Donnerstag, 28. März 2024

Archiv

Streit um ARD und ZDF
Döpfner fühlt sich "böswillig" missverstanden

Journalisten öffentlicher-rechtlicher Sender wehren sich gegen den Vorwurf, "Staatsfunk" zu sein. Redakteursvertreter haben ihre Kollegen bei den Zeitungen aufgefordert, sie nicht länger zu diskreditieren. Verlegerpräsident Mathias Döpfner fühlt sich missverstanden, hat aber Unrecht.

Von Stefan Fries | 02.11.2017
    Mathias Döpfner hält eine Rede.
    BDZV-Präsident Mathias Döpfner beim Zeitungskongress im September in Stuttgart (dpa)
    Im Streit um Reformen bei ARD und ZDF haben sich jetzt auch Mitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu Wort gemeldet. Sie werden in den jeweiligen Häusern von Redakteursausschüssen vertreten, die sich zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossen haben. Bei ihrer Herbsttagung in Frankfurt verfassten die Mitglieder die sogenannte "Frankfurter Erklärung". Darin beklagen sie eine seit Monaten laufende Kampagne einiger Printmedien gegen die öffentlich-rechtlichen Sender und weisen deren Kritik zurück.
    "Wir fühlen uns diskreditiert"
    Darin heißt es: "Wir fühlen uns diskreditiert, wenn Sie uns als Staatsfunk bezeichnen und uns damit unterstellen, dass wir uns politisch steuern lassen. Das ist komplett abwegig. Wir fragen uns, warum Sie mit solchen Äußerungen unsere Arbeit verunglimpfen und sich damit selbst in die Nähe von Rechtspopulisten stellen. Sie bedienen ein Klima, das uns JournalistInnen der öffentlich-rechtlichen Medien an den Pranger stellen soll."
    Hubert Krech, der Sprecher des Redakteursausschusses und Redakteur beim ZDF sagte im Dlf: "Wir brauchen beides - starke Zeitungen und Zeitschriften und einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wir appellieren deshalb an die verantwortungsbewussten Kolleginnen und Kollegen in den Medienhäusern."
    Die Redakteure rufen außerdem dazu auf, zusammen gegen Falschnachrichten und populistischen Parolen vorzugehen und sich nicht spalten zu lassen. Mit dieser Kampagne werde auch der Journalismus insgesamt beschädigt.
    Hintergrund des Appells sind Berichte unter anderem im "Spiegel", in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und ihrer Sonntagszeitung. Redakteure und Herausgeber dieser Zeitungen benutzten immer wieder Begriffe wie etwa "Staatsfunk", obwohl die Sender ausdrücklich öffentlich-rechtlich und staatsfern organisiert sind.
    Verlegerpräsident bietet Dialog an
    Mittlerweile hat auch der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) auf den offenen Brief reagiert. In seiner Antwort schreibt Präsident Mathias Döpfner von einem Missverständnis.
    Den Verlegern gehe es nicht darum, die Journalisten zu diskreditieren. Im Gegenteil betone man immer wieder, "welch wichtige Rolle das öffentlich-rechtliche Fernsehen für den Qualitätsjournalismus in Deutschland spielt, wie sehr wir das duale System bejahen und erhalten möchten und vor allem, wie groß unser Respekt vor den Leistungen der Journalistinnen und Journalisten von ARD und ZDF ist". Das seien keine Lippenbekenntnisse, sondern "tiefe Überzeugungen".
    "Staatspresse" - nur ein Missverständnis?
    Döpfner, der auch Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Konzerns ist, fühlt sich auch "böswillig" missverstanden, was den Vorwurf der "Staatspresse" angeht.
    Er schreibt: "Wenn dann irgendwann quasi nur noch öffentlich-rechtliche Online-Zeitungsangebote zur Verfügung stünden, dann und nur dann würde eine Art 'Staatspresse' entstehen, ein Monopol, das von zentral erhobenen Gebühren lebte und unter der Aufsicht von Politikern aller Parteien stünde. Dieses Konjunktiv-Szenario als Vorwurf misszuverstehen, die Journalisten der ARD seien 'Staatspresse', ist böswillig. Gemeint war es so nie."
    Döpfner hatte allerdings beim Zeitungskongress im September (PDF) in Stuttgart im Indikativ gesagt: "Wir erleben im Netz nach wie vor eine mit öffentlich-rechtlichen Geldern finanzierte Flut textbasierter Gratis-Angebote, nichts anderes als eine gebührenfinanzierte Staats-Presse, die den Wettbewerb verzerrt und uns Presseverlagen kaum Entfaltungsmöglichkeiten lässt." (Beim NDR auch als Video.)
    Internet-Angebote der ARD sind Verlegern Dorn im Auge
    Die Verleger wehrten sich dagegen, dass vor allem die ARD im Internet primär Texte anbietern wolle und damit den Zeitungsverlagen Konkurrenz mache. Das verhindere ein erfolgreiches digitales Wirtschaftsmodell, wenn für Verlagsangebote gezahlt werden müsse, während Beiträge von ARD und ZDF gefühlt kostenlos seien.
    Döpfner, der auch Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Konzerns ist, wünscht sich für die ARD stattdessen ein Angebot wie beim ZDF: hauptsächlich mit Audios und Videos und wenig Text.

    Die Frankfurter Erklärung im Wortlaut:
    Bei ihrer Herbsttagung in Frankfurt richten die Mitglieder der AGRA, der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse, einen dringenden Appell an ihre ZeitungskollegInnen. Hintergrund ist eine seit Monaten laufende Kampagne einiger Print-Medien gegen die öffentlich-rechtlichen Sender. Die AGRA weist die Dauerkritik dieser deutschen Zeitungen an ihrer Arbeit entschieden zurück:
    "Liebe Kolleginnen und Kollegen in den Zeitungsredaktionen,
    wir fühlen uns diskreditiert, wenn Sie uns als Staatsfunk bezeichnen und uns damit unterstellen, dass wir uns politisch steuern lassen. Das ist komplett abwegig. Wir fragen uns, warum Sie mit solchen Äußerungen unsere Arbeit verunglimpfen und sich damit selbst in die Nähe von Rechtspopulisten stellen. Sie bedienen ein Klima, das uns JournalistInnen der öffentlich-rechtlichen Medien an den Pranger stellen soll.
    Können Sie uns mal erklären, warum wir als verantwortungsvolle JournalistInnen in diesen Zeiten nicht zusammenhalten gegen Fake News und populistische Parolen? Wer soll denn die Brücken bauen zwischen auseinander fallenden Teilen der Gesellschaft, wenn nicht wir JournalistInnen – sowohl in Zeitungen als auch öffentlich-rechtlichen Sendern als Vermittler von profund recherchierten Informationen?
    Liebe Kolleginnen und Kollegen, fällt es Ihnen eigentlich nicht auf, dass Sie mit dieser Kampagne auch den Journalismus insgesamt beschädigen?
    Für sachliche und konstruktive Kritik sind wir jederzeit offen!
    Ihre öffentlich-rechtlichen KollegInnen von ARD, ZDF und Deutschlandradio"