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Streit um Bezahlung von Klinikärzten

Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, hat im Streit um die Bezahlung von Klinikärzten die Tarifparteien zur Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgefordert. Die Auseinandersetzung dürfe nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden, sagte Kühn-Mengel.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Stefan Heinlein: Und über den Protest der Ärzte möchte ich jetzt sprechen mit der SPD-Politikerin Helga Kühn-Mengel, sie ist Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Ist es tatsächlich so, arbeiten Ärzte zu viel und verdienen zu wenig?

    Helga Kühn-Mengel: Ja es hat ja auch nicht ohne Grund hier eine Vorgabe von der Europäischen Kommission gegeben. Ich will aber hier ganz deutlich sagen, dass die Bundesregierung die Hausaufgaben gemacht hat: Wir haben die Rechtssprechung des EuGH, des Europäischen Gerichtshofes, zum 1. Januar 2004 umgesetzt und auch einen ganz flexiblen Rahmen geschaffen für die Arbeitszeitgestaltung, kalkulierbar und sogar auch mit Übergangsfristen versehen von zwei Jahren, damit die Tarifpartner hier auch diesen Rahmen mit Leben füllen können. Und das ist dann eben auch jetzt ein ganz wichtiger Punkt, dass ich fordern muss, dass die Tarifpartner wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren – also Länder und Ärztevertretungen – und ihren Streit nicht auf dem Rücken der Patienten und Patientinnen austragen.

    Heinlein: Ist das im Moment, was wir gerade in dieser Woche erleben, ein Arbeitskampf auf dem Rücken der Patienten? Sehen Sie das so?

    Kühn-Mengel: Ich glaube, dass Ärzte und Ärztinnen ein hohes Interesse daran haben, Patienten und Patientinnen gut zu versorgen. Aber natürlich ist es so, dass lange Arbeitszeiten auch hier natürlich zum Schaden führen können – und das wird ja auch von vielen Seiten beklagt, das erleben auch Patienten und Patientinnen. Man muss aber ganz deutlich sagen: Hier sind die Länder gefordert. Und die sind ja auch ausgestiegen. Unter der Führung des niedersächsischen Innenministers haben sie im letzten Jahr die Verhandlungen einseitig gekündigt und das ist nicht in Ordnung. Hier muss einfach weiter verhandelt werden.

    Heinlein: Ganz nüchtern betrachtet, Frau Kühn-Mengel, ist das ja ein Arbeitskampf, wo es vor allem um Geld und um Arbeitszeiten geht. Ist das nicht ein Tarifkampf wie jeder andere?

    Kühn-Mengel: Es ist ein Tarifkampf. Aber das Gesundheitswesen ist ja auch ein besonderes, mit vielen Beteiligten. Und es ist ja vielleicht auch kein Zufall, dass das – zumindest was Hessen und Baden-Württemberg betrifft – von Ländern ausgeht, wo auch Privatisierungen drohen. Also da ist natürlich auch einiges in Bewegung. Aber ich will noch einmal sagen: Die Bundesregierung hat Gelder, 700 Millionen – auch anwachsend im Laufe der Jahre –, zur Verfügung gestellt, um flexible Arbeitsmodelle mit anzuschieben. Das sollte genutzt werden. Und vor allem müssen die Partner verhandeln. Also das ist schon auch eine politische Forderung, dass Länder und die Ärztevertretungen wieder verhandeln. Hier fordere ich aber vor allem die Länder auf, denn die sind diejenigen, die die Verhandlungen eingestellt haben, und es ist ja auch kein Zufall, dass es die Universitätskliniken sind, die jetzt vor allem streiken. Also ...

    Heinlein: Reicht das Geld, Frau Kühn-Mengel, das Geld der Bundesregierung, das jetzt bereitgestellt wurde, denn aus, um die Forderungen des EuGH umzusetzen? Also Anrechnung der Bereitschaftszeit als Arbeitszeit der Ärzte.

    Kühn-Mengel: Wir können sagen, dass nur wenige Krankenhäuser überhaupt keine Mittel erhalten haben – und das waren dann in der Regel diejenigen, die auch keine eingefordert haben. Es haben sehr viele Geld bekommen. Und im März 2004 gab es auch eine Studie des Deutschen Krankenhausinstitutes, die belegt hat, dass diese Mittel durchaus eine finanzielle Hilfestellung für die Krankenhäuser darstellen. Da spielt vieles eine Rolle – ich sage mal: Privatisierung, dann die Haltung der Länder, sich nicht intensiv genug um diesen Bereich zu kümmern, ...

    Heinlein: Welche Länder meinen Sie denn?

    Kühn-Mengel: Ja, das sind Berlin, Baden-Württemberg und Hessen, von denen gerade der Streik ausgeht. Der niedersächsische Innenminister als Leiter der Verhandlungskommission hat im letzten Jahr sehr stark dazu beigetragen, dass einseitig gekündigt wurde. Und ich denke, die Länder müssen wieder an den Verhandlungstisch und müssen die Interessen der Ärzte und auch der Patienten mit berücksichtigen bei den Tarifverhandlungen.

    Heinlein: Aber die meisten Länder, zum Beispiel Berlin, das Sie genannt haben, steckt tief in den roten Zahlen. Warum sollen denn Ärzte von den Einsparungen – also Wegfall Urlaubs- und Weihnachtsgeld und längere Arbeitszeiten – ausgenommen werden?

    Kühn-Mengel: Sie haben Recht, das trifft auf andere auch zu. Aber der Gesundheitsbereich ist ein besonderer und ich erwarte – das sage ich jetzt als Patientenbeauftragte –, dass Ärzte und Ärztinnen gut ausgebildet sind, dass sie ausgeruht sind, dass sie motiviert sind, wenn sie mit Patienten und Patientinnen zusammenkommen, wo es um Krankheit, um Leben oder Tod geht.

    Heinlein: Sollte es eine eigene, eine privilegierte Tarifordnung für Klinikärzte geben? Das ist ja eine Forderung des Marburger Bundes.

    Kühn-Mengel: Ich will nicht sagen, dass es privilegierte Regelungen geben muss. Es muss vernünftige Regelungen geben und es darf nicht auf dem Rücken der Patienten und Patientinnen ausgetragen werden.

    Heinlein: Ist denn die Einkommensverteilung in den Krankenhäusern in Ordnung? Chefärzte verdienen ja zum Teil – gerade an den Unikliniken – Millionen und die Assistenzärzte, die nachwachsenden, jungen Kräfte nur sehr, sehr wenig.

    Kühn-Mengel: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an. Es gibt im deutschen Gesundheitswesen ja auch sicher manche Besonderheiten – Verkrustungen gehören dazu, sicher auch eine stark ausgeprägt Hierarchie. Und ich wundere mich oft, dass dieses nicht thematisiert wird. Auch das ist ein wichtiger Punkt, dass hier Einkommensverteilung stattfinden muss.

    Heinlein: Sollte ein Assistenzarzt vielleicht auch von Fall zu Fall einmal einen Privatpatienten behandeln dürfen, um dort ordentlich Geld zu verdienen und ihn doppelt und dreifach zu honorieren?

    Kühn-Mengel: All das gehört auch in Tarifverhandlungen rein. Ich sage noch einmal: Das müssen Länder und Ärzte aushandeln. In jedem Fall gehören die Dinge, die Sie angesprochen haben, auch auf den Verhandlungstisch.

    Heinlein: Eine kurze Frage noch zum Schluss: 5000 Ärztestellen in den Krankenhäusern sind laut Marburger Bund bisher schon unbesetzt. Immer mehr Klinikärzte wandern ab ins Ausland. Droht Deutschland ein Ärztemangel, wenn sich nichts ändert in dem Sinne, wie Sie gerade beschrieben haben?

    Kühn-Mengel: Das ist richtig, dass es Ärzte gibt, die in andere Länder gehen – nicht nur, weil es Länder gibt, wo mehr gezahlt wird, es gibt auch Länder, wo weniger gezahlt wird. Ich kenne eine Studie, die hat Folgendes ergeben: Das waren Ärzte, die zum Beispiel in die skandinavischen Länder gegangen sind, die zurückkamen und gesagt haben: Ich habe dort weniger verdient, aber ich war glücklich, es war ein Team.