Donnerstag, 28. März 2024

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Strahlentherapie gegen Tumore
Punktgenaue Behandlung

Durch die Strahlentherapie soll Tumorgewebe von Krebspatienten zerstört werden. Gleichzeitig gilt es dabei, gesundes Gewebe vor dem Eingriff zu schützen. Wie das Bestrahlen künftig noch effektiver und schonender für die Patienten gestaltet werden kann, diskutierten Mediziner bei der 22. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie.

Von Lennart Pyritz | 21.06.2016
    Behandlungraum für Ionentherapie
    Ein Behandlungsraum für klinische Ionentherapie, die zum Beispiel Krebspatienten hilft. (deutschlandradio / Frank Grotelüschen)
    Bestrahlung zählt zu den Standardmethoden der Krebstherapie. Dabei schädigen klassischerweise Photonen - energiereiche Röntgenstrahlen - die Erbsubstanz der Tumorzellen und töten sie ab. Das Problem dabei: Auf ihrem Weg durch den Körper treffen die Strahlen auch gesundes Gewebe. Neue Verfahren sollen dieses Risiko schmälern. Eine technisch anspruchsvolle Innovation, die bereits an vielen Kliniken in Deutschland praktiziert wird, ist die stereotaktische Strahlentherapie.
    "Die stereotaktische Strahlentherapie ist eine Methode, bei der wir hochpräzise die Bestrahlungsdosis im Patienten steuern können."
    Stephanie Combs ist Direktorin der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Klinikum rechts der Isar in München. Die Therapiemethode basiert auf bildgebenden Verfahren wie Magnetresonanztomografie. Dadurch können die Ärzte vor der Bestrahlung punktgenau vermessen, wo ein Tumor liegt.
    "Das heißt, wir bringen den Patienten in ein virtuelles Koordinatensystem, sodass wir jedem Punkt im Körper eine X-, Y-, Z-Koordinate zuordnen können. Diese Koordinate nutzen wir dann für die Bestrahlungsplanung, so dass wir dann, wenn der Patient zur Bestrahlung kommt, millimetergenau diesen Punkt wiederfinden, den wir auch mit der Strahlentherapie treffen möchten."
    Ionenstrahlentherapie schädigt Krebszellen effektiver
    Je nach Lage des Tumors und der Anatomie wird dann für jeden Patienten individuell aus fünf, sieben oder mehr Richtungen ein festgelegtes Volumen im Körper bestrahlt. Anfangs wurde das Verfahren bei Metastasen und Tumoren im Gehirn angewendet.
    "Man weiß heute, dass man zum Beispiel Lungentumore, Lebermetastasen, Lebertumore, Knochenmetastasen und aber auch andere Indikationen außerhalb des Kopfes mit dieser stereotaktischen Strahlentherapie hoch effektiv behandeln kann."
    Durch die präzise Ortung der Tumore können Ärzte mit hoher Einzeldosierung bestrahlen. Das birgt potenziell das Risiko höherer Nebenwirkungen als schwächere Strahlungsdosen. Durch die lokal konzentrierte Anwendung wird andererseits das gesunde umliegende Gewebe geschont und Nebenwirkungen vermieden. Eine Reihe von Studien stützt den mittel- und langfristigen Heilungserfolg durch stereotaktische Strahlentherapie.
    Ein andere Form der Bestrahlung findet noch nicht flächendeckend Anwendung: die Ionenstrahlentherapie. Dabei werden die Krebszellen nicht mit Photonen, sondern geladenen Teilchen – Protonen oder schweren Ionen, etwa Kohlenstoffionen - bestrahlt. Das Besondere dabei ist, "dass diese Strahlen im Körper des Patienten stoppen. Das heißt, wir können sie im Gegensatz zu den Photonen, die durch den Patienten durchgehen, an einer von uns vorher bestimmten Stelle stoppen lassen, sodass wir dort eine besonders hohe Dosis oder besonders viel Energie verabreichen können und die Umgebung gut schonen können."
    Jürgen Debus ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Radioonkologie, kurz DEGRO, und Chefarzt der Klinik für Radioonkologie und Strahlentherapie am Universitätsklinikum Heidelberg. Besonders die schweren Ionen schädigen Krebszellen dabei effektiver.
    "Das heißt, wir brauchen nur noch ein Drittel der physikalischen Dosis, um die gleiche biologische Wirksamkeit zu erreichen. Wir können also mit einer höheren Wahrscheinlichkeit speziell Tumorzellen abtöten."
    Ionenstrahlentherapie noch nicht flächendeckend durchgesetzt
    So macht es die Ionenstrahlentherapie möglich, Tumore weit höher dosiert zu bestrahlen als mit dem konventionellen Verfahren. Am Heidelberger Universitätsklinikum wird die Therapie auch bei Kindern eingesetzt, um deren empfindlichen Organismus zu schonen und nur gezielt Tumore anzugreifen. Das Verfahren erfordert allerdings eine komplexe und teure Infrastruktur.
    "Der Strahl ist auch technisch empfindlicher. Das heißt, wir müssen wesentlich mehr Aufgaben der Qualitätssicherung durchführen, um die Sicherheit des Strahls im Patienten zu gewährleisten. Das ist heute alles technisch beherrschbar, erfordert allerdings sehr viel Erfahrung."
    Die Protonentherapie kann in Deutschland an fünf Standorten durchgeführt werden. Die Bestrahlung mit Kohlenstoff-Ionen derzeit nur in Heidelberg und Marburg.
    "Gegenwärtig laufen zahlreiche Studien in ganz unterschiedlichen Erkrankungen. Aufgrund der Datenlage können wir jetzt schon sagen, dass bestimmte Schädelbasistumore ein deutlich besseres Ergebnis zeigen im Vergleich zur Photonentherapie, und auch Speicheldrüsentumore. Die Studien zu den großen Erkrankungen wie zum Beispiel Prostatakrebs, Lungenkrebs laufen gerade."
    Ob sich die Ionenstrahlentherapie also auch flächendeckend durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.