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Streit um Kölner Schauspielhaus

Nach siebenjähriger Planung soll in Köln das Schauspielhaus abgerissen und neu gebaut werden. Bürger und einige Kulturschaffende wenden sich gegen das Konzept. Sie plädieren für eine günstigere Sanierung des Gebäudes.

Jörg Biesler im Gespräch mit Christoph Schmitz | 03.02.2010
    Christoph Schmitz: Die 2000 Jahre alte Kulturmetropole Köln am Rhein, mit Dom, romantischen Kirchen, weltweit bekannten Museen, hat es nicht geschafft, Kulturhauptstadt 2010 zu werden, und war einer benachbarten Industrieregion unterlegen.

    Die groß geplante, archäologische Zone, die im Zentrum einen Blick in die jüdische Geschichte der Stadt bieten sollte, kommt nur in einer Schrumpfversion zustande. An die Stelle der abgerissenen Haubrich-Kunsthalle, wo jahrelang nur ein Bauloch zu bewundern war, steht ein Museumsbau, dessen Eröffnung wegen Baumängeln immer weiter verschoben wird. Der Zusammenbruch des Historischen Stadtarchivs liegt nicht mal ein Jahr zurück, von einem Masterplan zur städtebaulichen Entwicklung Kölns aus dem Architekturbüro Speer ist so gut wie nichts in Angriff genommen worden. Und jetzt gerät auch noch der Sanierungs- und Neubauplan für das Opern- und Schauspielhaus ins Wanken.

    Das Opernhaus aus den 50er-Jahren von Wilhelm Riphahn soll saniert, das angeschlossene Schauspielhaus abgerissen und neu gebaut werden; nach siebenjähriger Bauplanung und Entscheidung im Dezember endgültig - eigentlich könnte alles wieder aber jetzt auf der Kippe stehen. Jörg Biesler im Studio, was ist los? Warum?

    Jörg Biesler: Ja, Sie haben ja gerade die Katastrophenreihe sozusagen geschildert. Jetzt regt sich Bürgerwiderstand natürlich gegen das neue Schauspielhaus, und zwar deswegen, weil in dieser ganzen Reihe von Dingen, die nicht gut funktioniert haben in Köln, das neue Schauspielhaus sozusagen ein Symbol ist. Es ist fast ein Zufall, dass es gerade dieses Gebäude trifft, aber man hat sich erhofft von den Kommunalwahlen, die es zwischendurch gab und auch vom neuen Oberbürgermeister, dass der nun symbolisch sozusagen einen Neuanfang, in Architektur auch, zeigt, und das ist nicht passiert, da ist die Hoffnung sozusagen von allen Kulturschaffenden enttäuscht worden.

    Hinzu kam dann, dass die Theaterchefin Karin Beier gesagt hat, also, wenn der Kulturetat wirklich gekürzt werden muss - und es stand eine Kürzungsquote von 30 Prozent im Raum -, dann doch lieber keinen Neubau, dann sparen wir hier lieber etwas ein und wir behalten das alte Gebäude und sanieren das.

    Es hat hier also sozusagen eine Kumulation gegeben verschiedener Interessenlagen. Und während die offizielle Stadtvertretung sozusagen - die Politik einschließlich Oberbürgermeister - sagt, wir ziehen das jetzt durch, das ist für uns das Symbol des Neuanfangs, sagt sozusagen die Opposition auf der Straße: Ein Neuanfang wäre gewesen, jetzt endlich aufzuhören mit dem Geldausgeben.

    Schmitz: Es gibt noch eine dritte Position, die des Opernintendanten Uwe Eric Laufenberg. Er möchte auch, dass jetzt alles umgesetzt wird, wie das der Stadtrat im Dezember beschlossen hat. Aber die Verhältnisse haben sich ja geändert. Was ist denn passiert, dass nach siebenjähriger Planungszeit und Bauentscheidung für die Sanierung des Opernhauses und den Abriss und Neubau des Schauspielhauses - was ist passiert, dass jetzt plötzlich wieder diskutiert wird und zum ersten Mal ja in der großen, öffentlichen Diskussion die Dinge betrachtet werden?

    Biesler: Man kann dieser Bürgerbewegung, die ja jetzt ein Bürgerbegehren auch gestartet hat - es wird gerade eine Unterschriftenaktion durchgeführt und womöglich wird der Stadtrat am Ende dazu gezwungen, seinen Beschluss noch mal zurückzunehmen, tatsächlich jetzt abzureißen und neu zu bauen -, man kann ihnen tatsächlich vorwerfen, dass es spät kommt. Und dass es gerade zu diesem Zeitpunkt kommt, ist, wie gesagt, ein symbolischer Akt.

    Seit mehr als vier Jahren wird darüber diskutiert, ist der Wettbewerb durchgeführt worden, gab es diese Neuplanungen, und in dieser ganzen Zeit hat eigentlich niemand die Stimme erhoben und gesagt, wir müssen unbedingt das Schauspiel auch erhalten. Bei der Oper schon, da war das Engagement wesentlich größer, das sollte ja ursprünglich auch abgerissen werden. Aber beim Schauspiel, das fand man verzichtbar, und tatsächlich ist es jetzt ein symbolisches Aufbäumen sozusagen derjenigen, die sich als kulturtragend in Köln verstehen, die sagen: Wir machen das jetzt nicht länger mit. Die bessere Lösung, das wissen wir alle, ist der Erhalt, und auch die billigere gleichzeitig, und das müsst ihr jetzt von der Politik leisten, das umzusetzen.

    Schmitz: Wobei der Neubau, der geplante Neubau, also, ein Glaskubus, der weit über das Opernhaus nach vorne gezogen werden soll, eigentlich ja eine große Option geboten hat, der war aber wiederum zu teuer, über 300 Millionen inklusive der Opernsanierung.

    Biesler: Genau, man hätte die Werkstätten in der Innenstadt konzentriert für die Oper, für das Schauspiel, das hätte im Ablauf wesentliche Vorteile gebracht, aber das musste eingespart werden, weil es zu teuer geworden wäre.

    Schmitz: Und die Schrumpfversion ist keine Alternative zur Sanierung des Schauspiels, das ist der Punkt vermutlich?

    Biesler: Das ist der Punkt, also, dass diese Schrumpfversion im Grunde nur ein neues Schauspiel bietet, aber nicht die Vorteile, die darüber hinaus der Neubau noch gehabt hätte.

    Schmitz: Das müsste die Stadt doch auch einsehen und auch diesen Neuanfang suchen, wenn man nichts Besseres mit einem Neubau bekommt.

    Biesler: Die Stadt sieht es ein, die Stadt sieht es ein.

    Schmitz: Aber?

    Biesler: Oberbürgermeister Jürgen Roters sagte auf einer Veranstaltung kürzlich, tatsächlich spreche jetzt nicht mehr so viel für den Neubau, aber eine Neuausschreibung - und mit ihm als Oberbürgermeister, so schwellte stolz seine Brust, würde es nur ein korrektes Verfahren geben, nicht mehr so etwas, wie es das in der Vergangenheit gab -, eine Neuausschreibung würde das ganze Verfahren verzögern.

    Das ist auch der Grund dafür, warum Uwe Eric Laufenberg sagt, jetzt lasst uns endlich anfangen, denn der sieht seine Oper dann noch länger geschlossen, als es ohnehin schon der Fall ist. Und da sagt Jürgen Roters, das kann sich die Stadt nicht leisten, also, wir müssen bauen, wir haben gar keine Alternative.

    Schmitz: Reiht sich diese Debatte um das sogenannte Opernquartier ein in die lange Reihe der zahllosen kulturpolitischen Flops der Stadt oder ist das etwas anderes hier?

    Biesler: Ich glaube tatsächlich, dass es hier eine Chance für einen Neuanfang gegeben hätte, sowohl, was die Stadtfinanzen angeht - der Neubau ist ja unbestritten immer noch teurer als die Sanierung -, aber auch, was die Stadtgestalt angeht, denn auch der Neubau ist in seiner architektonischen Qualität sehr umstritten.

    Schmitz: Ein Wort vielleicht noch: Woran liegt das ganze Dilemma? Ist das der Kölner Schlendrian?

    Biesler: Das ist, glaube ich, unprofessionelles Management in der Stadtpolitik.

    Schmitz: Jörg Biesler, vielen Dank für diese Einschätzungen zur Kölner Kulturpolitik und zur Debatte um das neue Opernquartier.