Simon: Es ist ein Arbeitsgruppen-Marathon in diesen Wochen in Berlin: Arbeitsgruppe Gesundheit, Arbeitsgruppe Wirtschaft, Arbeitsgruppe Innenpolitik. Es wird unter Hoch- und Zeitdruck gearbeitet. Einige neue Vorhaben sind schon bekannt. Aber alle noch so guten Vorschläge aus den Arbeitsgruppen bekommen es schließlich mit der Arbeitsgruppe der Arbeitsgruppen zu tun: derjenigen, die sich um den Haushalt und die Finanzen kümmert. Sie sucht nach Lösungen, um das 35 bis 43 Milliarden große Haushaltsloch bis 2007 zu stopfen.
Gestern war wieder eine Sitzung dieser Arbeitsgruppe und ich bin jetzt mit Gerhard Stratthaus verbunden, dem baden-württembergischen Finanzminister. Er ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe. Guten Morgen!
Stratthaus: Guten Morgen!
Simon: Herr Stratthaus, haben Sie sich schon einigen können auf Vorschläge bei Einsparungen und Kürzungen?
Stratthaus: Ja nun, Sie haben ja bei der Anmoderation das Richtige gesagt. Entscheiden werden letzten Endes die Parteivorsitzenden, die ganz große Runde, denn alle anderen Ressorts – und dafür habe ich Verständnis – in der Gesundheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik und so weiter die haben natürlich ganz bestimmte Vorhaben. Unsere Aufgabe ist, die Sache finanzierbar zu machen. Wir machen da natürlich Vorschläge. Wir denken darüber nach, wie der Haushalt in Ordnung gebracht werden kann, aber das kann erst ganz am Ende zusammengeknüpft werden.
Simon: Gibt es schon konkrete Anhaltspunkte, wo Sie sagen, da könnten wir wirklich ansetzen, ganz egal was für Vorschläge kommen aus welchen anderen Arbeitsgruppen?
Stratthaus: Zunächst sind einmal die Zahlen genannt worden, die Sie ja vorhin gesagt haben, wobei ich sagen darf, 35 Milliarden müssen wir sowieso schon sparen und alles, was dazu kommt, vergrößert die Zahl. Wenn Sie 43 gesagt haben, dann bedeutet das, dass man im Augenblick glaubt, dass acht Milliarden dazu kämen.
Wo muss nun gespart werden? Ganz bestimmt im Bereich der Sozialpolitik und da besonders beim Arbeitsmarkt. Da sind sich eigentlich alle einig. Das hat auch Herr Clement immer wieder gesagt. Das ist ein Gebiet. Wir werden wohl auch beim Personal irgendwo sparen müssen. Im Grunde genommen in allen Gebieten. Wir werden versuchen müssen, Subventionen abzubauen. Wir werden versuchen müssen, Steuersubventionen abzubauen. Es ist eine sehr schwere Sache.
Simon: Die Standpunkte zwischen Union und SPD sind ja bei allem Bemühen oft sehr unterschiedlich. Wo ist die Schnittmenge zum Beispiel bei den Subventionen? Gehen Sie zum Beispiel an die Steinkohle heran?
Stratthaus: Auch über die Steinkohle sprechen wir, aber da kann ich ja mal indiskret werden. Da hat eben gerade uns Herr Steinbrück erläutert, wenn man dort zu schnell vorginge, dann würde das bedeuten, dass die sozialen Kosten, die aus dem Abbau der Subventionen kämen, also die Arbeitslosigkeit, die dann entstünde, und so weiter, noch größer wären. Es wird sicher auch über die Steinkohle diskutiert, aber wir müssen natürlich den Gesamtzusammenhang sehen. Wenn wir zum Schluss riesigen Mengen von Arbeitslosen haben, die dann auch wieder vom Staat unterstützt werden können, dann ist es natürlich eine Frage, ob es nicht vernünftiger ist, langsamer abzubauen.
Simon: Noch mal zur Frage mit der Schnittmenge. Gibt es Punkte, wo Sie sagen, da werden wir wahrscheinlich gar nicht zusammenkommen?
Stratthaus: Ja. Bei den Leuten, die für die Finanzen zuständig sind, wohl seltener, aber das gibt es natürlich bei den Bereichen, die stärker wie soll ich sagen ideologie- oder wertebelastet sind. Ich könnte mir vorstellen: Wir haben es ja zum Beispiel erlebt bei der Abschaffung der Steuerfreiheit der Nacht- und Sonntagszuschläge. Da ist inzwischen klar, dass sich da nichts tut. So wird es bestimmt auch weitere Gebiete geben.
Simon: Stichwort Mehrwertsteuererhöhung. Werden Sie darum herum kommen, oder wird es sie geben?
Stratthaus: Einen Beschluss, dass es sie gibt oder nicht gibt, gibt es bisher nicht. Ich meine aber, wir sollten ja auch alle unsere Zuhörer und alle, die mithören, ernst nehmen. Wenn ich bedenke, dass wir 40 Milliarden einzusparen haben oder dass wir 40 Milliarden zu konsolidieren haben, dann kann man daraus folgern, auch wenn es noch keinen Beschluss gibt, ohne eine Einnahmeverbesserung ist dies nicht möglich. Man kann keine 45 Milliarden aus dem Haushalt herausstreichen. Deswegen gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird.
Simon: Anfangs gab es ja noch das Vorhaben mit diesen Milliarden, die man aus einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung herausholt, die Lohnnebenkosten zu senken. Ist das noch aktuell?
Stratthaus: Das ist immer noch aktuell, aber das macht die ganze Sache natürlich noch schwieriger, weil dann eben weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stünden, um die Gesamthaushalte in Ordnung zu bringen. Auch das wird noch diskutiert.
Simon: Das heißt möglicherweise müsste das auch geopfert werden?
Stratthaus: Ich will da nicht vorgreifen, aber es gibt auf keiner Seite Entscheidungen, dass man sagt, dies darf auf keinen Fall geopfert werden oder dies muss auf jeden Fall kommen. Wir sind noch ziemlich offen, aber am Ende werden wir ein Ergebnis haben.
Simon: Gerade bei diesem Punkt der Mehrwertsteuererhöhung gibt es ja viel Kritik auch von Seiten der Wirtschaft, die sagt, das wird den deutschen Markt besonders treffen und die Konjunktur lähmen. Versuchen Sie, sich da ein wenig die Scheuklappen anzuziehen, denn solche Kritik gibt es ja bei fast allem, wo Sie einsparen?
Stratthaus: So ist es! Ich meine die Wirtschaft verlangt auf der anderen Seite auch, dass wir die Unternehmenssteuern senken. Sie verlangt, dass wir noch mehr zusammenstreichen. Es hat natürlich jede Interessensgruppe gute Argumente. Ich will überhaupt nicht bezweifeln, dass diese Argumente isoliert richtig sind. Wir haben aber die Aufgabe, die Sache insgesamt zu sehen und natürlich, eine Steuersenkung wäre besser als eine Steuererhöhung, aber wir sind halt an diese Stelle unserer Haushalte gekommen, weil wir in den letzten – ich sage jetzt mal ganz bewusst – 30 Jahren immer zu viel Geld ausgegeben haben.
Simon: Herr Stratthaus, Sie sind Finanzminister, Haushälter. Sie müssen darauf schauen, 35 Milliarden schon mal irgendwie zu stopfen. Nun gibt es Stimmen wie die von Roland Koch, dem Ministerpräsidenten von Hessen, der gesagt hat, das reicht nicht, die 35 Milliarden, wir brauchen auch ein paar Milliarden noch mehr, die eingespart werden müssen, damit wir ein bisschen gestalten können in dieser Regierung. Ist das überhaupt möglich, noch mal sieben, acht Milliarden zusätzlich rauszuholen?
Stratthaus: Ja, das Wort "rausholen" müsste man nun definieren. Wir müssen ja rausholen, indem wir einmal einsparen, und wir haben eben auch schon über Einnahmeverbesserungen gesprochen. Wenn es sein muss, muss man auch an diese Aufgabe heran gehen und natürlich können wir nicht sagen, es darf in Deutschland überhaupt nichts Neues mehr kommen. Wir haben nicht nur die Vergangenheit zu bewältigen. Es wird einiges dazu kommen. Dadurch wird unsere Aufgabe größer, aber Sie haben ja schon zu Beginn unserer kleinen Diskussion gesagt, dass wir von 43 Milliarden reden. Darin sind bereits schon acht Milliarden neue Aufgaben enthalten.
Simon: Und diese Aufgaben, die ja gewaltig sind, also eine Lösung zu finden, woher man das Geld nimmt oder einspart, wie schnell wird das gehen? Werden Sie das bis Mitte November schaffen wie erwünscht?
Stratthaus: Ja nun, wir müssen es bis Mitte November schaffen. Erfahrungsgemäß ist die Sache die, dass natürlich die Finanzleute Vorschläge machen. Die anderen sind da in der Regel dagegen, was ich irgendwo verstehe, denn wer für die Sozialpolitik zuständig ist, hat gute Gründe, warum er diese Zahlungen leistet. Man wird deswegen dies alles zusammentragen und ich bin überzeugt, am 11. oder 12. November wird man eine Lösung finden. Das ist bei solchen Dingen immer so, auch im Vermittlungsausschuss. Es wird sehr viel vorbereitet. Es werden Lösungsalternativen aufgezeigt und am Ende muss dann halt entschieden werden und es wird entschieden werden.
Simon: Illustrieren wir das Ganze mal mit einem Beispiel. Gestern wurde bekannt das Stichwort Erziehungsgeld. Das heutige Erziehungsgeld soll ab 2008 durch ein einkommensabhängiges Elterngeld ersetzt werden. Das ist der Vorschlag der Arbeitsgruppe Familienpolitik. Das alles würde aber über eine Milliarde Euro mehr kosten als bisher. Mal ganz ehrlich, Herr Stratthaus: Welche Chancen auf Umsetzung haben denn solche Vereinbarungen, wenn Sie zur gleichen Zeit mit der Einsparung von zig Milliarden beschäftigt sind?
Stratthaus: Ja, ich bin auch skeptisch. Ich muss es Ihnen noch mal sagen: Die einzelnen Arbeitsgruppen werden sehr viele Vorschläge noch unterbreiten. Wir haben allerdings gleich am Anfang festgelegt, dass alle diese Vorschläge unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Wenn eine Arbeitsgruppe etwas entschieden hat, dann ist das noch lange nicht vom gesamten Bundestag entschieden. Wir werden abwarten müssen, aber je mehr natürlich dazu kommt, umso unwahrscheinlicher wird es sein, dass dieses dazu kommende tatsächlich realisiert werden kann.
Simon: Wir haben in den vergangenen Jahren, egal auch unter welcher Regierung und ob im Bundesrat oder im Bund insgesamt, gesehen, dass viele Vorschläge der Haushälter nichts wurden, weil man doch geschaut hat auch auf die Meinung in der Bevölkerung. Wie schätzen Sie derzeit die Stimmung ein? Ist das anders?
Stratthaus: Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich ist es ja unsere Aufgabe, auf die Meinung der Bevölkerung zu achten. Wir sind eine Demokratie und im Grunde genommen ist das Volk unser höchster Souverän. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich Lösungen finden. Wir dürfen nicht nur an den nächsten Tag oder an die nächste Wahl denken, sondern auch an die nächste Generation. Jetzt sind wir in einer Situation kurz nach der Wahl, dass zumindest keine Bundestagswahl unmittelbar ansteht, Landtagswahlen sehr wohl. Ich glaube es ist jetzt wirklich unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das Richtige zu tun und nicht nur nach Umfragen oder Wahlergebnissen zu schauen.
Simon: Das war Gerhard Stratthaus, der baden-württembergische Finanzminister. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzen. Vielen Dank Herr Stratthaus für das Gespräch!
Stratthaus: Vielen Dank. Auf Wiederhören!
Simon: Auf Wiederhören!
Gestern war wieder eine Sitzung dieser Arbeitsgruppe und ich bin jetzt mit Gerhard Stratthaus verbunden, dem baden-württembergischen Finanzminister. Er ist Mitglied dieser Arbeitsgruppe. Guten Morgen!
Stratthaus: Guten Morgen!
Simon: Herr Stratthaus, haben Sie sich schon einigen können auf Vorschläge bei Einsparungen und Kürzungen?
Stratthaus: Ja nun, Sie haben ja bei der Anmoderation das Richtige gesagt. Entscheiden werden letzten Endes die Parteivorsitzenden, die ganz große Runde, denn alle anderen Ressorts – und dafür habe ich Verständnis – in der Gesundheitspolitik, in der Wirtschaftspolitik und so weiter die haben natürlich ganz bestimmte Vorhaben. Unsere Aufgabe ist, die Sache finanzierbar zu machen. Wir machen da natürlich Vorschläge. Wir denken darüber nach, wie der Haushalt in Ordnung gebracht werden kann, aber das kann erst ganz am Ende zusammengeknüpft werden.
Simon: Gibt es schon konkrete Anhaltspunkte, wo Sie sagen, da könnten wir wirklich ansetzen, ganz egal was für Vorschläge kommen aus welchen anderen Arbeitsgruppen?
Stratthaus: Zunächst sind einmal die Zahlen genannt worden, die Sie ja vorhin gesagt haben, wobei ich sagen darf, 35 Milliarden müssen wir sowieso schon sparen und alles, was dazu kommt, vergrößert die Zahl. Wenn Sie 43 gesagt haben, dann bedeutet das, dass man im Augenblick glaubt, dass acht Milliarden dazu kämen.
Wo muss nun gespart werden? Ganz bestimmt im Bereich der Sozialpolitik und da besonders beim Arbeitsmarkt. Da sind sich eigentlich alle einig. Das hat auch Herr Clement immer wieder gesagt. Das ist ein Gebiet. Wir werden wohl auch beim Personal irgendwo sparen müssen. Im Grunde genommen in allen Gebieten. Wir werden versuchen müssen, Subventionen abzubauen. Wir werden versuchen müssen, Steuersubventionen abzubauen. Es ist eine sehr schwere Sache.
Simon: Die Standpunkte zwischen Union und SPD sind ja bei allem Bemühen oft sehr unterschiedlich. Wo ist die Schnittmenge zum Beispiel bei den Subventionen? Gehen Sie zum Beispiel an die Steinkohle heran?
Stratthaus: Auch über die Steinkohle sprechen wir, aber da kann ich ja mal indiskret werden. Da hat eben gerade uns Herr Steinbrück erläutert, wenn man dort zu schnell vorginge, dann würde das bedeuten, dass die sozialen Kosten, die aus dem Abbau der Subventionen kämen, also die Arbeitslosigkeit, die dann entstünde, und so weiter, noch größer wären. Es wird sicher auch über die Steinkohle diskutiert, aber wir müssen natürlich den Gesamtzusammenhang sehen. Wenn wir zum Schluss riesigen Mengen von Arbeitslosen haben, die dann auch wieder vom Staat unterstützt werden können, dann ist es natürlich eine Frage, ob es nicht vernünftiger ist, langsamer abzubauen.
Simon: Noch mal zur Frage mit der Schnittmenge. Gibt es Punkte, wo Sie sagen, da werden wir wahrscheinlich gar nicht zusammenkommen?
Stratthaus: Ja. Bei den Leuten, die für die Finanzen zuständig sind, wohl seltener, aber das gibt es natürlich bei den Bereichen, die stärker wie soll ich sagen ideologie- oder wertebelastet sind. Ich könnte mir vorstellen: Wir haben es ja zum Beispiel erlebt bei der Abschaffung der Steuerfreiheit der Nacht- und Sonntagszuschläge. Da ist inzwischen klar, dass sich da nichts tut. So wird es bestimmt auch weitere Gebiete geben.
Simon: Stichwort Mehrwertsteuererhöhung. Werden Sie darum herum kommen, oder wird es sie geben?
Stratthaus: Einen Beschluss, dass es sie gibt oder nicht gibt, gibt es bisher nicht. Ich meine aber, wir sollten ja auch alle unsere Zuhörer und alle, die mithören, ernst nehmen. Wenn ich bedenke, dass wir 40 Milliarden einzusparen haben oder dass wir 40 Milliarden zu konsolidieren haben, dann kann man daraus folgern, auch wenn es noch keinen Beschluss gibt, ohne eine Einnahmeverbesserung ist dies nicht möglich. Man kann keine 45 Milliarden aus dem Haushalt herausstreichen. Deswegen gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Mehrwertsteuer erhöht wird.
Simon: Anfangs gab es ja noch das Vorhaben mit diesen Milliarden, die man aus einer möglichen Mehrwertsteuererhöhung herausholt, die Lohnnebenkosten zu senken. Ist das noch aktuell?
Stratthaus: Das ist immer noch aktuell, aber das macht die ganze Sache natürlich noch schwieriger, weil dann eben weniger Steuereinnahmen zur Verfügung stünden, um die Gesamthaushalte in Ordnung zu bringen. Auch das wird noch diskutiert.
Simon: Das heißt möglicherweise müsste das auch geopfert werden?
Stratthaus: Ich will da nicht vorgreifen, aber es gibt auf keiner Seite Entscheidungen, dass man sagt, dies darf auf keinen Fall geopfert werden oder dies muss auf jeden Fall kommen. Wir sind noch ziemlich offen, aber am Ende werden wir ein Ergebnis haben.
Simon: Gerade bei diesem Punkt der Mehrwertsteuererhöhung gibt es ja viel Kritik auch von Seiten der Wirtschaft, die sagt, das wird den deutschen Markt besonders treffen und die Konjunktur lähmen. Versuchen Sie, sich da ein wenig die Scheuklappen anzuziehen, denn solche Kritik gibt es ja bei fast allem, wo Sie einsparen?
Stratthaus: So ist es! Ich meine die Wirtschaft verlangt auf der anderen Seite auch, dass wir die Unternehmenssteuern senken. Sie verlangt, dass wir noch mehr zusammenstreichen. Es hat natürlich jede Interessensgruppe gute Argumente. Ich will überhaupt nicht bezweifeln, dass diese Argumente isoliert richtig sind. Wir haben aber die Aufgabe, die Sache insgesamt zu sehen und natürlich, eine Steuersenkung wäre besser als eine Steuererhöhung, aber wir sind halt an diese Stelle unserer Haushalte gekommen, weil wir in den letzten – ich sage jetzt mal ganz bewusst – 30 Jahren immer zu viel Geld ausgegeben haben.
Simon: Herr Stratthaus, Sie sind Finanzminister, Haushälter. Sie müssen darauf schauen, 35 Milliarden schon mal irgendwie zu stopfen. Nun gibt es Stimmen wie die von Roland Koch, dem Ministerpräsidenten von Hessen, der gesagt hat, das reicht nicht, die 35 Milliarden, wir brauchen auch ein paar Milliarden noch mehr, die eingespart werden müssen, damit wir ein bisschen gestalten können in dieser Regierung. Ist das überhaupt möglich, noch mal sieben, acht Milliarden zusätzlich rauszuholen?
Stratthaus: Ja, das Wort "rausholen" müsste man nun definieren. Wir müssen ja rausholen, indem wir einmal einsparen, und wir haben eben auch schon über Einnahmeverbesserungen gesprochen. Wenn es sein muss, muss man auch an diese Aufgabe heran gehen und natürlich können wir nicht sagen, es darf in Deutschland überhaupt nichts Neues mehr kommen. Wir haben nicht nur die Vergangenheit zu bewältigen. Es wird einiges dazu kommen. Dadurch wird unsere Aufgabe größer, aber Sie haben ja schon zu Beginn unserer kleinen Diskussion gesagt, dass wir von 43 Milliarden reden. Darin sind bereits schon acht Milliarden neue Aufgaben enthalten.
Simon: Und diese Aufgaben, die ja gewaltig sind, also eine Lösung zu finden, woher man das Geld nimmt oder einspart, wie schnell wird das gehen? Werden Sie das bis Mitte November schaffen wie erwünscht?
Stratthaus: Ja nun, wir müssen es bis Mitte November schaffen. Erfahrungsgemäß ist die Sache die, dass natürlich die Finanzleute Vorschläge machen. Die anderen sind da in der Regel dagegen, was ich irgendwo verstehe, denn wer für die Sozialpolitik zuständig ist, hat gute Gründe, warum er diese Zahlungen leistet. Man wird deswegen dies alles zusammentragen und ich bin überzeugt, am 11. oder 12. November wird man eine Lösung finden. Das ist bei solchen Dingen immer so, auch im Vermittlungsausschuss. Es wird sehr viel vorbereitet. Es werden Lösungsalternativen aufgezeigt und am Ende muss dann halt entschieden werden und es wird entschieden werden.
Simon: Illustrieren wir das Ganze mal mit einem Beispiel. Gestern wurde bekannt das Stichwort Erziehungsgeld. Das heutige Erziehungsgeld soll ab 2008 durch ein einkommensabhängiges Elterngeld ersetzt werden. Das ist der Vorschlag der Arbeitsgruppe Familienpolitik. Das alles würde aber über eine Milliarde Euro mehr kosten als bisher. Mal ganz ehrlich, Herr Stratthaus: Welche Chancen auf Umsetzung haben denn solche Vereinbarungen, wenn Sie zur gleichen Zeit mit der Einsparung von zig Milliarden beschäftigt sind?
Stratthaus: Ja, ich bin auch skeptisch. Ich muss es Ihnen noch mal sagen: Die einzelnen Arbeitsgruppen werden sehr viele Vorschläge noch unterbreiten. Wir haben allerdings gleich am Anfang festgelegt, dass alle diese Vorschläge unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Wenn eine Arbeitsgruppe etwas entschieden hat, dann ist das noch lange nicht vom gesamten Bundestag entschieden. Wir werden abwarten müssen, aber je mehr natürlich dazu kommt, umso unwahrscheinlicher wird es sein, dass dieses dazu kommende tatsächlich realisiert werden kann.
Simon: Wir haben in den vergangenen Jahren, egal auch unter welcher Regierung und ob im Bundesrat oder im Bund insgesamt, gesehen, dass viele Vorschläge der Haushälter nichts wurden, weil man doch geschaut hat auch auf die Meinung in der Bevölkerung. Wie schätzen Sie derzeit die Stimmung ein? Ist das anders?
Stratthaus: Das ist eine schwierige Frage. Eigentlich ist es ja unsere Aufgabe, auf die Meinung der Bevölkerung zu achten. Wir sind eine Demokratie und im Grunde genommen ist das Volk unser höchster Souverän. Auf der anderen Seite müssen wir natürlich Lösungen finden. Wir dürfen nicht nur an den nächsten Tag oder an die nächste Wahl denken, sondern auch an die nächste Generation. Jetzt sind wir in einer Situation kurz nach der Wahl, dass zumindest keine Bundestagswahl unmittelbar ansteht, Landtagswahlen sehr wohl. Ich glaube es ist jetzt wirklich unsere verdammte Pflicht und Schuldigkeit, das Richtige zu tun und nicht nur nach Umfragen oder Wahlergebnissen zu schauen.
Simon: Das war Gerhard Stratthaus, der baden-württembergische Finanzminister. Er ist Mitglied der Arbeitsgruppe Finanzen. Vielen Dank Herr Stratthaus für das Gespräch!
Stratthaus: Vielen Dank. Auf Wiederhören!
Simon: Auf Wiederhören!