Bettina Klein: Und am Telefon ist jetzt Professor Wolfgang Eichwede, Leiter der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen. Herr Eichwede, was würden Sie vorschlagen, wenn man Sie um Vermittlung in dem Streit bitten würde?
Wolfgang Eichwede: Aller Voraussicht nach wird das - ich kann mir das im Augenblick, trotz der schrillen Töne auf beiden Seiten, nicht anders vorstellen - wird es zu einer gestuften Lösung kommen müssen. In der Tat ist es ja so: Wenn Russland zum Mitglied der WTO, also Welthandelsorganisation, werden würde, in vollem Umfang und mit allen Rechten, dann wäre Russland durch diese Regeln bereits gezwungen, den Gaspreis zu erhöhen und keine Dumping-Preise gegenüber Nachbarn zu verwenden. Also insofern hat Russland ein starkes Argument auf seiner Seite. Dagegen steht, dass die Ukraine und Russland einen Vertrag haben, der bis zum Jahre 2009 reicht und im Rahmen dieses Vertrages sind Sonderkonditionen von Russland für die Ukraine zugesagt. Also zwischen diesen beiden Dingen muss ein Weg gefunden werden. Russland, wenn es mit dem Welthandelspreis argumentiert - was eine gewisse Logik hat -, kommt es trotzdem in Argumentationsschwierigkeiten, weil beispielsweise von Belarus, also Putins Kollegen Lukaschenko, gegenwärtig und auch auf absehbare Zeit nur ein Preis von 47 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas gefordert wird, also etwas weniger sogar als den Preis, den die Ukraine gegenwärtig zahlt, und an dem soll nicht gerüttelt werden. Also man hat unterschiedliche Preise: Die Armenier und Georgier zahlen 110 Dollar, die Ukrainer sollen den russischen Forderungen nach 230 zahlen. Das Ganze ist also schon ein Poker aus russischer Sicht, aber letztlich werden die anderen Nachbarstaaten, also die früheren Mitglieder der Sowjetunion, Schritt um Schritt an diese hohen Preise, auf diese hohen Preise eingezwungen.
Klein: Ja, Herr Eichwede, Sie sagen, Sie rechnen mit einer Stufenlösung. Das heißt, peu à peu würden die Preise dann steigen. Sie denken, die Ukraine würde sich darauf einlassen. Glauben Sie, dass das noch in den nächsten 24 oder 48 Stunden passieren wird? Denn das Ultimatum steht ja.
Eichwede: Es gibt heute Morgen eine Meldung russischer Zeitungen, dass offenbar intern Russland zugesagt hat, jetzt zum Jahresbeginn die Lieferung nicht einzustellen. Auch wenn man sich noch nicht geeinigt hat. Also es ist im Augenblick eine verwirrende Nachrichtenlage: Einerseits die Dinge, die Sie selbst auch in dem Bericht eben notiert haben, auf der anderen Seite scheint es so, dass hier der Gashahn nicht zugemacht werden soll. Das hätte für Russland auch - das muss man sagen -, hätte für Russland ja auch negative Wirkungen im Blick auf Westeuropa. Das würde als ein außerordentlich unfreundlicher Akt angesehen werden, wenn die Preise derart drastisch erhöht werden, fordert die Ukraine Gebühren für die Möglichkeit, dass diese Pipelines durch ihr eigenes Territorium durchgehen. Die müssten ja bezahlt werden - möglicherweise nicht von Russland, sondern von uns. Insofern hofft da die Ukraine letztlich auch noch auf eine Schützenhilfe aus westeuropäischer Seite. Und letztlich - ich muss noch mal sagen: das Ganze ist auch ein Poker vor dem Hintergrund des Wahlkampfes. Das kam ebenfalls auch in den Interviews zum Ausdruck. Der russische Druck hat offenbar die Absicht, die Partei und die Kräfte von Juschenko zu schwächen. Auf der anderen Seite: Juschenko wirbt nun in diesem Wahlkampf für seine Position, indem er sozusagen auf ukrainischen Stolz gegen Russland abhebt. Also das Ganze ist im Augenblick immer noch im Bereich eines Pokers und muss nicht vor einem großen Knall stehen.
Klein: Herr Eichwede, noch ein letztes, kurzes Wort zur Rolle des Altkanzlers, der einen wichtigen Posten übernehmen wird für Gasprom. Und es gibt einige Stimmen, die inzwischen schon sagen: Schröder sollte sich bitte mal einschalten und versuchen, zu vermitteln. Könnte er das, wenn er wollte?
Eichwede: Ja, ich glaube, aber nicht mit großem Einfluss. Man muss immer wieder sehen: Der Einfluss von außen auf die russische Innen- und Wirtschaftspolitik ist außerordentlich gering. Im konkreten Fall sind die Schwierigkeiten, die heute in der Ukraine auftauchen, ja ein Argument, das Schröder nutzen kann, um seine Pipeline durch die Ostsee zu rechtfertigen, weil dieses nicht solchen Pressionen ausgesetzt werden kann. Ich glaube, er wird das nicht tun. Im gleichen Zusammenhang ist aber interessant, dass es in Russland Zeitungsmeldungen gibt, dass Putin möglicherweise nach seiner Präsidentschaft 2008 daran denkt, den Chefposten bei Gasprom zu übernehmen. Dann wären Schröder und Putin erneut Kollegen.
Wolfgang Eichwede: Aller Voraussicht nach wird das - ich kann mir das im Augenblick, trotz der schrillen Töne auf beiden Seiten, nicht anders vorstellen - wird es zu einer gestuften Lösung kommen müssen. In der Tat ist es ja so: Wenn Russland zum Mitglied der WTO, also Welthandelsorganisation, werden würde, in vollem Umfang und mit allen Rechten, dann wäre Russland durch diese Regeln bereits gezwungen, den Gaspreis zu erhöhen und keine Dumping-Preise gegenüber Nachbarn zu verwenden. Also insofern hat Russland ein starkes Argument auf seiner Seite. Dagegen steht, dass die Ukraine und Russland einen Vertrag haben, der bis zum Jahre 2009 reicht und im Rahmen dieses Vertrages sind Sonderkonditionen von Russland für die Ukraine zugesagt. Also zwischen diesen beiden Dingen muss ein Weg gefunden werden. Russland, wenn es mit dem Welthandelspreis argumentiert - was eine gewisse Logik hat -, kommt es trotzdem in Argumentationsschwierigkeiten, weil beispielsweise von Belarus, also Putins Kollegen Lukaschenko, gegenwärtig und auch auf absehbare Zeit nur ein Preis von 47 Dollar pro tausend Kubikmeter Gas gefordert wird, also etwas weniger sogar als den Preis, den die Ukraine gegenwärtig zahlt, und an dem soll nicht gerüttelt werden. Also man hat unterschiedliche Preise: Die Armenier und Georgier zahlen 110 Dollar, die Ukrainer sollen den russischen Forderungen nach 230 zahlen. Das Ganze ist also schon ein Poker aus russischer Sicht, aber letztlich werden die anderen Nachbarstaaten, also die früheren Mitglieder der Sowjetunion, Schritt um Schritt an diese hohen Preise, auf diese hohen Preise eingezwungen.
Klein: Ja, Herr Eichwede, Sie sagen, Sie rechnen mit einer Stufenlösung. Das heißt, peu à peu würden die Preise dann steigen. Sie denken, die Ukraine würde sich darauf einlassen. Glauben Sie, dass das noch in den nächsten 24 oder 48 Stunden passieren wird? Denn das Ultimatum steht ja.
Eichwede: Es gibt heute Morgen eine Meldung russischer Zeitungen, dass offenbar intern Russland zugesagt hat, jetzt zum Jahresbeginn die Lieferung nicht einzustellen. Auch wenn man sich noch nicht geeinigt hat. Also es ist im Augenblick eine verwirrende Nachrichtenlage: Einerseits die Dinge, die Sie selbst auch in dem Bericht eben notiert haben, auf der anderen Seite scheint es so, dass hier der Gashahn nicht zugemacht werden soll. Das hätte für Russland auch - das muss man sagen -, hätte für Russland ja auch negative Wirkungen im Blick auf Westeuropa. Das würde als ein außerordentlich unfreundlicher Akt angesehen werden, wenn die Preise derart drastisch erhöht werden, fordert die Ukraine Gebühren für die Möglichkeit, dass diese Pipelines durch ihr eigenes Territorium durchgehen. Die müssten ja bezahlt werden - möglicherweise nicht von Russland, sondern von uns. Insofern hofft da die Ukraine letztlich auch noch auf eine Schützenhilfe aus westeuropäischer Seite. Und letztlich - ich muss noch mal sagen: das Ganze ist auch ein Poker vor dem Hintergrund des Wahlkampfes. Das kam ebenfalls auch in den Interviews zum Ausdruck. Der russische Druck hat offenbar die Absicht, die Partei und die Kräfte von Juschenko zu schwächen. Auf der anderen Seite: Juschenko wirbt nun in diesem Wahlkampf für seine Position, indem er sozusagen auf ukrainischen Stolz gegen Russland abhebt. Also das Ganze ist im Augenblick immer noch im Bereich eines Pokers und muss nicht vor einem großen Knall stehen.
Klein: Herr Eichwede, noch ein letztes, kurzes Wort zur Rolle des Altkanzlers, der einen wichtigen Posten übernehmen wird für Gasprom. Und es gibt einige Stimmen, die inzwischen schon sagen: Schröder sollte sich bitte mal einschalten und versuchen, zu vermitteln. Könnte er das, wenn er wollte?
Eichwede: Ja, ich glaube, aber nicht mit großem Einfluss. Man muss immer wieder sehen: Der Einfluss von außen auf die russische Innen- und Wirtschaftspolitik ist außerordentlich gering. Im konkreten Fall sind die Schwierigkeiten, die heute in der Ukraine auftauchen, ja ein Argument, das Schröder nutzen kann, um seine Pipeline durch die Ostsee zu rechtfertigen, weil dieses nicht solchen Pressionen ausgesetzt werden kann. Ich glaube, er wird das nicht tun. Im gleichen Zusammenhang ist aber interessant, dass es in Russland Zeitungsmeldungen gibt, dass Putin möglicherweise nach seiner Präsidentschaft 2008 daran denkt, den Chefposten bei Gasprom zu übernehmen. Dann wären Schröder und Putin erneut Kollegen.