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Streit um Haushaltsausschuss
Lötzsch: Wir sollten im demokratischen Miteinander ein Stück weiter sein

Selbstverständlich wolle sie den Vorsitz im Haushaltsausschuss übernehmen, versichert Gesine Lötzsch. Angesichts der großen Mehrheit der sich abzeichnenden Regierung habe die Opposition eine wichtige Kontrollfunktion.

Gesine Lötzsch im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 05.12.2013
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    Gesine Lötzsch 2012 bei ihrem Rücktritt als Linken-Vorsitzende (dpa / picture alliance / Rainer Jensen)
    Tobias Armbrüster: Ebenfalls in Berlin begrüße ich jetzt Gesine Lötzsch von der Linkspartei. Schönen guten Morgen!
    Gesine Lötzsch: Guten Morgen!
    Armbrüster: Frau Lötzsch, wollen Sie den Kommunismus in Deutschland wieder errichten?
    Lötzsch: Wir haben ja, als ich Parteivorsitzende war, ein Grundsatzprogramm beschlossen in Erfurt, und dieser Parteitag stand unter dem Motto "Freiheit, Würde, Solidarität". Und wir haben da in diesem Parteiprogramm sehr deutlich beschrieben, wie wir uns eine Gesellschaft vorstellen, nämlich eine gerechte, eine solidarische Gesellschaft, eine Gesellschaft von Freien und Gleichen. Das ist unsere Zielbeschreibung, und ich fand übrigens sehr interessant in den Äußerungen von Herrn Wilsch, dass er darauf hingewiesen hat, dass es keine Initiative der Union ist, sondern einzelner Abgeordneter. Denn ich habe ja inzwischen in den letzten Tagen auch von anderen Abgeordneten Reaktionen erfahren, die nicht nur mir persönlich gegenüber geäußert wurden, sondern ja auch in der Presse standen, die ganz deutlich machen, dass die Position von Herrn Willsch mitnichten von allen geteilt wird.
    Armbrüster: Wollen Sie es jetzt denn trotzdem noch versuchen mit dem Haushaltsausschuss?
    Lötzsch: Aber ich bitte Sie: selbstverständlich! Meine Fraktion ist der Auffassung, dass ich diese Position übernehmen sollte, und ich bin auch sehr gespannt darauf, wie das funktioniert, denn das ist ja eine ungeheuer wichtige Position. Und vor allen Dingen ist es ja besonders wichtig, dass ein Vertreter der Opposition diesen Ausschuss führt, weil das der Ausschuss ist, der die Regierung erstens natürlich am umfassendsten kontrollieren kann, weil alle Minister dort auch Stellung nehmen müssen. Und wenn ich mich zurück entsinne an die Zeit der Großen Koalition von 2005 bis 2009, wo es ja auch eine sehr große Koalition gab - nicht ganz so groß wie jetzt, aber immerhin eine sehr große Koalition -, da habe ich die Erfahrung gemacht, dass uns die Koalitionsabgeordneten ein bisschen dankbar waren, wenn wir als Oppositionsabgeordnete ordentlich Dampf gemacht haben, weil einige Regierungsmitglieder zu Anfang dachten, jetzt haben wir so eine dicke Mehrheit, jetzt müssen wir auch die Regierungsvertreter, die Abgeordneten der Regierungskoalition im Haushaltsausschuss nicht mehr so ernst nehmen. Und ich glaube, es wäre gut für alle, wenn sie sagen, eine starke Ausschussvorsitzende, das ist für den gesamten Haushaltsausschuss gut, und ein in Frage stellen vorher, das bringt keinem was.
    Aber vielleicht möchte ich noch auf einen anderen Vorwurf kurz eingehen. Ich darf Ihnen verraten: Ich bin quasi so was wie eine Parlamentarierin der ersten Stunde. Ich bin im Mai 1990 in die erste Stadtverordnetenversammlung gewählt worden und war dort mit den Kollegen damals noch aus dem Westberliner Abgeordnetenhaus im Ausschuss für die Einheit Berlins. Wenn das kein Ausweis von parlamentarischer Erfahrung ist, dann möchte ich wissen, was dann noch sein soll.
    "Ich habe über 40 Prozent der Erststimmen erreicht"
    Armbrüster: Das klingt alles sehr schön, Frau Lötzsch. Aber ist es denn wirklich hilfreich, wenn eine Politikerin so wie Sie, die für derartige Kontroversen in der Vergangenheit gesorgt hat, wenn eine solche Politikerin ein solches Amt übernimmt, Vorsitz im Haushaltsausschuss, ein Amt, in dem es ja eigentlich auf Überparteilichkeit ankommt?
    Lötzsch: Ich kann Ihnen sagen, dass ich nicht im Bundestag, aber im Berliner Abgeordnetenhaus auch Ausschussvorsitzende war. Da war ich Vorsitzende vom Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten und Medien. Und natürlich ist ja das Wesen des Parlamentarismus, dass es verschiedene Auffassungen gibt, verschiedene Meinungen. Wir haben ja Gott sei Dank keine Einheitspartei, sondern es stellen sich verschiedene Parteien mit ihren Positionen zur Wahl. Ich bin in den Deutschen Bundestag viermal direkt von den Wählerinnen und Wählern meines Wahlkreises gewählt worden, ich habe über 40 Prozent der Erststimmen erreicht, und ich glaube, damit müssen die anderen Abgeordneten auch umgehen. Das müssen sie akzeptieren, genauso wie ich akzeptiere natürlich – und das akzeptiere ich natürlich auch gerne und daran gibt es auch gar keinen Zweifel -, dass natürlich auch der Kollege Willsch demokratisch in den Bundestag gewählt wurde.
    "Ich bin ein optimistischer Mensch"
    Armbrüster: Was ist nun, wenn die Haushaltspolitiker in diesem Ausschuss Sie nicht akzeptieren und dadurch die Arbeit in diesem doch sehr wichtigen Ausschuss monatelang blockiert wird?
    Lötzsch: Ich bin ein optimistischer Mensch. Ich glaube nicht, dass der Deutsche Bundestag gut beraten wäre, noch einmal eine vergleichbare Aktion durchzuführen wie damals die aus meiner Sicht beschämende Nichtwahl von Lothar Bisky, der ja nun leider inzwischen auch verstorben ist, oder wenn wir zurückdenken an andere Dinge wie 1994 dem Alterspräsidenten Stefan Heym der Respekt verweigert wurde. Ich glaube, wir sollten alle gemeinsam im parlamentarischen, im demokratischen Miteinander ein Stück weiter sein.
    Armbrüster: Bereuen Sie inzwischen Ihre Gedanken über die Wege zum Kommunismus, oder das Glückwunschschreiben an Fidel Castro?
    Lötzsch: Ich finde es gut, wenn man sich mit den Dingen, die kritisiert werden, zum Beispiel mit dem Aufsatz beziehungsweise dem Vortrag, der gehalten wurde, wirklich auseinandersetzt. Viele Leute, die sich dazu geäußert haben, haben es nicht gelesen. Ich hatte neulich ein Gespräch mit einem Journalisten einer Qualitätszeitung, der mit mir darüber diskutieren wollte, und ich stellte ihm die Frage, haben Sie es überhaupt gelesen, und er hat gesagt, nein, ich habe es nicht gelesen. Und ich glaube, dieser Beitrag von mir ist einer, der am wenigsten gelesen und am meisten diskutiert wurde, und wir sollten doch den Anspruch haben, die Argumente, die jeder auf den Tisch legt, ernst zu nehmen und nicht einzelne Schnipsel rauszupicken.
    Armbrüster: Aber haben Sie sich nicht mit dieser Überschrift zumindest ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt?
    Lötzsch: Die Überschrift war ja die Überschrift einer Konferenz, zu der ich eingeladen wurde, einen Beitrag zu halten, und ich denke, dass es sich lohnt, noch mal genau hinzuschauen, was dort vorgeschlagen wurde. Mir wurde schon auch von anderen gesagt, also eigentlich war das ein ganz braver sozialdemokratischer Artikel. Ich glaube, es lohnt sich immer, Texte genau zu lesen, und gerade auch die Hörer des Deutschlandfunks sind ja gebildete Menschen und haben auch einen Anspruch darauf, umfassend informiert zu werden.
    Armbrüster: Frau Lötzsch, aber wenn es mit Ihnen nicht klappt, gibt es dann in der Linkspartei schon Ersatz für diesen Posten?
    Lötzsch: Ich bin sehr froh, dass meine Fraktion diese Nominierung, diesen Vorschlag geschlossen unterstützt, und ich habe ja auch in den vergangenen Tagen nicht nur von anderen Fraktionen, sondern auch aus meiner Fraktion viel Unterstützung erfahren und öffentliche Äußerungen gehört. Ich glaube, wir wären schlecht beraten als Fraktion, uns auseinanderdividieren zu lassen. Es kann nicht sein, dass Vertreter einer Partei, die mit an einer übergroßen Koalition wahrscheinlich wirken wird, denn der SPD-Mitgliederentscheid ist ja noch nicht durch, sich einzelne Oppositionsabgeordnete rauspicken und denen sagen, welche Aufgaben sie im Parlament erfüllen dürfen und welche nicht.
    Armbrüster: Hier bei uns im Deutschlandfunk war das Gesine Lötzsch von der Linkspartei. Besten Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Lötzsch: Vielen Dank! Tschüß!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.