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Stradivari – voller Klang oder nur klangvoller Name?

Oft versuchten Naturwissenschaftler, hinter das Geheimnis der scheinbar perfekten Geigen von Antonio Stradivari zu kommen. Allerdings fanden sie keine überzeugenden Antworten. Nun sagt eine Studie in der Fachzeitschrift "PNAS": Es gibt keine Erklärung für die Überlegenheit alter Geigen, weil sie gar nicht überlegen sind.

Von Volkart Wildermuth | 03.01.2012
    Die letzte Sendung "Wetten, dass..?": Stargeiger David Garrett erkennt vier alte Violinen, allein am Klang. Wer es nicht glaubt, kann es in der ZDF Mediathek sehen und hören.

    "Also das müsste eine Stradivari sein aus dem Jahr 1734 die "Baron Feilitsch", gespielt von Gideon Kremer unter Nicolaus Hanoncourt."

    Aber hat David Garrett die Stradivari wirklich allein an ihrem einzigartigen Klang erkannt? Er hätte das wahrscheinlich bejaht, schließlich gilt es unter Musikexperten als eine offenkundige Tatsache, dass die Geigen von Antonio Stradivari und Giuseppe Guarneri "del Gesu" allen modernen Instrumenten überlegen sind.

    "Alle sagen, sie hätten eine besondere Klangfarbe."

    Eine Selbstverständlichkeit, die die Geigenforscherin Dr. Claudia Fritz von der Universität Paris einem Test unterzog. Dank der Vermittlung des Geigenbauers Joseph Curtin konnte sie drei Besitzer historischer Violinen dazu überreden, ihre Instrumente für ein Experiment zur Verfügung zu stellen. Am Rande des renommierten Geigenwettstreits in Indianapolis ließ sie 21 Top Violinisten drei historische und drei herausragende moderne Instrumente vergleichen. Der Clou: Weder Forscher noch Musiker wussten jeweils, welches Instrument sie gerade in Händen hielten. Für diesen doppelt blinden Versuchsansatz griff Claudia Fritz auf ein bewährtes Mittel aus "Wetten, dass..?" zurück.

    "Wir verwendeten Schweißbrillen mit ganz dunklen Gläsern und das Hotelzimmer war abgedunkelt. Die Violinisten konnten die Umrisse der Instrumente erkennen, aber keine Details der Farbe oder Form."

    Claudia Fritz ging sogar so weit, mit einem duftenden Tuch den Geruch der alten Instrumente zu überdecken. Die Musiker bewerteten die Violinen also allein anhand des Spielgefühls und vor allem ihres Klangs.

    "Wir hörten Kommentare wie; diese Violine klingt mir zu neu, wenn sie auf einer Stradivari spielten, oder über ein modernes Instrument: Ich liebe diese Violine, sie hat so einen schönen historischen Klang."

    Die objektiven Daten zeigen: selbst hochklassige Violinisten können historische und moderne Instrumente nicht verlässlich unterscheiden. Am schlechtesten wurde ausgerechnet eine Stradivari bewertet, an beleibtesten war dagegen ein modernes Instrument.

    "Alles in allem galten die neuen Violinen als leichter spielbar, in der Klangfarbe gab es dagegen keine verlässlichen Unterschiede. Die Leute sprechen immer vom besonderen Klang der alten Italienischen Violinen, aber das konnten wir nicht bestätigen."

    Claudia Fritz hat sich alle 21 Violinisten angehört, dabei fiel ihr vor allem auf, wie unterschiedlich sich ein und dasselbe Instrument in den Händen verschiedener Musiker anhört. Für den Klang ist ihrer Meinung nach weniger das Alter der Violine entscheidend, als ob dieses spezielle Instrument zu diesem besonderen Geiger passt. Für den herausragenden Ruf der Stradivaris und Guarneri "del Gesus" ist dagegen nicht ihr besondere Ton verantwortlich.

    "Historische Instrumente sind wunderschön, sie haben Jahrhunderte überdauert, Weltkriege, sie wurden von berühmten Virtuosen gespielt. Das ist unglaublich, sie sind Kunstwerke. Wenn Musiker sie in den Händen halten, bewundern sie sie und das Spielen macht ihnen mehr Freude."

    Das Wissen um die Herkunft, vielleicht auch um den materiellen Wert der historischen Violinen prägt den empfundenen Klang mehr, als irgendeine besondere Qualität der Instrumente selbst. Die Studie von Claudia Fritz zeigt: Auch moderne Geigenbauer schaffen herausragende Instrumente. Das mindert aber nicht den Genuss, David Garrett auf seiner Stradivari aus dem Jahr 1716 spielen zu hören.