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Streit um Hambacher Forst
BUND droht mit Ausstieg aus der Kohlekommission

Die Umweltschützer des BUND machen ihre weitere Mitarbeit in der Kohlekommission davon abhängig, dass der Energieriese RWE ein Moratorium für die Abholzung des Hambacher Forstes ausruft. Der Wald in der rheinischen Braunkohleregion steht seit Jahren symbolisch für den Protest der Kohleabbau-Gegner.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 23.08.2018
    Hütten von Baumbesetzern im Hambacher Forst
    Gegner des Kohleabbaus protestieren schon lange im Hambacher Forst gegen die von RWE veranlassten Rodungsarbeiten (Deutschlandradio/Ute Meyer)
    Seit Jahren schon liegen RWE und die Umweltschützer im Hambacher Forst im Clinch miteinander - und nun soll noch mehr Wald im Rheinischen Braunkohlerevier gerodet werden: "Tagebau Hambach, der zerstört gerade einen einstmals 4.100 Hektar großen Altwald, der 12.000 Jahre Entstehungsgeschichte hinter sich hat. Dieser Wald wird bis auf wenige Reste vernichtet", sagt Umweltschützer Dirk Jansen, Landesgeschäftsführer des BUND in Nordrhein-Westfalen.
    Mit dem Gezerre um den Hambacher Forst schwappt der Konflikt nun nach Berlin rüber: Der BUND droht mit dem Ausstieg aus der so genannten Kohlekommission - sollte es kein Moratorium für die Abholzung des Hambacher Waldes geben:
    "Ein Zeichen guten Willens wäre, wenn sie jetzt sagen: Solange die Kohlekommission noch tagt in Berlin, verzichten wir auf weitere Rodungen. Denn das wäre ein Unding, dass in Berlin fleißig getagt und debattiert wird und im Hambacher Wald rollen die Kettensägen durch".
    Die Kommission mit ihren sehr unterschiedlichen Interessenvertretern aus Politik, Wirtschaft und der Umweltbewegung soll im Auftrag der Bundesregierung ein Kohleausstiegs-Datum erarbeiten und den Strukturwandel in den betroffenen Regionen vorbereiten.
    Arbeit unter Hochdruck
    Dass der BUND, der ebenfalls einen Vertreter in die Kommission entsandt hat, jetzt derartig die Daumenschrauben anzieht, sorgt für noch größere Unruhe in dem ohnehin schon angespannten Gremium:
    "Die Kommission arbeitet unter extremen Hochdruck. Ich bin wirklich jetzt wöchentlich in Berlin. Wir bemühen uns, diesen engen Zeitrahmen, der uns gesetzt ist - bis Ende des Jahres sollen wir fertige Ergebnisse haben - tatsächlich zu schaffen",
    sagt am Morgen im Deutschlandfunk Reiner Priggen, der als langjähriger Energie-Experte der NRW-Grünen ebenfalls in der Kohlekommission sitzt. Die geplante Rodung des Hambacher Waldes bezeichnet Priggen als Affront, und auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock wirft RWE einen Vertrauensbruch vor. Frank Weigand, Vorstandsvorsitzender des Energiekonzerns hält dagegen:
    "An der Tagebauproduktion Hambach hängt etwa eine Stromproduktion, die circa knapp 15 Prozent des Strombedarfs von Nordrhein-Westfalen ausmacht. Deswegen ist das eine betriebliche Notwendigkeit."
    Zuspruch erhält RWE auch von Andreas Pinkwart, FDP-Politiker und Nordrhein-Westfalens Wirtschaftsminister:
    "Hier ist es notwendig, dass der Braunkohle Tagebau sich auch entwickeln muss, damit die Kraftwerke arbeiten können, von denen die Energieversorgung bei Strom, aber auch bei Wärme, in diesem Land zentral abhängig sind."
    Konventionelle Energie zur Sicherung
    Damit legt Pinkwart im WDR-Interview den Finger genau in jene Wunde, die auch die Arbeit der Kohlekommission so belastet. Pünktlich zu ihrer heutigen dritten Sitzung gehen die Meinungen der 28 Mitlieder über den Fahrplan zum Kohleausstieg scharf auseinander. Michael Vassiliadis, Vorsitzender der Bergbau-Gewerkschaft IG-BCE, warnt vor einem allzu schnellen Tempo:
    "Wir haben uns entschieden - im Übrigen in einer Priorität - aus der Kernenergie auszusteigen. Das ist noch nicht abgeschlossen, das wird 2022 sein Ende finden. Das führt dazu, dass wir natürlich auf der einen Seite erneuerbare Energien ausgebaut haben. Das ist gut so. Aber wir brauchen natürlich auch die Konventionellen, um unsere Energieversorgung zu sichern."
    So Kommissionsmitglied Vassiliadis gegenüber dem SWR. Ähnlich argumentiert der CDU-Wirtschaftsrat.
    Deutschland muss Kohle reduzieren
    Das Lager der Umweltverbände pocht hingegen auf einen raschen Kohleausstieg. Nur dann könne Deutschland seine Verpflichtungen aus dem Pariser Klimaschutzabkommen einhalten, sagt Grünen-Politiker Priggen:
    "Es ist allen, die sich mit der Materie beschäftigen, klar: Die Braunkohle ist der dreckigste Stromerzeuger. Nordrhein-Westfalen ist das größte Förderland für Braunkohle weltweit, Deutschland insgesamt noch mehr als China und Russland, und wir müssen das reduzieren, denn das ist der Löwenanteil unserer Emissionen, und das geht."
    Viel Zeit für eine Einigung bleibt nicht. Bis Jahresende soll die Kommission bereits Ergebnisse für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorlegen.