ist für mich jedenfalls der Punkt gekommen, wo sie für mich dann möglicherweise das einzig richtige Gute dann noch für die SPD tun kann, in dem sie neuen Kräften die Chance bietet, den Neuaufbau zu organisieren und zu gestalten." (Der SPD-Politiker Rudolf Dreßler im Deutschlandfunk)
    "Der Umgangsstil innerhalb der SPD in den letzten Tagen und Wochen war überhaupt nicht vom sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität geprägt. Wenn wir neues Vertrauen gewinnen und diese gravierende Krise überwinden wollen, muss sich das grundlegend ändern. Zudem darf es jetzt keine Schnellschüsse oder Handeln aus der Ich-Perspektive geben." (Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner)
    Ende der Großen Koalition?
    Der Deutschland-Chefökonom der niederländischen Bank ING, Carsten Brzeski, sieht von Nahles' Rücktritt politische Schockwellen ausgehen:
    "Andrea Nahles stand für den Bestand der GroKo - deren Stabilität ist jetzt fraglich. Als nächstes kommt das Ende der GroKo. Alles andere führt zu nichts." (Harald Christ, Vizepräsident des SPD-Wirtschaftsforums)
    "Mit einer wankenden SPD, die ihren Kurs nicht geklärt hat, ist die Koalition kaum fortzuführen" (Ingo Senftleben, CDU-Chef in Brandenburg)
    Der AfD-Vorsitzende Meuthen forderte nach der Ankündigung der SPD-Chefin den Rücktritt von Bundeskanzlerin Regierung und der gesamten Regierung: