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Streit um Kaiser’s Tengelmann
"Das ist dem Wettbewerb nicht dienlich"

Die Zukunft der Kaiser's Tengelmann Märkte bleibt nach einem Spitzentreffen der deutschen Supermarktgrößen ungewiss. Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission, kritisierte im DLF, dass hier die Spieler am Markt entscheiden würden, die weder die Konsumenten noch die Lieferanten im Auge hätten.

Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission, im Gespräch mit Silke Hahne | 07.10.2016
    Neuer Vorsitzender der Monopolkommission, Achim Wambach
    Vorsitzender der Monopolkommission, Achim Wambach (Uwe Anspach/dpa )
    Silke Hahne: Es ist eine Fristverlängerung nach der Fristverlängerung. Nach einem Spitzentreffen der deutschen Supermarktgrößen gestern gibt es die Chance auf eine Lösung im Streit um Kaiser’s Tengelmann immer noch. Die Manager haben sich darauf verständigt, bis zum 17. Oktober nach einer Einigung zu suchen, und sie haben sich dabei ein Ziel gesetzt, nämlich die umstrittene Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel umzusetzen. Das heißt, Edeka würde dann alle Kaiser’s Tengelmann Märkte übernehmen. Dagegen hatten Rewe, Markant und Norma ursprünglich gerichtlich Beschwerde eingelegt und die könnten sie also zurückziehen. - Am Telefon ist jetzt Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission und Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Ist das jetzt ein schlechter Tag für den Wettbewerb, oder ein guter, weil Konkurrenten gemeinsam um eine faire Lösung ringen?
    Achim Wambach: Aus Wettbewerbssicht ist ja die Entscheidung schon lange getroffen worden, dass das für den Wettbewerb nicht hilfreich ist, und die Tatsache, dass die Wettbewerber am Tisch sitzen und eine Lösung finden, ist jetzt auch nicht unbedingt dem Wettbewerb dienlich.
    Die großen Unternehmen entscheiden
    Hahne: Wieso nicht?
    Wambach: Hier entscheiden sozusagen die Spieler am Markt, die aber nur die eine Seite im Auge haben. Sie haben weder die Konsumenten im Auge, sie sind ja die Anbieter, und sie haben auch nicht die Lieferanten im Auge, von denen sie ihre Ware beziehen. Hier entscheiden die großen Unternehmen, wie sie den Markt am besten strukturieren. Das ist dem Wettbewerb nicht dienlich.
    Hahne: Wo kein Kläger, da kein Richter. Sollten die Edeka-Konkurrenten jetzt tatsächlich ihre Beschwerden zurückziehen, ist die Sache dann juristisch auch durch?
    Wambach: Genau. Wenn diese Klagen zurückgezogen werden, wird das juristische Verfahren nicht weiter verfolgt werden, und das kennt man ja auch von anderen Ministererlass-Verfahren. Dann hat es eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass es dann auch so durchgezogen wird.
    Es wird keine Fusion stattfinden
    Hahne: Jetzt kann man sich ja vorstellen, dass Rewe und Co. sich im Rückzug der Beschwerden sozusagen auszahlen lassen, also einen Kuhhandel machen und sie Bedingungen stellen. Gibt es irgendein Szenario, wo diese Bedingungen wettbewerbsfreundlich ausfallen, oder welche Bedingungen wären aus Wettbewerbssicht denn wünschenswert?
    Wambach: Das Kartellamt hat ja damals kritisiert, dass in einzelnen Bereichen doch durch den Übergang von Kaiser’s Tengelmann zu Edeka es zu Wettbewerbsverzerrungen kommen würde, weil dann halt in der Nähe und in der Umgebung nur noch wenig Supermärkte und natürlich auch Unternehmen vorhanden wären. Und jetzt müsste man im Hinterkopf haben, dass, wenn sie sich an einen Tisch setzen, gerade sie das vermeiden wollen. Aber ich wüsste nicht warum. Es ist ja eigentlich im Interesse der Unternehmen, auch hier den Wettbewerbsdruck rauszunehmen, und insofern wenn da jetzt der Kuhhandel stattfindet, wird er eher zu einer Verstärkung dieser Problematik führen. Es wird ja keine Fusion stattfinden, weil sonst, wenn jetzt Rewe auch eine Teilfusion übernehmen würde, müsste das ja eventuell wieder überprüft werden durch das Bundeskartellamt und dann würden wieder ähnliche Probleme auftauchen. Aber man wird sehen, in welcher Form die eine Einigung da getroffen haben. Doch ich will nur sagen: Die Konsumenten saßen nicht am Tisch und die Lieferanten und Zulieferer saßen auch nicht mit am Tisch. Oder es wird ja noch gesprochen werden; die werden nicht mit am Tisch sitzen bei der Einigung, die jetzt geführt wird. Deswegen sind die Interessen auch nicht vertreten.
    Vollbeschäftigung als Ziel
    Hahne: Mit am Tisch sitzt aber auf jeden Fall Verdi. Die Gewerkschaft hat sich ja dafür eingesetzt, dass eine Lösung gefunden wird. Für die Mitarbeiter von Kaiser’s Tengelmann ist das natürlich jetzt erst mal ein weiterer Tag, an dem sie hoffen können.
    Wambach: Das stimmt. Für die Mitarbeiter ist das ein Tag, an dem sie hoffen können, und das macht das Ganze ja auch zu einem schwierigen Fall, die letztlich auch sehr lange haben da auf dem Teller hängen müssen mit einer sehr hohen Unsicherheit. Wir hatten als Monopolkommission in unserem Gutachten uns sehr klar geäußert, dass wir natürlich Vollbeschäftigung auch als wichtiges wirtschaftspolitisches Ziel betrachten. Das ist überhaupt keine Frage. Aber dadurch, dass der Wettbewerb damit behindert wird, geht Beschäftigung bei dem einen Unternehmen oder der Erhalt der Beschäftigung damit einher dort möglicherweise mit einem Abbau der Beschäftigung bei anderen Unternehmen. Dem Ziel der Vollbeschäftigung wird nicht gedient, sondern dem Ziel, diese Arbeitsplätze bei diesem Unternehmen zu erhalten, und das ist ein ganz anderes Ziel.
    Hahne: Wenn wir jetzt mal den Blick weiten auf die Konkurrenzsituation im Einzelhandel insgesamt: Sehen Sie da jetzt einen Gewinner Edeka, der gegebenenfalls alle Märkte übernehmen kann, oder sehen Sie Gewinner Rewe, Markant, die jetzt noch mal ihre Interessen stärken können?
    Wambach: Die Gesamtheit sitzt ja jetzt am Tisch und die werden eine Entscheidung herbeiführen, bei der alle sozusagen relative Gewinner sind. Insofern gibt es da Gewinner auf Unternehmensseite. Wer jetzt mehr gewinnt? Es ist ein Wettbewerber raus. Kaiser’s Tengelmann ist dann aus dem Markt ausgetreten und insofern ist das für die verbleibenden Unternehmen von Vorteil.
    Hahne: Würden Sie explizit von der Politik fordern, gegen diesen Kuhhandel jetzt vorzugehen oder Wege zu suchen, das zu vermeiden, dass da jetzt die Großen diesen Deal ausklüngeln und am Ende verliert der Verbraucher?
    Die Regeln müssen eingehalten werden
    Wambach: Das Verfahren hat ja seinen prozeduralen Lauf genommen. Es gab zuerst die Entscheidung des Kartellamts, dann wurde die Ministererlaubnis beantragt, wo dann auch die Monopolkommission sich geäußert hat, und der Minister hat dann eine Ministererlaubnis erlassen. Und dann wurde dagegen geklagt und vielleicht werden jetzt die Klagen zurückgezogen. Insofern ist das Prozedere da und nach Ansicht des Ministers sind die Gemeinwohleffekte der Fusion größer als die negativen Wettbewerbseffekte. Das Gericht hat seine Zweifel geäußert, die Monopolkommission hat ihre Zweifel geäußert, aber so ist das Prozedurale. Ich glaube, jetzt müssen in dem Verfahren die Regeln eingehalten werden und wenn die Klagen zurückgezogen werden, hat die Ministererlaubnis Bestand.
    Hahne: Lässt sich eigentlich beziffern, zu welchem Prozentsatz Preise steigen in solchen Fällen?
    Wambach: Es ist ganz schwierig, weil da sind ja dann immer eine Vielzahl von Faktoren, die eine Rolle spielen. Wie ist die lokale Situation, wie stark ist der Wettbewerb, auch wie stark machen die Discounter Wettbewerb. Auch hier sind es ja nicht nur die großen Supermarktketten, sondern ich kann ja auch meine Waren bei Aldi oder einen Teil davon bei Lidl holen, bei den Discountern, die hier tätig sind. Insofern: So eins zu eins kann man das nicht sagen.
    Hahne: … sagt Achim Wambach, Vorsitzender der Monopolkommission und Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung. Danke für das Gespräch.
    Wambach: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.