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Stratthaus: Notfalls muss Banken auch unter Zwang geholfen werden

Auch wenn es derzeit in Deutschland noch keine Probleme mit der Kreditversorgung gebe, sei der neue SoFFin richtig, um für den Notfall vorzusorgen, meint Gerhard Stratthaus. In Europa müsse das Vertrauen an den Finanzmärkten wieder hergestellt werden, so der ehemalige stellvertretende Leiter des Lenkungsausschuss des SoFFin.

Gerhard Stratthaus im Gespräch mit Silvia Engels |
    Engels: Im Lenkungsausschuss des SoFFin saß bis zum Sommer Gerhard Stratthaus (CDU). Er war früher Finanzminister von Baden-Württemberg und er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Stratthaus.

    Gerhard Stratthaus: Guten Morgen, Frau Engels.

    Engels: Ist es eine gute Idee, ist es gar bitter nötig, nun den SoFFin zum kommenden Jahr wiederzubeleben?

    Stratthaus: Also eine gute Idee ist es auf jeden Fall, und es wäre schön, wenn es nicht bitter nötig werden würde, aber es ist richtig, dass man es vorsichtshalber macht.

    Engels: Wie sehen Sie denn die Chancen, dass die Lage so schlimm wird wie 2008?

    Stratthaus: Ja nun, im Jahre 2008 und im folgenden Jahr haben die Staaten die Banken gerettet, und die Staaten haben sich dabei zum Teil übernommen und die Staaten haben sich überhaupt schon seit vielen, vielen Jahren viel zu stark verschuldet. Es kann noch durchaus ganz ernst werden, ja.

    Engels: Stehen wir denn wieder vor dem Problem, dass die Banken untereinander kein Geld mehr leihen und verleihen und so die Kreditversorgung der Unternehmen nicht mehr gewährleistet ist? Das war ja damals der Hintergrund, um den Banken diese Kapitalausstattung zu geben?

    Stratthaus: Also wir stehen in der Tat vor dem Problem: Im Augenblick sind die Banken offensichtlich nicht bereit, Geld, das sie zum Beispiel von der Zentralbank bekommen, der Wirtschaft auszugeben, sondern sie legen es als Sicherheitspolster gewissermaßen zu einem großen Teil wieder bei der Bundesbank oder bei der Europäischen Zentralbank an. Ich glaube, im Augenblick haben wir in Deutschland noch keine Probleme mit der Kreditversorgung, aber auch das kann kommen, insbesondere im nächsten Jahr - es wurde ja bereits angedeutet -, wenn wesentlich mehr Eigenkapital als bisher für ausgeliehene Kredite hinterlegt werden muss.

    Engels: Sie selbst haben dieses Instrument ganz lange begleitet. Wenn Sie Bilanz ziehen: Was lief damals seit 2008 im Banken-Rettungsfonds, wo ja auch zum Beispiel die Commerzbank-Rettung mitgestaltet wurde, gut, was war nicht gut?

    Stratthaus: Ja nun, ich muss sagen, der SoFFin hat eigentlich gute Arbeit geleistet, natürlich mit der Unterstützung der Politik in Berlin. Die damaligen Aufgaben wurden erfüllt. Es hat sich aber gezeigt, dass letzten Endes ganz entscheidend die Frage ist, wie stark sind die Staaten verschuldet, wie stark sind sie nicht verschuldet, und das ist in den letzten Monaten erst so richtig deutlich geworden. Deswegen kann der SoFFin im Grunde genommen nur hilfsweise, gewissermaßen von hinten kommend, mit einspringen. Die echten Probleme müssen in der Tat von der Politik, von Europa, wenn möglich in der ganzen Welt gelöst werden.

    Engels: Es gab ja damals Kritik an dem alten SoFFin – deshalb, dass zum Beispiel er nicht selber entscheiden konnte, wann er tätig wird. Die Banken mussten einen Antrag stellen, das soll nun mit dem neuen SoFFin anders werden. Das heißt, Banken können auch gegen ihren Willen zu einer Kapitalerhöhung gezwungen werden. Ist das eine gute Idee?

    Stratthaus: Ich halte das für eine gute Idee. Ich weiß, es widerspricht der Ordnungspolitik, die wir eigentlich bis vor Jahren verkündet haben, aber ich muss Ihnen ganz offen sagen, obwohl ich ein strikter Anhänger der Marktwirtschaft bin: Diese Ordnungsprinzipien sind in so vielen Fällen schon überschritten worden, man hätte eigentlich überhaupt keine Bank raushauen dürfen, keinen Staat, No-Bail-out-Verbot und alles, was es da gibt. Ich halte es für richtig, und interessant ist für mich, dass Länder wie Großbritannien, aber auch die USA, die nun wirklich kapitalistische Länder sind – ich will es mal so ausdrücken -, da wesentlich weniger Skrupel hatten als die Deutschen. Also ich halte es für richtig. Wenn eine große Bank umfällt, dann würde das bedeuten, dass die Schäden weit, weit über diese Bank hinausgehen, und deswegen ist es eine öffentliche Aufgabe, die im Notfall auch mit Zwang erfüllt werden muss, diesen Banken zu helfen.

    Engels: Welche Bilanz hat denn der SoFFin zurzeit? Derzeit werden ja noch Altfälle abgewickelt, Hilfen, die man schon mal ausgegeben hat. Ist im Moment schon ein großes Minus da, wenn demnächst wieder geholfen wird?

    Stratthaus: Man wird das letzten Endes erst in 20 Jahren sagen können. Sie haben ja vorhin richtigerweise davon gesprochen, dass sogenannte Bad Banks gegründet worden sind. Man hat zum Beispiel wichtige Schuldpapiere ausgelagert, einfach, dass sie im Augenblick nicht die Bank belasten, und man hat dadurch Zeit gewonnen und hofft, dass sie im Laufe der Zeit doch wieder an Wert aufholen. Also ich glaube, endgültig kann man da erst einen Schlussstrich ziehen, wenn wirklich diese Bad Banks in vielen Jahren abgewickelt sind. Allerdings wenn wir den Fall Hypo Real Estate nehmen – ich kann das sagen, weil das schon ix Mal in allen möglichen Medien gemeldet worden ist -, da sind in der Tat schon Verluste aufgetreten, die wohl nicht mehr aufzuholen sind.

    Engels: Wie viel Milliarden rechnen Sie insgesamt, vielleicht für die nächsten fünf, sechs Jahre?

    Stratthaus: Ich muss Ihnen ganz offen sagen, wenn ich da jetzt etwas sagen würde, würde man mich vielleicht als Spekulant beschimpfen. Ich weiß es nicht. Aber es wird einiges ausfallen, davon bin ich fest überzeugt. Eine Zahl zu nennen, wäre wirklich unseriös.

    Engels: Herr Stratthaus, dann schauen wir nach vorne. Sie haben es mehrfach angesprochen: Die Situation 2008 und jetzt unterscheidet sich in einem wesentlichen Punkt. Damals waren die Staaten noch nicht so hoch verschuldet. Kann sich denn die Bundesregierung derzeit überhaupt leisten, wieder einen SoFFin mit neuen Krediten und neuen Garantierahmen auszustatten?

    Stratthaus: Ja nun, sie wird es sich leisten müssen, denn wenn sie es sich nicht leistet, dann wird die Gefahr noch viel größer und dann wird unser Währungssystem noch viel stärker erschüttert werden. Wir sind in einer schwierigen Situation. Aber sehen Sie: Länder zum Beispiel wie Japan, die sind viel stärker verschuldet sogar noch als die Bundesrepublik Deutschland, und auch die Vereinigten Staaten sind stärker verschuldet. Aber beide Länder haben viel mehr Vertrauen, nicht als Deutschland, sondern als Gesamteuropa. Es wird deswegen unsere wichtigste Aufgabe sein, für ganz Europa wieder das Vertrauen herzustellen von den Finanzmärkten in die Länder.

    Engels: Nun sagen aber Experten, gerade die neue Regelung, dass die Eigenkapitalquote der Banken höher sein muss, demnächst neun Prozent betragen muss, wird dafür sorgen, dass einige Geldhäuser wieder in Schieflage geraten. Ist es dennoch gut, das so vehement zu fordern?

    Stratthaus: Ja ich hätte mir schon vorstellen können, dass man da noch einige Zeit gewartet hätte. In der Tat ist es gut, wenn mehr Eigenkapital unterlegt wird, aber im Augenblick wird das natürlich bedeuten, dass eine Bank, obwohl sich eigentlich nichts geändert hat, plötzlich wesentlich mehr Eigenkapital braucht. Aber darüber zu rechten, hat keinen Sinn, das ist eben in Basel III beschlossen worden.

    Engels: Das heißt, ab Beginn 2012, wenn der SoFFin wieder in Kraft tritt, dann muss man damit rechnen, dass er auch sofort helfen muss?

    Stratthaus: Also ich befürchte das beinahe, dass das wieder notwendig sein wird. Es weiß letzten Endes niemand so genau. Ich meine, wir haben doch die letzten drei Jahre Bescheidenheit gelernt. Unsere größten Experten haben auch nicht gewusst, was ein halbes Jahr später tatsächlich stattfinden wird. Ich hoffe, er wird nicht gebraucht, aber die Tatsache, dass es ihn gibt, ist bereits vielleicht ein Mittel, dafür zu sorgen, dass er nicht gebraucht wird. Das ist so ähnlich, wie es früher – ich weiß, das ist ein gewagter Vergleich – im Ost-West-Konflikt war. Die Tatsache, dass jeder wusste, wie stark der andere ist, hat dazu geführt, dass es zu keiner Auseinandersetzung kam. So ähnlich stelle ich mir das auch vor.

    Engels: Gerhard Stratthaus (CDU), er war früher Finanzminister von Baden-Württemberg und saß bis zum Sommer im Lenkungsausschuss des SoFFin. Dieser Banken-Rettungsfonds wird wiederbelebt werden zum kommenden Jahr. Vielen Dank für das Gespräch.

    Stratthaus: Bitte sehr, Frau Engels.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.