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Straßenzeitungen
Von der Straße für die Straße

Das Verkaufen von Straßenzeitungen bietet Menschen in Notlagen die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Vielerorts gehören die Verkäufer mittlerweile zum Stadtbild. Je nach Stadt ist der Erfolg der Magazine aber höchst unterschiedlich.

Von Tim Baumann | 05.11.2018
    Der ehemalige Obdachlose Klaus hält vor einem Kaufhaus in Hamburg einen Stapel des Straßenmagazins "Hinz & Kunzt" in der Hand.
    Straßenmagazine gehören seit den 90er-Jahren vielerorts zum Stadtbild (dpa / Maja Hitij)
    Seit den 90er-Jahren sind Verkäufer von Straßenmagazinen wie "Hinz & Kunzt" in Hamburg, "BISS" in München und "Bodo" in Bochum und Dortmund ein alltäglicher Anblick. Viele von ihnen haben ihre festen Verkaufsplätze in den Innenstädten und dementsprechend auch einen Kern von Stammkunden.
    Prinzipiell gehen mindestens 50 Prozent des Erlöses der Straßenmagazine an die Verkäufer – die sind häufig wohnungslos oder in vergleichbaren Notlagen. Und für viele von ihnen ist der Straßenverkauf eine Chance, nach schwierigen Phasen mit Krankheiten und Suchtproblemen wieder Fuß im Leben zu fassen. Die Magazine sind aber nicht nur eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme.
    Sie bieten mit ihren vielfältigen Beiträgen auch einen Blick auf die Lebenswirklichkeit einer Bevölkerungsgruppe, die in großen Medienhäusern wie auch in Lokalzeitungen zumeist wenig Beachtung findet. Es geht um soziale Gerechtigkeit und Wohnungsnot, Wohnungslose werden porträtiert und interviewt, es gibt Veranstaltungstipps für kostenlose Kulturveranstaltungen und günstige Kochrezepte.
    International vernetzt
    Vorbild für die Gründungswelle von Straßenzeitungen in den 90er-Jahren war die britische Zeitung "The Big Issue" – der Kölner "Draussenseiter" ist das älteste der deutschen Blätter. Mitte der 90er-Jahre gab es in Deutschland bereits in jeder größeren Stadt eine Straßenzeitung. Im Jahr 2010 verkauften die 30 deutschen Straßenmagazine insgesamt etwa drei Millionen Exemplare. Die meisten sind im "International Network of Street Papers" vernetzt – das vertritt rund 100 Straßenzeitungen aus 34 Ländern weltweit.
    Das stärkste Argument ist der Verkäufer
    Dass, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung diesen März schrieb, den Straßenmagazinen die Leser ausgehen, kann man bei "BISS" in München nicht bestätigen. Zwar seien einige Blätter, darunter der Berliner "Straßenfeger", bedauerlicherweise eingestellt worden, die Auflage von "BISS" habe sich aber sogar gesteigert, erklärt Geschäftsführerin Karin Lohr. Zwar gebe es Trends wie das bargeldlose Bezahlen, das vor allem in Großbritannien den Straßenzeitungen Probleme bereite - in Deutschland sähen die Menschen Karten- und Chipmodelle aber glücklicherweise kritisch.
    Auch die Änderung des Leseverhaltens durch das Internet, die die gesamte deutsche Presselandschaft seit Jahren schwer erschüttert, sei für die Münchner "BISS" kein großes Problem - wo sich normale Zeitungen mit Paywalls und Web-Exclusive-Angeboten vor Umsatzeinbußen retten müssten, hätten Straßenzeitungen das beste Verkaufsargument: die Verkäufer.