Archiv


Stratthaus verteidigt Pendlerpauschale

Die Entscheidung zur Kürzung der Pendlerpauschale war nach Ansicht des baden-württembergischen Finanzministers Gerhard Stratthaus richtig. Das bringe den Kassen von Bund, Ländern und Gemeinden 2,5 Milliarden Euro, sagte Stratthaus. Das Geld sei für die Sanierung der Haushalte fest eingeplant. Außerdem würden die Behörden entlastet, weil 75 Prozent der bisherigen Antragsteller wegfielen, meinte der CDU-Politiker.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Gerade noch Glück gehabt, mag sich derjenige Berufspendler gesagt haben, dessen Arbeitsplatz mindestens 21 Kilometer von zu Hause entfernt liegt. Pech gehabt wiederum hat derjenige, der 20 und weniger fahren muss. Doch die Neuregelungen der Pendlerpauschale ist an ihre Grenzen gekommen. Der Bundesfinanzhof hält die Regelung für verfassungswidrig. Eine schwere Ohrfeige für die Große Koalition, wettert die Opposition. Endgültig entscheiden muss allerdings jetzt das Bundesverfassungsgericht. Es sei denn, die Politik arbeitet gleich freiwillig an einer neuen bzw. an der alten Lösung. Darüber sprechen wollen wir nun mit Gerhard Stratthaus, CDU, Finanzminister in Baden-Württemberg. Guten Morgen!
    Gerhard Stratthaus: Guten Morgen, Herr Müller!

    Müller: Herr Stratthaus, gehören die 21 Kilometer in den Papierkorb?

    Stratthaus: Nein, wir haben damals ganz bewusst diese Entscheidung gefällt, ich war auch dabei, über den Bundesrat. Und ich meine, es war eine Entscheidung, die sich sehen lassen kann. Das Bundesverfassungsgericht wird entscheiden müssen. Der Bundesfinanzhof hat gegen diese Regelung entschieden. Es gibt Länderfinanzgerichte, die haben dafür entschieden. Jetzt sind wir gespannt, wie das Bundesverfassungsgericht entscheidet.

    Müller: Warum, Herr Stratthaus, spricht denn nun der Bauch dagegen?

    Stratthaus: Ja nun, der Bauch spricht dagegen, weil manche Menschen der Meinung sind, dass eben die Fahrt zur Arbeitsstelle bereits zum Arbeiten gehört, dass dies Werbungskosten sind. Es gibt aber eben auch andere Ansichten. Ich habe mir die Sache mal in vielen Ländern der Erde betrachtet, oder vielmehr meine Mitarbeiter haben das gemacht. Die Regelungen sind sehr unterschiedlich in den USA, Frankreich, Österreich usw.

    Müller: Weil Sie da sagen, da gibt es das nicht in dieser Großzügigkeit, wie es in Deutschland immer gelaufen ist?

    Stratthaus: Ganz unterschiedlich. In den USA gilt das Werkstorprinzip. In anderen Ländern wird nur der öffentliche Nahverkehr gefördert. In dritten Ländern ist man großzügiger als bei uns. Es kommt also alles vor in vergleichbaren Industrieländern.

    Müller: Aber insgesamt ist die Steuer- und Einkommenssteuerbelastung ja auch unterschiedlich in diesen Ländern?

    Stratthaus: Die ist sicher auch unterschiedlich, das ist keine Frage. Wobei ich sagen muss, entgegen der Behauptung, dass sie in Deutschland außergewöhnlich hoch sei, muss ich sagen, sie liegt im Durchschnitt.

    Müller: Herr Stratthaus, reden wir noch mal ganz konkret über diese 21 Kilometer. Es hat ja auch gestern in dem Urteil des Bundesfinanzhofes das Argument der Ungleichheit gegeben. Das müssen Sie uns noch mal erklären. Warum bekommt derjenige, der 20 Kilometer fahren muss, nichts und der 21 Kilometer fahren muss, etwas.

    Stratthaus: Herr Müller, eine Präzisierung: Derjenige, der 21 Kilometer fährt, bekommt nur für den letzten Kilometer. Die ersten 20 Kilometer werden bei keinem berücksichtigt.

    Müller: Deswegen sagte ich "etwas", er bekommt etwas.

    Stratthaus: Na ja, gut, okay. Nur, ich glaube, die Hörer wollen ja auch informiert werden, nicht nur meine Meinung hören. Das war das eine. Zweitens waren wir eben der Ansicht, dass das erstens einmal ein Unterschied ist, ob man sehr weit fahren muss, besonders belastet ist, zeitlich, geldlich. Das ist die eine Sache. Die zweite Sache, die man auch sehen muss: Der Arbeitnehmer muss normalerweise zum Finanzamt nur wegen dieser Entfernungspauschale, der normale Arbeitnehmer. Es gibt auch andere Gründe. Und es ist ganz interessant, wenn wir 20 Kilometer als Grenze annehmen, dann sind es ungefähr 75 Prozent, die diese Entfernungspauschale nicht mehr kriegen. Es ist also auch eine verwaltungsmäßige Vereinfachung.

    Müller: Administrativ Vereinfachung, sagen Sie. Aber ist das sozial gerecht?

    Stratthaus: Ich glaube schon. Denn diejenigen, die ganz besonders weit fahren müssen, werden ja entlastet. Und im Übrigen ist es so, dass die, die sehr wenig verdienen, auch weniger entlastet werden, während die, die viel verdienen, stärker entlastet werden. Das Sozialargument ist, glaube ich, mit Fragezeichen zu versehen.

    Müller: Was spricht denn, Herr Stratthaus, dagegen, dass man bei einem Kilometer anfängt und diese Tarife ganz niedrig ansetzt, sodass jeder prozentual dann doch beteiligt wird?

    Stratthaus: Die beiden Argumente, die ich vorhin genannt habe, erstens einmal das Administrative. Zum Zweiten wollten wir eben die, die besonders weit fahren müssen, die das Pech haben, weit weg zu wohnen von ihrer Arbeitsstelle, stärker entlasten. Aber zugegebenermaßen, wenn das Verfassungsgericht entscheiden sollte, dass diese Regelung falsch war, dann muss man über das, was Sie eben genannt haben, nachdenken. Denn die ganze Sache hat natürlich auch noch eine fiskalische Seite. Es ist sehr viel Geld, was dadurch mehr an Steuern eingeht oder umgekehrt weniger eingeht. Es sind 2,5 Milliarden, die diese Neuregelung den staatlichen Kassen, Bund, Ländern und Gemeinden gebracht hat.

    Müller: Herr Stratthaus, zweieinhalb Milliarden - eine Milliarde für den Bund, eine Milliarde für die Länder, 500 Millionen für die Kommunen, so haben wir das jedenfalls nachgelesen -, ist das das wahre Argument, es nicht zu ändern?

    Stratthaus: Es ist nicht das wahre Argument. Sie haben ja eben eine Möglichkeit gezeigt, wie man die gleiche Summe erzielen könnte, indem man eben für alle miteinander eine niedrigeren Satz einsetzt. Wir glauben auf der einen Seite, dass wir unsere Haushalte sanieren müssen, das ist überhaupt keine Frage, dass es auf der anderen Seite richtig ist, wenn man diejenigen, die weit fahren müssen, besonders entlastet.

    Müller: Die weit fahren müssen, um jetzt zu einem anderen größeren Thema noch zu kommen, die belasten auch die Umwelt. Diejenigen, die beispielsweise jetzt 15 Kilometer, zehn oder auch 20 Kilometer mit dem Fahrrad fahren zur Arbeit, aufgrund dessen ökologiefreundlich in ihren Job morgens radeln, die bekommen gar nichts.

    Stratthaus: Ja Gott, es geht hier letzten Endes um den Ersatz von Kosten. Es geht nicht um Gutmenschentum, um das mal eindeutig zu sagen. Es sollen die Kosten ersetzt werden, die der Arbeitnehmer hat, der mit dem Auto fährt. Ich glaube nicht, dass es allzu viele gibt, die mit den Fahrrädern fahren. Aber zum Beispiel, wer mit dem öffentlichen Nahverkehr fährt, der wird ja auch entlastet.

    Müller: Aber wir reden ja über Anreize, sich umweltfreundlich zu verhalten. Könnte das nicht ein Anreiz sein?

    Stratthaus: Das ist eine ganz interessante Überlegung, über die man nachdenken kann. Ich habe da gar nichts dagegen. Dennoch: Ich bin skeptisch, was da immer für Anreize kommen. Ob das wirklich wirkt, weiß ich nicht. Aber das ist das Interessante an unserem Gespräch. Ich nehme das gerne mal auf und diskutiere es mit meinen Leuten.

    Müller: Herr Stratthaus, wir reden ja nicht über Verschwörungstheorien usw. Wir sind ja auch im Deutschlandfunk. Wir machen das alles seriös. Dennoch die Frage: Stecken Bund und Länder in dieser Auseinandersetzung hier komplett, um das so auszudrücken, unter einer Decke?

    Stratthaus: Ja nun, Bund und Länder unter einer Decke stecken, es ist ein etwas harter Ausdruck. Aber sie haben gemeinsam über Bundestag und Bundesrat diese Sache so beschlossen. Und um es ganz eindeutig zu sagen: Es haben auch natürlich auch fiskalische Gründe eine Rolle gespielt, das heißt die Steuereinnahmen. Auf der anderen Seite glaube ich nach wie vor, dass es richtig ist, diejenigen, die einen weiteren Weg haben, stärker zu entlasten, während die anderen es selbst tragen können, die einen kurzen Weg haben.

    Müller: Dann spekulieren wir zum Schluss noch etwas, ein wenig. Glauben Sie, dass diese Regelung vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben kann?

    Stratthaus: Ich habe mir abgewöhnt, die Frage, wie Gerichte entscheiden, als Glaubensfrage zu sehen. Ich weiß es nicht.

    Müller: Die Tendenz spricht dagegen?

    Stratthaus: Ja. Gut. Ich würde mal sagen halbe, halbe. Ich bin nicht sicher. Zum Beispiel hat das Baden-Württemberger Finanzgericht gesagt, die Regelung ist in Ordnung. Wir werden sehen. Ich kann es wirklich nicht sagen.