Bettina Klein: Was soll mit den höheren Steuereinnahmen geschehen, deren Umfang die Steuerschätzer gerade berechnen? Das genaue Ergebnis werden sie morgen vorlegen. Der Chor derer, die ihre Wünsche angemeldet oder Ratschläge über die Verwendung des Geldes gegeben haben, dieser Chor erklingt mit vielen Stimmen und teils recht dissonant seit Wochen. Schulden senken, Steuern senken oder Ausgaben erhöhen. Diese drei klassischen Möglichkeiten kennt das Lehrbuch. Aber die Frage ist wann sollte was geschehen. Auch darauf wissen die Wirtschaftswissenschaftler Antwort. Doch ist die so eindeutig?
Thomas Straubhaar ist Chef des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen Frau Klein!
Klein: Herr Straubhaar, fühlen Sie sich von der Politik als Fachmann in diesen Tagen ernst genommen und gehört?
Straubhaar: Doch. Ich denke wir werden immer von der Politik und der Öffentlichkeit ernst genommen. Dass dann nicht immer unsere Vorschläge auch eins zu eins umgesetzt werden, das denke ich gehört zur Arbeitsteilung. Wir beraten und andere müssen entscheiden.
Klein: Was waren Ihre Vorschläge im Falle der jetzt zu errechnenden Steuermehreinnahmen?
Straubhaar: Sie hatten ja die drei Optionen eben genannt und der letzten dieser drei Optionen würde ich auf gar keinen Fall raten zu folgen, nämlich noch mal zusätzlich die Staatsausgaben nach oben schießen zu lassen. Dieses zusätzliche Geld sollte und muss genutzt werden - und da sind wir auf der Seite auch des Finanzministers -, um die Staatshaushalte weiter zu konsolidieren.
Dann haben Sie die beiden anderen Optionen genannt. Einerseits kann man Steuern senken. Das würde ich ganz besonders bevorzugen. Oder aber man kann auch die Schuldenberge abzubauen beginnen, damit die Zinslasten in Zukunft geringer werden.
Klein: Steuern senken oder Schulden abbauen. Diese beiden Alternativen haben Sie gerade noch mal genannt. Jetzt müssten wir tatsächlich mal ins Lehrbuch schauen. Gute Wirtschaftspolitik wird antizyklisch betrieben, so heißt es. Das heißt im Abschwung Anreize geben, dann nämlich Steuern senken, aber im Aufschwung, den wir jetzt endlich haben, aber den Haushalt konsolidieren und nicht noch mehr Geld in den Kreislauf pumpen und die Wirtschaft überhitzen. Weshalb gilt denn das nicht mehr aus Ihrer Sicht?
Straubhaar: Doch, das gilt ja sehr genau. Wenn ich sage wir sollten jetzt nicht mehr zusätzliche Staatsausgaben produzieren, dann ist das genau das, was Sie eben als antizyklische Finanzpolitik angesprochen haben. Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Staat auf viele seiner Ausgaben verzichten könnte. Gerade auch weil es beispielsweise beim Arbeitsmarkt wunderbare Erfolge gibt, hat der Staat das Luxusproblem, dass eben hier jetzt weniger Geld für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder zur Unterstützung jener Arbeitslosen ausgegeben werden muss, die jetzt wieder neu beschäftigt werden. Dieses Geld sollte eben jetzt nicht für neue Programme ausgegeben werden, sondern das könnte jetzt gespart werden. Da würde ich auf der Seite jener stehen die sagen, all das was gespart wird, das soll der Staat eins zu eins nutzen, um Schuldenberge abzubauen und Zinslasten damit zu verringern. Dort wo es aber um konjunkturelle Effekte geht, dass jetzt die Staatseinnahmen, die Steuern und Abgaben derart sprudeln, dort soll er es zurückgeben. Beispielsweise die Mehrwertsteuererhöhung führt mit dazu, dass wir jetzt dieses Jahr so viel mehr Steuern beziehungsweise indirekte Steuern bezahlen müssen, und die könnte der Staat ruhig den Steuerzahlern zurückgeben.
Klein: Doch teilweise Steuern senken, sagen Sie. Warum wird das nicht zur Überhitzung der Wirtschaft führen, wie ja eine Lehrmeinung lautet?
Straubhaar: Das ist der Punkt, dass wir ja noch längst nicht bei einem Wachstumspfad sind, der vergleichsweise jene Steigung hat, jene Stärke hat, die beispielsweise in angelsächsischen oder in kleineren europäischen Ländern zu finden ist. Wir können also ruhig noch den einen oder anderen Wachstumsimpuls auch für die mittlere und längere Frist brauchen. Etwa die USA hat in diesem Jahr ein schlechtes Jahr und ist in diesem schlechten Jahr immer noch ähnlich gut, wenn nicht sogar besser wie Deutschland in einem guten Jahr.
Klein: Es wird jetzt gerne auf die Parallele zu einer Entscheidung des damaligen Finanzministers Gerhard Stoltenberg verwiesen, der im Jahre 1989 ein länger geplantes Steuersenkungsprogramm durchzog und damit nach Ansicht von Experten seinen Beitrag leistete, dass die Konjunktur dann irgendwann abstürzte. Warum greift diese Parallele heute nicht?
Straubhaar: Das waren deshalb völlig andere Zeiten, weil das war ja Anfang der 90er Jahre. Da war die deutsche Wiedervereinigung. Das war an sich schon ein unglaubliches Konjunkturprogramm. Das sieht man vielleicht heute etwas verzerrt, aber auch wenn es um die Wiedervereinigungskosten in der langen Frist geht, war doch die unmittelbare Wirkung der Wiedervereinigung, dass praktisch die Lager leergefegt wurden, dass viel mehr Kaufkraft gerade der neuen Bundesländer damals alles gekauft hat, was in Westdeutschland in den Lagern stand, was produziert werden konnte. Das hat dann zu einem Konjunktur-Boom geführt und da war dann eben in der Tat ein Konjunktur-Hoch, das weit über das hinausschoss, was eigentlich vernünftig gewesen wäre. Davon sind wir aber jetzt mit Garantie noch weit weg.
Klein: Lassen Sie uns noch auf einen aktuellen Streitpunkt in der gegenwärtigen politischen Diskussion schauen. Die Finanzierung der Krippenbetreuung ist ein Streitpunkt in der Koalition, wo es gestern offenbar eine gewisse Annäherung gegeben hat, wenn auch noch keine Entscheidung. Aus dem was Sie sagen, aus Ihren Einschätzungen, was folgt für diese konkrete Frage?
Thomas Straubhaar ist Chef des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes und jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen Frau Klein!
Klein: Herr Straubhaar, fühlen Sie sich von der Politik als Fachmann in diesen Tagen ernst genommen und gehört?
Straubhaar: Doch. Ich denke wir werden immer von der Politik und der Öffentlichkeit ernst genommen. Dass dann nicht immer unsere Vorschläge auch eins zu eins umgesetzt werden, das denke ich gehört zur Arbeitsteilung. Wir beraten und andere müssen entscheiden.
Klein: Was waren Ihre Vorschläge im Falle der jetzt zu errechnenden Steuermehreinnahmen?
Straubhaar: Sie hatten ja die drei Optionen eben genannt und der letzten dieser drei Optionen würde ich auf gar keinen Fall raten zu folgen, nämlich noch mal zusätzlich die Staatsausgaben nach oben schießen zu lassen. Dieses zusätzliche Geld sollte und muss genutzt werden - und da sind wir auf der Seite auch des Finanzministers -, um die Staatshaushalte weiter zu konsolidieren.
Dann haben Sie die beiden anderen Optionen genannt. Einerseits kann man Steuern senken. Das würde ich ganz besonders bevorzugen. Oder aber man kann auch die Schuldenberge abzubauen beginnen, damit die Zinslasten in Zukunft geringer werden.
Klein: Steuern senken oder Schulden abbauen. Diese beiden Alternativen haben Sie gerade noch mal genannt. Jetzt müssten wir tatsächlich mal ins Lehrbuch schauen. Gute Wirtschaftspolitik wird antizyklisch betrieben, so heißt es. Das heißt im Abschwung Anreize geben, dann nämlich Steuern senken, aber im Aufschwung, den wir jetzt endlich haben, aber den Haushalt konsolidieren und nicht noch mehr Geld in den Kreislauf pumpen und die Wirtschaft überhitzen. Weshalb gilt denn das nicht mehr aus Ihrer Sicht?
Straubhaar: Doch, das gilt ja sehr genau. Wenn ich sage wir sollten jetzt nicht mehr zusätzliche Staatsausgaben produzieren, dann ist das genau das, was Sie eben als antizyklische Finanzpolitik angesprochen haben. Jetzt ist der Moment gekommen, wo der Staat auf viele seiner Ausgaben verzichten könnte. Gerade auch weil es beispielsweise beim Arbeitsmarkt wunderbare Erfolge gibt, hat der Staat das Luxusproblem, dass eben hier jetzt weniger Geld für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder zur Unterstützung jener Arbeitslosen ausgegeben werden muss, die jetzt wieder neu beschäftigt werden. Dieses Geld sollte eben jetzt nicht für neue Programme ausgegeben werden, sondern das könnte jetzt gespart werden. Da würde ich auf der Seite jener stehen die sagen, all das was gespart wird, das soll der Staat eins zu eins nutzen, um Schuldenberge abzubauen und Zinslasten damit zu verringern. Dort wo es aber um konjunkturelle Effekte geht, dass jetzt die Staatseinnahmen, die Steuern und Abgaben derart sprudeln, dort soll er es zurückgeben. Beispielsweise die Mehrwertsteuererhöhung führt mit dazu, dass wir jetzt dieses Jahr so viel mehr Steuern beziehungsweise indirekte Steuern bezahlen müssen, und die könnte der Staat ruhig den Steuerzahlern zurückgeben.
Klein: Doch teilweise Steuern senken, sagen Sie. Warum wird das nicht zur Überhitzung der Wirtschaft führen, wie ja eine Lehrmeinung lautet?
Straubhaar: Das ist der Punkt, dass wir ja noch längst nicht bei einem Wachstumspfad sind, der vergleichsweise jene Steigung hat, jene Stärke hat, die beispielsweise in angelsächsischen oder in kleineren europäischen Ländern zu finden ist. Wir können also ruhig noch den einen oder anderen Wachstumsimpuls auch für die mittlere und längere Frist brauchen. Etwa die USA hat in diesem Jahr ein schlechtes Jahr und ist in diesem schlechten Jahr immer noch ähnlich gut, wenn nicht sogar besser wie Deutschland in einem guten Jahr.
Klein: Es wird jetzt gerne auf die Parallele zu einer Entscheidung des damaligen Finanzministers Gerhard Stoltenberg verwiesen, der im Jahre 1989 ein länger geplantes Steuersenkungsprogramm durchzog und damit nach Ansicht von Experten seinen Beitrag leistete, dass die Konjunktur dann irgendwann abstürzte. Warum greift diese Parallele heute nicht?
Straubhaar: Das waren deshalb völlig andere Zeiten, weil das war ja Anfang der 90er Jahre. Da war die deutsche Wiedervereinigung. Das war an sich schon ein unglaubliches Konjunkturprogramm. Das sieht man vielleicht heute etwas verzerrt, aber auch wenn es um die Wiedervereinigungskosten in der langen Frist geht, war doch die unmittelbare Wirkung der Wiedervereinigung, dass praktisch die Lager leergefegt wurden, dass viel mehr Kaufkraft gerade der neuen Bundesländer damals alles gekauft hat, was in Westdeutschland in den Lagern stand, was produziert werden konnte. Das hat dann zu einem Konjunktur-Boom geführt und da war dann eben in der Tat ein Konjunktur-Hoch, das weit über das hinausschoss, was eigentlich vernünftig gewesen wäre. Davon sind wir aber jetzt mit Garantie noch weit weg.
Klein: Lassen Sie uns noch auf einen aktuellen Streitpunkt in der gegenwärtigen politischen Diskussion schauen. Die Finanzierung der Krippenbetreuung ist ein Streitpunkt in der Koalition, wo es gestern offenbar eine gewisse Annäherung gegeben hat, wenn auch noch keine Entscheidung. Aus dem was Sie sagen, aus Ihren Einschätzungen, was folgt für diese konkrete Frage?
Mehr Kinderbetreuung durch Umschichtung finanzieren
Straubhaar: Ich fürchte eben, dass dadurch wiederum die sprudelnden Einnahmen genutzt werden, um zusätzliche Ausgaben finanzieren zu können, und ich bin ja ganz sicher, dass wir überall zusätzliche neue, auch vernünftige Ausgabenpakete schnüren könnten. Kinderbetreuung ist eine ganz, ganz wichtige Sache. Mein Punkt ist, dass wir dazu nicht die zusätzlichen Steuereinnahmen benötigen sollten, sondern ich glaube das ist die entscheidende Frage, dass wir sie stellen, nämlich was soll der Staat tun? Wo ist er besser als Private? Wie viel Geld braucht er dafür? Dieses Geld soll er dann auch haben. Jetzt ist das relativ konzeptionslos. Wir haben gute Zeiten. Deshalb können wir uns das eine oder andere leisten, beispielsweise auch Kasernen für die Bundeswehr oder dass auch die Rentner vom Aufschwung profitieren sollen oder die Arbeitslosengelder erhöht werden sollen beziehungsweise Familienprogramme unterstützt werden sollen. Das sind alles eigentlich vernünftige Punkte, aber sie kommen auf ein Konzept, das neu zu bedenken wäre.
Klein: Neu zu bedenken heißt zum Beispiel in der Frage der Kinderbetreuung keinen Euro, keinen Cent mehr vom Staat, sondern alles finanzieren durch Umschichtung?
Straubhaar: Richtig, Umschichtung. Ich bin absolut überzeugt und das weiß Herr Steinbrück sehr genau, weil er war ja als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zusammen mit Herrn Koch dafür verantwortlich, ein wunderbares Sparprogramm des Staates zu verabschieden und zu zeigen, wo überall der Staat im Prinzip auf seine Kernfunktion sich konzentrieren muss und ein starker Staat sein soll, aber eben ein schlanker Staat bleiben sollte.
Klein: Abschließend die Frage, Herr Straubhaar, es handelt sich um Steuerschätzungen, die morgen bekannt gegeben werden, also um eine Größe, die ja nicht genau festzulegen ist. Wie belastbar ist das Ergebnis dann eigentlich für die Berechnungen des Finanzministers?
Straubhaar: Es ist so belastbar wie alle Prognosen sind. Er muss Prognosen machen. Das ist absolut richtig. Dass die dann nicht immer eintreffen, das weiß er auch. Ich denke genau aus dem Grunde ist eben doppelt wichtig, jetzt nicht neue Ausgabenbegehrlichkeiten zu erfüllen, sondern - und da sind wir ja nicht weit auseinander - den Staatshaushalt zu konsolidieren, vor allem eben auch Schulden abzubauen, aber genauso eben auch Steuern zu senken und das als Gesamtprogramm zu verabschieden.
Klein: Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Straubhaar!
Straubhaar: Gerne!
Klein: Neu zu bedenken heißt zum Beispiel in der Frage der Kinderbetreuung keinen Euro, keinen Cent mehr vom Staat, sondern alles finanzieren durch Umschichtung?
Straubhaar: Richtig, Umschichtung. Ich bin absolut überzeugt und das weiß Herr Steinbrück sehr genau, weil er war ja als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen zusammen mit Herrn Koch dafür verantwortlich, ein wunderbares Sparprogramm des Staates zu verabschieden und zu zeigen, wo überall der Staat im Prinzip auf seine Kernfunktion sich konzentrieren muss und ein starker Staat sein soll, aber eben ein schlanker Staat bleiben sollte.
Klein: Abschließend die Frage, Herr Straubhaar, es handelt sich um Steuerschätzungen, die morgen bekannt gegeben werden, also um eine Größe, die ja nicht genau festzulegen ist. Wie belastbar ist das Ergebnis dann eigentlich für die Berechnungen des Finanzministers?
Straubhaar: Es ist so belastbar wie alle Prognosen sind. Er muss Prognosen machen. Das ist absolut richtig. Dass die dann nicht immer eintreffen, das weiß er auch. Ich denke genau aus dem Grunde ist eben doppelt wichtig, jetzt nicht neue Ausgabenbegehrlichkeiten zu erfüllen, sondern - und da sind wir ja nicht weit auseinander - den Staatshaushalt zu konsolidieren, vor allem eben auch Schulden abzubauen, aber genauso eben auch Steuern zu senken und das als Gesamtprogramm zu verabschieden.
Klein: Thomas Straubhaar, Leiter des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Straubhaar!
Straubhaar: Gerne!