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Streik
Ohne Bier im Biergarten

Geht den Biergärten in Bayern bald das Bier aus? Damit drohen zumindest die Braumeister. Sie fordern sechs Prozent mehr Geld, der Bayerische Brauerbund bietet aber nur ein Plus von 1,6 Prozent. Über eine Tarifauseinandersetzung mit bayerischer Dramatik.

Von Michael Watzke | 12.04.2016
    Maß Bier in Bayern
    Münchner Wirten könnte schon nächste Woche das Bier ausgehen. (picture alliance / dpa / Foto: Karl-Josef Hildenbrand)
    So - [Geräusch eines Kronkorkens] - klingt eine Flasche Münchner Bier, deren Alkoholgehalt 5,2 Prozent verspricht.
    Und so: "Mein Name ist Dr. Lothar Ebbertz," klingt der Bayerische Brauerbund, dessen Vorsitzender 1,6 Prozent verspricht. Allerdings nicht Alkohol, sondern Gehaltserhöhung. Und so - [Töne von einer Demo] - klingen 300 Münchner Brauer, die deutlich mehr als 1,6 Prozent wollen. Etwa Helmut Timm, Braumeister und Betriebsrat bei Spaten/Franziskaner. Er findet:
    "Die Brauereien machen sehr gute Umsätze. Wir haben eine Forderung von 6 Prozent aufgestellt. Der Arbeitgeber hat in den Tarifverhandlungen 1,6 Prozent angeboten. Das heißt: 0,6 Prozent Inflationsausgleich, und 1 Prozent wollte er uns schicken. Und ich finde das lächerlich, wenn man betrachtet, was wir als Betrieb an Getränken umsetzen."
    Der Bierkonsum in Deutschland gehe seit zehn Jahren zurück
    Das kommt ganz drauf, wie man es betrachtet. Denn mein Bier ist nicht gleich Dein Bier. Die sieben Münchner Brauereien sind für sich genommen kleine Fische im weltweiten Bier-Ozean. Doch die meisten gehören inzwischen zu Getränke-Megakonzernen. Spaten/Franziskaner etwa ist Teil der Anheuser-Busch-Inbev-Gruppe. Dort braut auch Streik-Teilnehmer Georg Kopp:
    "Wir arbeiten in einem Unternehmen, das sich ganz nebenbei mal einbildet, für 100 Milliarden einen Konkurrenten aufzukaufen. Und wenn es dann um die Kleinigkeit geht, dass man die Gehälter angleicht, aus diesem Topf heraus, den die ganze Belegschaft gemeinsam erwirtschaftet hat - da ist man dann knickrig."
    Das sieht der Bayerische Brauerbund naturgemäß anders. Der Bierkonsum in Deutschland gehe seit zehn Jahren zurück. Zwar sei das letzte Geschäftsjahr zugegebenermaßen ein sehr gutes gewesen. Aber man dürfe nicht vergessen:
    "Dass jede Erhöhung des Eck-Entgeltes ja nicht in einem Jahr erledigt ist. Sondern das zieht sich über die nächsten Jahrzehnte durch. Weil die Basis, auf der wir zukünftige Erhöhungen errechnen, angehoben wird."
    Bis hierher ist der Brauerstreik in Bayern eine ziemlich normale Tarif-Auseinandersetzung. Besondere Dramatik erhält er allerdings dadurch, dass den Münchner Wirten schon nächste Woche das Bier ausgehen könnte. Dann nämlich, so Gewerkschaftssprecher Mustafa Öz, wenn es keine schnelle Einigung gebe. Er hoffe ja, dass die Brauerei-Chefs einlenkten:
    "Wenn nicht, kann ich für nichts garantieren. Natürlich kann es passieren, dass man dann im Biergarten sitzt und Wasser trinken muss."
    "Jeder will Bier trinken, aber keiner will mehr bezahlen!"
    Nein! Undenkbar! Mit streikenden Lokführern oder geschlossenen Kindergärten kann der Münchner leben. Aber Wasser im Biergarten? Heute mittag im Augustinerkeller: die Stammtischrunde sitzt bei Brezn, Obazda und Weißbier zusammen:
    - "Das ist Grundnahrungsmittel. Ordentliches Bier gehört dazu!"
    - "Jeder will Bier trinken, aber keiner will mehr bezahlen!"
    - "Des wird scho heiß diskutiert, jawoll!"
    Tenor: die Braumeister sollen zwar ordentlich bezahlt werden. Allein schon, damit keine tote Maus im Sudkessel landet. Höhere Bierpreise allerdings sind umstritten. Höchstens für die jeweilige Lieblingsmarke.
    - "Des Franziskaner is des beste Weißbier, wo auf dem Markt is!"
    - "Franziskaner ist bestes Weißbier und Augustiner bestes Helles!"
    - "Tegernseer schmeckt besser wie Franziskaner."
    - "Aber nur, wenn Augustiner aus is!"
    Am besten sei es, wenn sich die Streikparteien bald einigten. Vorschlag der Stammtischrunde zur Entspannung vor der nächsten Tarifrunde:
    "Freibier!"
    Und wenn das nicht hilft? Wenn sich nächste Woche tatsächlich die Fässer leeren. Brauerbund-Chef Ebbertz rät zur Entspannung:
    "Die Sorge, dass es in München kein Bier mehr gibt, ist zunächst einmal unbegründet!"
    Denn die Lager der Brauereien und die Keller der Wirte seien voll. Nur: wie lange noch? Nur ein schöner, warmer Frühlingstag reicht, um ganz München in die Biergärten zu treiben. Und dann schmelzen selbst die größten Vorräte wie Schnee im Föhn.